Der Unternehmer Herbert Noser ist empört. Er hat vor über vierzig Jahren gemeinsam mit seiner Frau Marianne die Firma Chrom-Line mit Sitz im luzernischen Wikon gegründet. Diese verarbeitet Metall auf höchstem Niveau, speziell Chromstahl. Mittlerweile haben Clemens und Sandra Noser das Geschäft in zweiter Generation übernommen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die massgefertigten Pools, bei denen Turbinen einen verstellbar starken Gegenstrom erzeugen, so dass sich die Kunden gewissermassen mit Flussschwimmen fithalten können.

Konkret geht es um nichts Geringeres als um eine Enteignung.Vor einiger Zeit ging bei Chrom-Line die Bestellung eines Pools für eine Liegenschaft hoch über dem Vierwaldstättersee ein. Da dieser aufgrund des Geländes nicht motorisiert angeliefert werden kann, organisierte die Firma einen Transport mittels Helikopter. Der Pool sollte in zwei Teilen à viereinhalb Tonnen angeliefert werden. Dieses Gewicht vermag allerdings ein lastentragender «Super Puma» nicht zu bewältigen, hingegen der Helikopter vom Typ Kamov schon. Dieser zweimotorige leistungsfähigste Schwerlastenhelikopter mit doppeltem Rotor verfügt über ein Hebevermögen von bis zu fünf Tonnen. Genau diesen Kamov führt die Firma Heliswiss International mit Sitz in Küssnacht am Rigi in ihrem Angebot.

 

Sanktionen erweisen sich als Bumerang

Doch zu ihrem Entsetzen vernahm die Unternehmerfamilie Noser, dass ein Transport des vorgefertigten Pools unmöglich sei. Aufgrund der Sanktionen, welche die Schweiz unter internationalem Druck gegen Russland ergriffen hat, darf die russische Kamov den Boden nicht mehr verlassen. Die bundesrätliche Ukraine-Verordnung sowie die Vorschriften der EU-Luftsicherheitsagentur (Easa) zwingen die Heliswiss International dazu. Das Typenzertifikat wurde offiziell sistiert, was für einen Helikopter einem Todesurteil gleichkommt. Heliswiss darf keine Ersatzteile für ihren Kamov-Helikopter in Russland mehr beziehen; dies verunmöglicht jeden weiteren Einsatz. Das Unternehmen musste daher auch den zuvor vereinbarten Lastenflug für die Firma Chrom-Line absagen. Auf Anfrage wollte sich die Heliswiss nicht öffentlich äussern.

Dies ist durchaus verständlich angesichts der Abhängigkeit von den Bundesbehörden und der Europäischen Union (EU). Denn die Schweiz hat nicht nur das Sanktionsregime der EU gegen Russland sklavisch übernommen, sondern mit dem Luftverkehrsabkommen von 2002 auch sämtliche Bestimmungen der Europäischen Union. Durch das Flugverbot für die Kamov-Helikopter in der Schweiz schädigt Bundesbern eine auf Lastenflüge spezialisierte Firma und damit auch unseren Werkplatz, der Flüge über vier Tonnen nicht mehr ausführen kann. Für die Firma Chrom-Line hiess dies, dass sie den Pool für teures Geld in drei statt in zwei Teile zerlegen musste.

Konkret geht es um nichts Geringeres als um eine Enteignung. Hiesige Produkte werden durch die unnützen Ukraine-Massnahmen aus Bundesbern verteuert, und Arbeitsplätze gehen verloren. Dabei haben die bundesrätlichen Sanktionen gegen Russland keinerlei Einfluss auf den Ukraine-Krieg. Sie erweisen sich aber als Bumerang, weil Piloten, Mechaniker und Büropersonal ihre Arbeit verlieren. Anders gesagt: In Bern haben sieben Bundesräte mit dem Einkommen von je einer halben Million Franken die bewährte Schweizer Neutralitätspolitik gebrochen – möglicherweise ohne zu bedenken, welchen Schaden sie für die eigenen Bürger anrichten.

Die Heliswiss International führt etwa Transporte für Montagen von Kranen, Antennen oder Strommasten durch, aber auch Hilfseinsätze für Bandbekämpfungen, humanitäre Notlagen oder Bergungen. Das Unternehmen besteht seit 65 Jahren und ist seit 2012 im Besitz der Swiss Helicopter AG in Chur. Diese arbeitet mit rund 35 Helikoptern auf fünfzehn Basen. Der Werbeslogan «Wir bewegen Ihre Lasten» gilt zumindest für den Doppelrotor-Helikopter Kamov nicht mehr. Luftverkehrsspezialisten vermuten, dass bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs das Verkehrsdepartement unter der damaligen Leitung von Simonetta Sommaruga (SP) auf rigorose Einhaltung der Sanktionsmassnahmen gegen Russland bestanden habe. Diese führten auch dazu, dass europäische Firmen bei riesigen Waldbränden in Chile vier Kamov-Helis nicht mehr abheben lassen durften und bei jener Umweltkatastrophe vertragsbrüchig werden mussten.

