Mit dem European Green Deal will die Europäische Union ihr Wirtschaftssystem in eine nachhaltige, klimaneutrale Wirtschaft transformieren: Bis 2050 sollen die Netto-Treibhausgasemissionen der Union auf null reduziert werden. Dazu sollen erneuerbare Energien gefördert, die Industrie auf nachhaltige Produktionsprozesse umgestellt und die Landwirtschaft durch einen reduzierten Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln umweltfreundlicher werden. Der Verkehr soll emissionsärmer werden; bis 2035 sollen keine Diesel- und Benzinfahrzeuge mehr verkehren. Gebäude sollen energieeffizienter werden. Schliesslich soll mehr in die grüne Forschung investiert werden. Die EU-Kommission behauptet, dass auf diesem Weg Arbeitsplätze geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU gestärkt und die Lebensqualität verbessert werden.

 

Schlüsselinstrument

Dieser 25-Jahres-Plan ist alles andere als ein marktorientiertes, sich selbst organisierendes Vorgehen. Die EU wird gezwungen sein, mit Vorschriften und Finanzmitteln massiv in die Märkte, insbesondere in den Kapitalmarkt, einzugreifen. Die Überwindung der Kräfte des freien Marktes wird eine riesige Herausforderung sein. Der Kapitalmarkt sorgt immerhin dafür, dass sich erfolgreiche Firmen über das System der Aktien- und Obligationenpreise billiger refinanzieren können als nicht erfolgreiche; und dass Anleger ihr Anlagekapital auf einem freien Markt so auf verschiedene Finanzinstrumente verteilen können, dass sie genau jene Zins-, Fristen-, Kredit-, Markt- und Währungsrisiken halten, die optimal zu ihren Verpflichtungen und Zielen passen. Es ist für einen Ökonomen schlicht nicht vorstellbar, wie nicht erfolgreiche Firmen ohne direkte Staatseingriffe günstiger zu Kapital kommen sollen als Firmen, die in den Augen der Kunden gute Produkte herstellen. So etwas scheint die EU im Sinn zu haben, sonst müsste sie ja nicht so massiv in den Markt eingreifen.

Ich gehe davon aus, dass die Finanzspezialisten der EU auch daran gedacht haben, dass die Anleger auf einem derart veränderten Markt Risiken halten müssen, die nicht zu ihren Verpflichtungen und Zielen passen. Es ist auch hier höchstens vorübergehend vorstellbar, dass Anleger systematisch in die Irre geleitet werden und ihr Kapital dort anlegen, wo andere Risiken wirken, als es den Anschein macht. Ich bin gespannt, wie die EU das sich laufend verändernde Marktgleichgewicht aus Millionen von Marktpreisen überwinden wird. Es ist schwierig, hier nicht sarkastisch zu werden oder sich an die Zeit vor 1989 zu erinnern.

Die EU-Kommission glaubt oder gibt mindestens vor, dass sie glaubt, ihre Ziele gegen die Wirkungsweise der Kapitalmärkte durchsetzen zu können. Sie will dies mit einem Aktionsplan, sehr grossen finanziellen Mitteln und vielen Vorschriften erreichen. Dazu definiert sie unter anderem Zwischenziele, investiert in «klimafreundliche» Technologien, Forschung und Infrastruktur, weitet das Emissionshandelssystem für CO2 auf den Verkehr und die Gebäude aus, finanziert Förderprogramme für erneuerbare Energien und führt eine CO2-Grenzabgabe auf Importe ein, um der heimischen Industrie den Anreiz zur Sitzverlegung zu nehmen.

Dass es keine Evidenz gibt, stört jene, die an den «Klimawandel» glauben, schon lange nicht mehr.

Unter der Bezeichnung «ESG» (Environmental, Social, Governance) plant die EU-Kommission, Unternehmen, Haushalte und insbesondere Banken zu involvieren, um die Nachhaltigkeitsziele des Green Deal zu erreichen. Vereinfacht geht es darum, sich durch technische Massnahmen, Verhaltensänderungen und umgeleitete Kapitalströme hin zu einer ökologisch nachhaltigen und CO2-armen Produktion zu bewegen. Die EU hat zu diesem Zweck eine «Taxonomie» entwickelt, an die sich Unternehmen anpassen können, um so eher zu ESG-orientierten Anlagemitteln zu gelangen. Zu diesem Zweck werden Anleger über die Vorteile von ESG-Anlagen aufgeklärt, während Firmen Berichte verfassen müssen, mit denen Anleger über deren nachhaltiges Verhalten informiert werden.

