Können Sie sich noch an die Unterzeichnung Ihres letzten «Gesellschaftsvertrages» erinnern? Haben Sie gar die Kopie aufbewahrt? Seltsam, ich auch nicht. So wie Ihnen und mir geht es allen. Denn es gab niemals einen Gesellschaftsvertrag, mit dem die Bürger den Staat erfunden hätten, zum Schutz vor dem bösen Nachbarn oder dem Wolf im Menschen. Auch wenn das die politische Philosophie eines Thomas Hobbes, John Locke, Immanuel Kant oder Jean-Jacques Rousseau gerne so hätte. Die Legitimität des Staates beruht auf philosophischer Ebene auf einer blossen Vertragsfiktion.

Noch fiktiver wird diese «Legitimität» nur noch in der Realität. Denn tatsächlich schützt der Staat niemanden vor irgendwem oder irgendwas. Es ist genau umgekehrt. Der Bürger schützt den Staat, er verteidigt das Recht und dessen Existenz, er soll im Kriegsfall sogar mit dem Leben «für Volk und Vaterland» bezahlen. Der Staat kann nichts ohne seine Bürger. Der Staat braucht den Bürger weitaus mehr zur Durchsetzung seiner Interessen als umgekehrt. Dem Bürger hingegen muss dieser Staat zunehmend unheimlich werden. Das Wort «Demokratie» klingt aus dem Mund gewählter Politiker nur noch wie ein Synonym für persönlichen Machterhalt. In Deutschland sind Menschen, die für Freiheit und Frieden demonstrieren, eine «Gefahr für die Demokratie». Wer lautstark Kritik übt, den bespitzelt die Regierung wegen «Delegitimierung des Staates». Dabei delegitimiert der Staat sich permanent selbst: Je mehr Stöcke er sich zwischen die Beine wirft, desto mehr Schlagstöcke muss er auffahren, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die ihm die eigenen Verfehlungen vorhalten.

Laientheater vor Pandemiekulisse

In Grossbritannien wird gerade etwas genauer hingeschaut, was die Verfehlungen in Sachen Corona angeht. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock macht in geleakten Whatsapp-Nachrichten keine gute Figur: «Wir werden allen richtig Angst machen» («frighten the pants of everyone»), lässt er verlautbaren. Oder: «Wann setzen wir die nächste Variante ein?» («When do we deploy the next variant?»). All das klingt nicht nach Pandemiebekämpfung, sondern nach schlechtem Laientheater vor einer Pandemiekulisse. Es bestätigt sich, was man immer vermuten konnte: Die Pandemie war kein Naturereignis, sie wurde von vorne bis hinten politisch gesteuert. Die Politik sass am Schalthebel und stellte die Pandemie je nach Belieben «scharf». Dann verliess niemand mehr sein Zuhause ohne Sondererlaubnis.

Wer im deutschen Mainstream nach Aufklärung sucht, fühlt sich derweil wie bei der Kindersendung «Sandmännchen» im DDR-Fernsehen. Im Podcast «Lanz & Precht» verteilte man zuletzt Noten. Richard David Precht findet, dass die Institutionen in Deutschland eine glatte Eins verdient haben, die Bestnote. Welche Institutionen meint er? Den Bundestag, der sich während Corona selbst ausgehebelt hat? Den Bundesrat, der den Föderalismus repräsentiert und einem informellen Kanzler-Zoom-Meeting gewichen ist? Die Regierung, die Panikpapiere ausarbeiten liess, wie man die Bürger noch stärker verschreckt? Meint er vielleicht Kanzler und Bundespräsident, die selbst auf einen Terrorakt hin, wie die Sabotage der Nord-Stream-Pipeline, keinen Mucks herausbekommen? Meint er die Rechtsprechung, die nie eine grössere Begründungstiefe erreichte als die staatlichen Stellen, welche die Corona-Massnahmen verhängten? Meint er die Medien, die sich selbst zu reinen Propagandawerkzeugen der Mächtigen degradierten? Oder meint er die Schlagstock schwingenden Polizisten auf den Corona-Demos, die den Bürgern die richtige Vorstellung von «Demokratie» in die Hirne hämmerten?

Was durch die Wahrheit zu Fall gebracht werden kann, verdient es, zu Fall gebracht zu werden.

