Vor den Spielen nimmt Kevin Fiala Eisbäder, um sich den allerletzten Kick zu geben. Dann ist er noch heisser auf den Match, als er es ohnehin schon ist. «Ich bin sehr kompetitiv, ich möchte immer der Beste sein», sagt der NHL-Star. Wir treffen Fiala in seinem neuen Zuhause in Manhattan Beach. Das kalifornische Küstenstädtchen liegt etwa 25 Kilometer südwestlich von Downtown Los Angeles. Der Ort ist gepflegt und sehr begehrt. Hier wohnen nicht nur begnadete Surfer, sondern auch viele erfolgreiche Eishockeyspieler, weil sich das Trainingszentrum der Los Angeles Kings ganz in der Nähe befindet. Den zeit- und nervenraubenden Verkehr in die Innenstadt – der Tempodurchschnitt liegt am Morgen bei knapp 25 Stundenkilometern – können sich die Sportler so sparen.

Anfang Jahr hat Fiala hier einen grosszügigen, mehrstöckigen Neubau mit Pool, Jacuzzi und prächtigem Blick aufs Meer erworben. «Meine Frau und ich haben es zusammen ausgesucht», sagt der 27-Jährige. Auch im Hinblick auf möglichen Nachwuchs. «Wir wollen eine Familie. Ich fände es cool, wenn meine Tochter oder mein Sohn ebenfalls Hockey spielen würden.» Bereits Fialas Vater, der aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz kam, war Hockey-Profi. Die Einrichtung bei der Besichtigung des neuen Hauses gefiel den frischvermählten Fialas so gut, dass sie diese gleich mitkauften. «Es hat einfach gepasst.»

«Ich fände es cool, wenn meine Tochter oder mein Sohn ebenfalls Hockey spielen würden.»Fiala und die Schwedin Jessica, eine zierliche ehemalige Jus-Studentin, 28, heirateten im August vor einem Jahr. Damals stand der Ostschweizer kurz vor seiner ersten Saison bei seinem neuen Arbeitgeber, den LA Kings, wo auch der berühmteste NHL-Spieler überhaupt, Wayne Gretzky mit der Rückennummer 99, zwischen 1988 und 1996 beheimatet war. Fiala spielt auf dem linken Flügel mit der Nummer 22. Sein Start in Los Angeles gelang. «Ich wurde sehr gut aufgenommen», sagt er, und er überzeugte auf dem Eis: Fiala gab die meisten Assists und war viertbester Kings-Torschütze in der Saison 2022/23. Im März wurde er für das All-Star Game aufgeboten, was in der besten Hockey-Liga der Welt eine grosse Ehre bedeutet. Fiala verletzte sich kurz vor den Play-offs, spielte bald wieder, doch die Kings schieden in der ersten Play-off-Runde gegen die Edmonton Oilers aus. Danach ging es für ihn mit dem Schweizer Nationalteam direkt weiter an die WM nach Lettland. «Ich war immer noch leicht verletzt, nahm das Risiko aber auf mich», sagt er. Und: «Ich will einfach mal WM-Gold gewinnen.» 2018 war er dem Titel sogar zum Greifen nahe – im Final unterlag die Schweiz jedoch Schweden.

 

7,9 Millionen Dollar im Jahr

Mit seinem Traumverein, den LA Kings, strebt Fiala ein mindestens ebenso hohes Ziel an: den Gewinn des Stanley Cup. In seiner NHL-Karriere ist Los Angeles die dritte Station. Ursprünglich vom EHC Uzwil kommend, wechselte er 2012 als sechzehnjähriger Junior von den ZSC Lions nach Schweden, wo er für die Malmö Redhawks sowie den HV71 spielte – und seine zukünftige Frau Jessica kennenlernte. Dann kam er in Amerika zu den Nashville Predators und später zu den Minnesota Wild. 2022 unterschrieb er bei den Los Angeles Kings einen Siebenjahresvertrag, der ihm jährlich 7,9 Millionen Dollar einbringt. Der Deal lief wie üblich zwischen seinem Agenten und dem Manager der Kings ab. «Der Agent hielt mich jeweils auf dem Laufenden. Die Verhandlungen dauerten ihre gewohnte Zeit, bis alles stimmte», sagt Fiala. Er ist nun einer der bestverdienenden Schweizer Sportler.

Der Prestigeklub bringt auch sonst Annehmlichkeiten. «Es gibt in der NHL grosse Unterschiede. Hier in L. A. ist alles einfach professionell, für mich als Spieler ist es von der Organisation und von der Betreuung her das bisher beste Team», erklärt Fiala. Neben seinem langjährigen persönlichen Fitnesstrainer kann er zum Beispiel auch auf die Unterstützung eines mental coach zählen. Wichtig für den Entscheid, nach Los Angeles zu gehen, war für ihn aber vor allem, dass es mit den Kings realistisch ist, unter den Besten der Liga zu sein. «Jede Mannschaft hat das Ziel, den Stanley Cup zu gewinnen, manche in einem Jahr, manche in zehn Jahren. Mit den Kings ist der Sieg jedes Jahr möglich», sagt Fiala. Das Team hat dies schon mehrmals geschafft, zuletzt vor zehn Jahren – mit dabei war schon damals Anze Kopitar, der heutige Captain der LA Kings.

