Die Aussenpolitik des amerikanischen Präsidenten Trump ist nicht einfach zu lesen. Klar ist nur, dass er auch hier versucht, Wahlversprechen zu erfüllen und Amerikas militärisches Engagement in der Welt zu reduzieren. Doch Aussenpolitik ist nicht Innenpolitik, und ein Präsident kann nicht einfach alles auf den Kopf stellen.
Was geschieht in der realen Welt, wenn Amerika sich ganz zurückzieht – aus Afghanistan nach achtzehn Jahren, aus dem Irak und Syrien nach ein paar, aus Europa, Korea und Japan nach 74 Jahren – alles im Zeichen von «America first»? Bricht dann der grosse Frieden aus?
Mit dem Angriff auf die saudische Erdölproduktion ist – nach diversen früheren Provokationsversuchen – eine erste Antwort gegeben worden. Er kam nach dem Rücktritt des Sicherheitsberaters John Bolton und im Zeichen der Versuche Trumps, die harte Linie gegenüber dem Iran aufzuweichen. Ein Gipfeltreffen am Sitz der Uno war im Gespräch. Vor einigen Wochen hatte Trump einen Luftangriff auf ausgewählte Ziele im Iran in letzter Minute abgeblasen. Kann sein, dass Teheran amerikanische Schwäche wittert, aber auch, dass jemand anders eine Annäherung verhindern will.
Nun zögern die Amerikaner und wollen herausfinden, ob wirklich der Iran Urheber des Angriffs war. Aussenminister Pompeo hatte dies bereits als Tatsache hingestellt, und so sind die Zweifel wohl zweckorientiert. Das Ausscheiden Boltons war ein Signal, dass Trump seinen Willen gegen das sicherheitspolitische Establishment durchsetzen will.
Kurios ist natürlich, dass jene, die Bolton als Gefahr für den Weltfrieden betrachteten, nun erneut seine Absenz als solche Gefahr hinstellen – ein bemerkenswerter Argumentationssalto. Sollten Amerika und Saudi-Arabien nun zum Schluss kommen, dass ein grösserer Vergeltungsschlag notwendig wird, könnte dies zu einer Eskalation und einem Krieg am Golf führen. Aus diesem Schlagabtausch könnte sich Amerika kaum heraushalten, obwohl Trump wiederholt erklärt hat, er wolle keinen Krieg.
Bolton sei nicht mehr im Westflügel des Weissen Hauses zugange, doch seine Seele schwebe weiterhin in allen Räumen, schrieb dieser Tage der alte Nixon-Mann Pat Buchanan. Bolton war der dritte Sicherheitsberater Trumps, ein konservativer Falke, der das weltpolitische Engagement Amerikas als stabilisierenden Faktor im globalen Chaos ansieht. Er vertrat eine Politik der Härte, ein Kriegstreiber war er aber nicht. So war es fast schon logisch, dass Amerikas Feinde – Nordkorea, der Iran – dem Abgang Boltons applaudierten.
Unmittelbarer Anlass war die «Ausladung» der Taliban von Camp David, wo Trump ein Zeichen für die Verhandlungen über den Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan setzen wollte. Doch nach dem jüngsten Bombenanschlag in Kabul wäre das die Faust aufs Auge gewesen. Friedenssabotage auch hier?
Bolton war von Anfang an entschieden dagegen. Aber nicht nur das: Er war gegen Trumps Nordkorea-Politik, gegen das Gesprächsangebot an den Iran, gegen den Truppenabzug aus Syrien, gegen eine Annäherung an Russland, gegen eine Einigung mit China.
Für seine Fundamentalopposition hatte er gute Gründe. Aber Trump ärgerte sich zunehmend über den schnurrbärtigen Hardliner. Der Präsident hat ebenfalls gute Gründe: Er will Ruhe in der Aussenpolitik, wenn immer möglich abgesichert durch Abkommen, die seinem Ruf als «Dealmaker» schmeicheln. Leider läuft das nur, wenn der «Feind» mitmacht.
Nordkorea: Bolton hatte den Zorn des Chefs mit einem Interview erregt. Er erwähnte für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel das Beispiel Libyen, das 2003 sein Atomprogramm aufgegeben hatte. Das wäre in der Tat ein Modell, wie das auch in Korea schrittweise ablaufen könnte.
Aber Trump bezeichnete die Äusserung als grossen Fehler, weil Kim Jong Un dies als Signal für seinen Sturz – wie einst bei Gaddafi – auffassen konnte: Zuerst das Atomprogramm weg, dann der Diktator. Die missglückte Libyen-Intervention Präsident Obamas ist für Trump ohnehin ein Anathema. Bolton hätte es besser wissen müssen. Man kann recht haben und falschliegen.
Trump versteht es ausgezeichnet, die Stimmung in seiner Wählerschaft auszuloten, und die liegt aussenpolitisch ganz auf seiner Linie. Darüber hinaus nimmt er den Demokraten Angriffspunkte weg und erhöht seine Chancen bei den unabhängigen Wählern. Die «Friedenstaube» Trump hat wahlpolitisch vorteilhafte Aspekte.
Trump hat alte, verkrustete Denkweisen und Verfahren auch in der Aussenpolitik aufgebrochen, was sehr verdienstvoll ist. Aber darüber hinaus ist noch wenig zu sehen. Auch die Interventionsmüdigkeit der amerikanischen Wählerschaft kann schnell umschlagen – 9/11 liegt erst achtzehn Jahre zurück.
Und so bleibt der alte Satz des einstigen deutschen Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) vorerst gültig: «Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.» Ohne Amerika geht das nicht.