Dabei trägt der leistungsstarke russische Kamov Ka-32 den Ehrentitel «Schwergewichtsmeister Europas». Nun stehen diese Maschinen wegen der Sanktionen der Schweiz beziehungsweise der EU unnütz im Hangar. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) äussert sich wie folgt: Die Verordnung über die Ukraine-Massnahmen verbiete grundsätzlich das Starten und Landen sowie das Überfliegen des Schweizer Hoheitsgebiets für bestimmte Luftfahrzeuge. Obwohl ein Kamov-Helikopter russischen Ursprungs sei, falle er nicht zwingend unter diese Bestimmung.

Dann aber kommt das Bazl in Beamtendeutsch zum entscheidenden Punkt: «Allerdings hat die Europäische Union im Bereich der Lufttüchtigkeit sämtliche Musterzulassungen russischer Hersteller, zu welchen auch die eingeschränkte Musterzulassung des Kamov-Helikopters gehört, bis auf weiteres suspendiert. Eine gültige Musterzulassung bildet die Grundlage für das Lufttüchtigkeitszeugnis eines Luftfahrzeuges, welches wiederum Voraussetzung für die Inverkehrsetzung im schweizerischen respektive europäischen Luftraum ist. Entfällt eben diese Grundlage einer gültigen Musterzulassung (final oder nur vorübergehend), wird grundsätzlich auch das darauf basierende Lufttüchtigkeitszeugnis ungültig, und das betroffene Luftfahrzeug darf nicht mehr in Verkehr gesetzt werden.»

Das von der Schweiz übernommene EU-Recht im Bereich Luftfahrt sehe jedoch im Falle dringender unvorhersehbarer Ereignisse Möglichkeiten vor, unter bestimmten Voraussetzungen von den geltenden Bestimmungen abzuweichen und in Ausnahmefällen Einzelregelungen zu treffen. Die Schweiz respektive das Bazl hat dies im Rahmen der vorgesehenen Möglichkeiten getan und von einer sogenannten Exemption Gebrauch gemacht. Das schweizerische Bazl wurde jedoch von der europäischen Behörde Easa respektive der EU-Kommission angewiesen, eine für diesen Helikoptertyp ausgestellte Ausnahmebewilligung zurückzuziehen: «Für den Kamov-Helikopter existiert somit trotz der Bemühungen des Bazl gegenüber der Easa/EU im Bereich Lufttüchtigkeit unabhängig vom Betreiber faktisch ein Flugverbot.»

 

Verbot von Ersatzteillieferungen

Auch der Erwerb von Ersatzteilen, die direkt vom russischen Hersteller bezogen werden, ist gemäss der bundesrätlichen Ukraine-Verordnung verboten. Der Bezug von Ersatzteilen von Lieferanten, die nicht von den Sanktionsbestimmungen erfasst sind, ist hingegen nicht grundsätzlich untersagt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) entscheidet laut Bazl hier im Einzelfall.

Vom EU-Sanktionsbefehl gegen Russland an die Schweiz abgesehen, stöhnen vor allem die privaten Luftverkehrsunternehmen auch sonst über die Vorschriftenflut der europäischen Luftsicherheitsbehörde Easa. So hat diese diktiert, dass Helikopter-Piloten ab dem sechzigsten Altersjahr keine Personen mehr transportieren dürfen.

Die Brüsseler Bürokraten verstehen die Kunst, das Mögliche unmöglich zu machen.Diese völlig widersinnige Vorschrift führt zu absurden Situationen: So darf ein Zwanzigjähriger aus reichem Haus, der sich die teure Ausbildung zum Heli-Piloten leisten kann, problemlos Personen transportieren – auch wenn sein Können dafür noch keineswegs ausreicht. Hingegen werden einem erfahrenen, völlig gesunden Sechzigjährigen keine Personentransporte mehr gestattet. Dies gilt, auch wenn die regelmässigen medizinischen Untersuchungen ihm geistig und körperlich das allerbeste Zeugnis ausstellen.

Die Brüsseler Bürokraten verstehen eben die Kunst, das Mögliche unmöglich zu machen.