Die Verklemmten haben ein weiteres Mal das Zepter in die Hand genommen, und wir sind als Gesellschaft wieder da, wo wir vor siebzig Jahren waren: in der totalen Prüderie.

Man kann beim Thema «Sexyness und Frau» heute nicht behutsam genug sein. Das erlebte neulich Toyota. Wäre ich dort verantwortlich fürs Werbebudget, wäre ich versucht, den Etat Schweiz ausnahmslos zu streichen, nur würde ich damit der Automarke selbst schaden. Also keine gute Idee.

In Lausanne darf ein Plakat nicht mehr gezeigt werden, auf dem, Achtung!, ein schönes Model ein langes Kleid trägt, Bein zeigt und für einen Prius wirbt. Drei solche Plakate sind überklebt worden, weil: sexistisch. Das hat die beratende Kommission für sexistische Werbung so beschlossen. Diese wurde auf das Plakat erst aufmerksam, weil eine Person – in Zahlen: 1 – sich beschwert hatte. Wie Medien berichten, stört sich die Kommission in ihrer Stellungnahme an folgenden Punkten: «freigelegtes Bein», «anzügliche Position halb angewinkelt», «Keilsandaletten», der «Blick» und die «Schlankheit» des Models: All das fördere Stereotype. Die Frau sei nur zu dekorativen Zwecken abgebildet. Sie könnte eine Nutzerin des Wagens sein, aber das wisse der Betrachter im ersten Moment nicht. Betreutes Denken, so wichtig.

Das Jahrhundert ist zu weit fortgeschritten, als dass man hier mit tatsächlichen Argumenten diskutieren müsste, der Fall spricht für jeden, der auf drei zählen kann, für sich selbst. Nur so viel: dekorativer Zweck? Ist es eben nicht. Gute Werbung enthält auch immer eine Gesamtaussage; in dem Fall lautet sie: «Der Prius ist sexy.» Der war nämlich lange Zeit der Inbegriff des biederen Autos. Heute kommt er recht schnittig daher, dazu passt eine schöne Frau, geschmackvoll-sexy gekleidet; das ist die Meta-Botschaft, und die kann man nicht optimal finden, okay, aber gleich verbieten? Menschen mit hartnäckiger Abneigung gegen Schönheit und Sexyness scheint diese Botschaft tatsächlich schlaflose Nächte zu bereiten.

Es muss ein gutes Gefühl sein, Frauen wie im Mittelalter vorzuschreiben, was gut für sie ist und was nicht.

Oder vielleicht verstehen sie es, aber worum geht es ihnen dann? Gesellschaftliches Verantwortungsgefühl kann es nicht sein, denn demokratietheoretisch ist der Fall klar: Die grosse Mehrheit der Menschen stört sich an solchen Plakaten nicht, hält sie nicht für frauenschädlich. Geht es um den Stolz der Frauen? Um die eigene Empfindsamkeit oder gar um Macht? Vielleicht um eine Kombination der letzten beiden? Es muss ein gutes Gefühl sein, mit quasiautoritären Möglichkeiten entscheiden zu können, wie der Pfaffe im Mittelalter, was wir als Gesellschaft sehen dürfen, und Frauen vorzuschreiben, was gut für sie ist und was nicht.

Eigentlich wäre es ein Fall für streng konservative Menschen, heute stören sich aber ganz andere Kreise daran. Es sah mal eine Zeitlang so aus, als wäre die Moral in der westlichen Welt befreiter und entspannter geworden – die Rechnung wurde jedoch ohne die modernen Langweiler gemacht. Es gibt nicht wenige Leute, die solcherlei Gremien für Staatsabteilungen halten, die, Zitat, «einfach die Gesellschaft mobben» – wen wundert’s.

Wir sind selbst schuld. Eine Gesellschaft bekommt, was sie verdient. Wir kuschen vor Kommissionen mit gutmütiger Zuneigung zur Bevormundung und entlohnen sie obendrein noch mit viel Steuergeld, damit sie uns ihr eigenes, verklemmtes Weltbild überstülpen können. Kommissionen, die nichts zur Wertschöpfung der Gesellschaft beitragen, aber mit unserem Geld Produktivität, Ideen und Kreativität von anderen behindern. Oder verhindern. Bravo. Der Fortschritt ist wirklich bemerkenswert.

Letzte Frage: Ist es eigentlich noch okay, als Frau schön und schlank zu sein? Denn, es ist ja wohl allen klar, dasselbe Plakat mit einer unsportlichen und ungepflegten Person, gleiches Kleid, gleiche Pose, wäre wohl kein Problem gewesen; hätte das Model ein Leben im undisziplinierten, Fastfood-essenden Jammertal gelebt, kein Hahn hätte danach gekräht.

Ich finde, die Liste mit Dingen, die wir als Gesellschaft nicht mehr akzeptieren sollten, gehört ergänzt. Läge es an mir, müssten auch solche Kommissionen abgeschafft werden. Gremien, die auf endloser Spurensuche nach sexistisch Verdächtigem irgendwo den Anblick einer schönen Frau verbieten, braucht es nicht.

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