Pharmalobbyist Lauterbach

Lanz und Precht sind das «Deutsche Michel-TV», die mediale Beruhigungspille für Schlafschafe mit Zeit-Abo, die Sneakers zum Hemd tragen. Zwei Pseudoaufklärer, die sich in autosuggestivem Singsang die Situation schönreden, um nicht über die Beseitigung von Missständen nachdenken zu müssen. Die abstruseste, tragikomischste Figur der Pandemie, Karl Lauterbach, bekommt bei ihnen einen Platz als Säulenheiliger. Niemand hat in der Pandemie mehr Schaden angerichtet als er: Impfdruck, Fehlinformation zu Nebenwirkungen, irre Panikmache, Millionen an Impfdosen auf der Halde, während der Fiebersaft knapp wird, Fehlinformationen hü, dann halbe Entschuldigungen hott: ein Gesundheitsminister als Kriegsminister. Lauterbach hat Menschen krankgemacht, wenn nicht umgebracht. Lanz und Precht halten ihn (man halte sich fest) für «redlich», «integer» und «unbestechlich». Lanz hatte in den letzten drei Jahren nie einen Querdenker zu Gast, dafür Pharmalobbyist Lauterbach im Dauer-Abo. Der Ehrenplatz im Propagandamuseum ist beiden sicher.

Die Macht des Staates wirkt heute nahezu grenzenlos, dabei ist sie tatsächlich sehr limitiert. Sicher: Der Staat kann die Realität umdeuten, bis es für ihn passt. Er sagt immer wieder «Ich schütze dich», tatsächlich aber meint er: Opfere dich meinen Interessen, Vasall, so unergründlich sie dir auch sein mögen. Erdulde Geldentwertung, Lieferengpässe und Not. Stell dich als Versuchskaninchen für Big Pharma zur Verfügung. Zieh in meine Kriege. Bezahle mit allem, was du hast: Gesundheit, Vermögen, Ehre und Leben, aber wage nicht zu widersprechen, sonst wirst du mit aller Macht zur Unperson gestempelt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Das sphinxartige Grinsen von Kanzler Olaf Scholz sei dir Antwort genug auf all deine Fragen. Doch der Staat vermag nichts mehr zu tun, als sich aufzulösen, wenn der Bürger sich ihm entgegenstellt und einfach nein sagt.

«Hinter der Trommel her / Trotten die Kälber / Das Fell für die Trommel / Liefern sie selber», dichtete Bertolt Brecht im «Kälbermarsch». Dass ein Gesellschaftsvertrag als Missbrauchsverhältnis eine Farce ist, versteht sich von selbst. Der Bürger ist im aktuellen Staatsverständnis nur noch ein Nutztier, welches man für beliebige Zwecke opfern kann. Doch Verträge sind freiwillig, und sie sind kündbar. Man muss es nur wollen. Wer die Vertragsgrundlage pervertiert, kann sich nicht auf Vertragstreue berufen. Deshalb gehört das Recht zum Widerstand gegen den Staat selbstverständlich zum Gesellschaftsvertrag dazu. John Locke nennt dieses Recht ausdrücklich.

Stahlbad der Aushärtung

Es ist dann der Widerstand, der eine neue Vertragsgrundlage schafft. Im Widerstand hat ein Gemeinwesen die Gelegenheit, sich zu prüfen und neu herauszuschälen. Wer bereit ist, die Strapazen des Widerstands auf sich zu nehmen, von Mobbing und Ausgrenzung bis hin zur Verfolgung, geht durch das notwendige Stahlbad der Aushärtung. Die neue Ordnung kann nur so stark sein wie die stärksten Elemente des Widerstands. Es ist genau dieser Moment, in welchem sich gleichartige Elemente im Gemeinwesen anziehen: Die Robusten ziehen Robuste an. Die Weichen ziehen die Weichen an. Letztere sind die Nahrung für den Hegemon, Erstere sind Teil einer neuen Ordnung.

Widerstand, der auf Wahrheit fusst, kann nie illegitim sein. Denn das, was durch die Wahrheit zu Fall gebracht werden kann, verdient es, zu Fall gebracht zu werden. Lügengebäude brauchen viele Unterstützer, siehe Lanz und Precht. Die Wahrheit steht zur Not auch allein.

Milosz Matuschek ist Jurist und Herausgeber von www.freischwebende-intelligenz.org. Zuletzt veröffentlichte er den Spiegel-Bestseller «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty, 2022).