Gar nicht einverstanden ist der Autor unserer Titelgeschichte, Jörg Friedrich, mit vielen Aussagen von Chefredaktor Roger Köppel über den Ukraine-Krieg. Die beiden trennt bei dieser Frage nicht nur der Rhein. Umso mehr freut es uns, dass der preisgekrönte deutsche Bestsellerautor trotzdem auf die Einladung eingestiegen ist, seine Sicht auf das Zusammenprallen der Grossmächte im Osten Europas für die Weltwoche aufzuschreiben. Friedrich sieht die westliche Allianz im Zustand eines allmählichen Zerbröselns, den militärischen Verteidigungswall der Nato als morschen Holzzaun, den Russlands militärisch avancierender Machthaber Putin leichterdings einzutreten in der Lage sei. Der Westen – wie gewonnen, so zerronnen.

Friedrich gehört zu den führenden und meistverkaufenden Sachbuchverfassern Deutschlands. Als Kriegshistoriker hat er massgebliche Werke geschaffen über die Verbrechen der Wehrmacht («Das Gesetz des Krieges») oder die aus seiner Sicht militärisch sinnlosen Bombardierungen gegen deutsche Städte am Ende des Zweiten Weltkriegs. «Der Brand» dominierte bei Erscheinen 2002 die Bestsellerlisten und Debatten. Was die Bücher Friedrichs auszeichnet, ist ihre sprachliche Intensität, der eigenwillige Zugriff des Autors auf seine Stoffe. Von besonderer Aktualität ist sein «Yalu. An den Ufern des dritten Weltkriegs», eine Studie zum Konflikt der Nuklearmächte damals in Korea.

Jörg Friedrich, geboren in Kitzbühel, ist ursprünglich Schauspieler mit brillanten Kenntnissen der deutschen Klassiker, darunter Schillers «Wilhelm Tell». Er wirkte als Regieassistent des Filmemachers Helmut Käutner («Des Teufels General»). In den 1968er Zeiten war er auf Seiten der Westberliner Linken engagiert. Heute lebt und arbeitet Jörg Friedrich im altehrwürdigen Berlin-Charlottenburg. Herzlichen Dank und herzlich willkommen!

Diese Ausgabe ist der Geopolitik gewidmet. Weitere namhafte Autoren nehmen sich des Themas an. Der britische Historiker Niall Ferguson analysiert den neuen kalten Krieg. Der Berner Professor Beat Schneider berichtet von seinen Eindrücken einer ausgedehnten Chinareise. Der bedeutende Afrikaforscher Stephen Smith untersucht das politische Erbe von Nelson und Winnie Mandela. Wolfgang Koydl erinnert an den Geostrategen Halford Mackinder, dessen 1904 erstmals formulierte Theorie eines eurasischen Herzlands bis heute gültig geblieben ist. Der kanadische Anwalt Robert Amsterdam, ehemaliger Verteidiger des Putin-Gegners Michail Chodorkowski, bezichtigt die ukrainische Führung der schweren Menschenrechtsverletzungen. Der konservative Publizist Peter Hitchens beklagt die Kriegstreibereien der Konservativen und plädiert für Verhandlungen mit Moskau. Guy Mettan, ehemaliger Chefredaktor der Tribune de Genève, erinnert an die Genfer Indochinakonferenz von 1954, als die Schweizer Aussenpolitik noch glänzte.

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