Der Druck ist entsprechend hoch. Als wir Fiala bei sich zu Hause treffen, geht es noch eine gute Woche bis zum Saisonstart. «Ich kann es kaum erwarten, bis es losgeht», sagt er, während im Hintergrund Schosshündchen Foxy bellt. Er bezeichnet sich als jemanden, der keine zusätzliche Motivation brauche, er sei von Natur aus genug angestachelt, und die Leidenschaft für den Sport sei zu gross. «Druck ist ein gutes Gefühl, so kann ich Höchstleistungen erbringen.»

Als Junior hat Fiala in der Schweiz und später in Schweden gespielt. Den grossen Unterschied zwischen dem Eishockey in der Schweiz und in Schweden, aber auch zu jenem in den USA sehe man bereits bei den Kleinen. «Als in der Schweiz der Trainer den Krafttrainingsplan auf die Tafel schrieb, machte niemand etwas», erinnert sich Fiala an seine Juniorenzeit, «in Schweden und in Amerika macht jeder genau das, was auf der Tafel steht, jeder gibt Vollgas, es ist viel kompetitiver.» Man «pushe» sich gegenseitig ans Limit, das helfe, «den inneren Sauhund» zu überwinden. «Und wenn einer wirklich will, spürt man das im Team, und auch die Zuschauer merken das.» Fiala beschreibt die Situation in der NHL so: «In den Play-offs bleiben 16 von 32 Teams übrig, die meisten sind etwa gleich gut. Es gewinnt schliesslich, wer mehr will und mehr für den Sieg tut. Der Wille ist das Wichtigste.»

Von der Aggression und der Gnadenlosigkeit, die Fiala aufs Eis bringen muss und will, ist im Gespräch nichts zu spüren. Der NHL-Star wirkt eher ruhig, zurückhaltend und kontrolliert. In Manhattan Beach tankt er die nötige Kraft, hier hat er seine neue Heimat gefunden. «Ich liebe die Schweiz zwar, vermisse sie aber nur ganz selten, manchmal während der Saison im Februar», sagt Fiala, der übrigens nicht mit der bekannten FDP-Nationalrätin Doris Fiala verwandt ist. Das Umfeld in Manhattan Beach sei optimal. Ein Teamkollege wohnt bloss zwei Minuten von ihm entfernt, andere nicht mehr als zehn Minuten. Er und seine Frau fühlten sich sehr wohl, es herrsche ein guter Geist. Man treffe sich oft untereinander, gehe essen in den Restaurants, die hier super seien, an den Strand, spiele Volleyball oder fahre mit dem Velo rauf nach Santa Monica. «Am Anfang dachte ich, wir würden ständig in Hollywood sein, doch irgendwie ist es mir dort zu fake», sagt Fiala.

«Ich liebe die Schweiz zwar, vermisse sie aber nur ganz selten, manchmal im Februar.»Hier ist es anders. «Manche Nachbarn wohnen schon seit vierzig Jahre am selben Ort. Diese Bodenständigkeit gefällt mir.» Surfen war er noch nie. Obwohl er nur ein paar hundert Meter vom Strand weg lebt und Manhattan Beach einige der besten Surf-Spots in der Region bietet. Die Beach Boys besangen sie in «Surfin’ USA». «Ich habe Angst vor den Haien», sagt Fiala und lacht. Abgesehen davon wäre das Risiko einer unnötigen Verletzung für den Spitzensportler zu gross. «Vielleicht versuche ich es nach der Saison doch einmal.»

 

Das heilige Eis der L. A. Kings

Das angenehme südkalifornische Klima mache das Leben hier ebenfalls sehr lebenswert, sagt Fiala. Und er hat von seinem Haus eine atemberaubende Aussicht auf den Pazifik, der manchmal noch majestätischer glitzert als das heilige Eis der Los Angeles Kings in der Crypto.com-Arena in Downtown L. A., wo diese ihre Heimspiele austragen. Das soll etwas heissen, denn wie es in diesem Stadion funkelt, wenn die Kings in die Arena einlaufen, ist schlicht grossartig. Es wird eine Riesenshow geboten. Doch sobald ein Spiel beginnt, wird es augenblicklich still. Die Konzentration der Zuschauer richtet sich voll aufs Spiel. Nicht wie in der Schweiz oder an der Eishockey-WM in Europa, wo die Fans einen permanenten Lärmpegel erzeugen.

Fiala vergleicht die unterschiedlichen Geräuschkulissen mit einem Motor: «Das eine ist wie ein Elektro-Auto, das andere wie ein Benziner, beides ist cool. In den USA kommt einfach dann Stimmung auf, wenn es wirklich wichtig ist, wenn sich eine grosse Chance anbahnt oder während eines Powerplays; das motiviert dann schon sehr.»