 

Hochtrabende Pläne

Gegen die Wirkungsweise von ESG und gegen den Erfolg des Green Deal werden viele Kräfte wirksam werden: die Technik, die Kosten, die Kräfte des Kapitalmarktes, die «Klimadiskussion», politische Veränderungen und nicht zuletzt die Bürokratie. Aus Sicht eines Ökonomen ist das zu erwartende Resultat klar: Der Green Deal und die EU-Taxonomie werden ebenso krachend scheitern wie andere hochtrabende Pläne ideologisierter Politiker und Bürokraten. Und das Leben von Millionen von Menschen wird während Jahrzehnten deutlich schlechter sein, als es sonst wäre.

«Klimadiskussion»: Anfänglich konnte man den Green Deal als Antwort auf echte Probleme wie die Belastung der Flüsse Asiens und der Weltmeere mit Plastik oder die Belastung von Böden, Wasser und Luft mit Schwermetallen und anderen giftigen Stoffen verstehen. Aber schon rasch wurde klar, dass hinter diesem Plan vor allem eine ausgeprägte Markt- und Technologieskepsis und ein unbegrenzter Machbarkeitsglaube des staatsorientierten Teils des politischen Spektrums stehen. Diese Leute haben mit Hilfe der Mainstream-Medien die «Klimadiskussion» vereinnahmt, um ihre sozialistischen Ideen unters Volk zu bringen.

In jüngster Zeit zeigt sich indes immer mehr, dass die Einheitsmeinung von «97 Prozent aller Wissenschaftler», die an den «Klimawandel» glauben, ins Wanken geraten ist. Dies gilt umso mehr, als es keine (!) Evidenz für den Einfluss von CO2, geschweige denn für dessen menschengemachten Anteil, auf die Erdtemperatur über 500, 5000, 50 000 und 500 000 Jahre [1] gibt. Die Eisbohrkern-Forschung widerlegt diesen Einfluss zudem klar. Der ausgebliebene Rückgang des weltweiten CO2-Niveaus während der Pandemiemassnahmen in den Jahren 2020 und 2021 ist ebenfalls mit einem überwiegend menschlichen Einfluss auf das CO2 nicht vereinbar.

Geschürt von Politikern und Mainstream-Medien, die neue Einnahmenquellen und Einflussmöglichkeiten wittern, hat sich – losgelöst von der wissenschaftlichen Realität mit backtesting über lange Zeitperioden – ein Narrativ entwickelt, wonach CO2, das Lebenselixier von Pflanzen, das wir laufend ausatmen, für den «Klimawandel» verantwortlich sei. Und dieser «Klimawandel» sei überall «sichtbar»: beim (vermeintlichen) Rückgang der Eisbärenpopulation, bei der Trockenheit, bei übermässigen Niederschlägen, bei Hitze und Kälte, bei Waldbränden, bei Hurrikanen. Kritische Stimmen, die auf vergleichbare frühere Ereignisse oder etwa auf Bausünden entlang von Flussbetten hinweisen, werden nicht gehört. Dass es keine Evidenz gibt, stört jene, die an den «Klimawandel» glauben, schon lange nicht mehr.

Technik und Kosten: Die jüngsten Entwicklungen vor allem in Deutschland, das diesen Trend massgeblich antreibt, zeigt, dass der Green Deal mit massiven Kosten verbunden ist: bei der Energie, bei der Umstellung der Autoindustrie und in anderen Industriebereichen. Es braucht keine hellseherischen Kräfte, um entweder einen völligen Absturz der deutschen Industrie oder einen Abbruch der ganzen Green-Deal-Übung – oder wenn man noch länger wartet von beidem – zu prognostizieren.

Das Wirken der Bürokratie: Welche Blüten die EU-Bürokratie treibt, zeigt ein Blick in die Verordnungen, die in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem European Green Deal entstanden sind: die Flaschenkopfrichtlinie, nach der Deckel an PET-Flaschen befestigt sein müssen, das Binnenmarkt-Notfallinstrument, das es erlaubt, bei Lieferschwierigkeiten und Notlagen Zuteilungen und Kontingentierungen zu verhängen und Informationen zu zensieren, die Reparaturrichtlinie, mit der Firmen gezwungen werden, Geräte zurückzunehmen, oder die Nachhaltigkeitsberichterstattung, mit der Firmen einer gewissen Grösse gezwungen werden, jährlich in über tausend Punkten über Arbeitnehmer, Menschenrechte und Nachhaltigkeit zu berichten.

Die EU geht davon aus, dass sich auf diese Weise die Entscheidungsfindungsprozesse von Unternehmen effizienter gestalten lassen und dass die Risiken in ihren Lieferketten minimiert werden. Es wird sich zeigen, wie vorteilhaft sich das Klagerecht von NGOs dabei auswirken wird.

Politische Veränderungen: Bei den Europawahlen im Juni 2024 haben die bürgerlichen Kräfte den Anhängern des Green Deal deutliche Verluste zugefügt. Heute kann man davon ausgehen, dass das Verbrennerverbot gekippt wird und dass auch die Begrenzung der CO2-Emissionen mindestens abgeschwächt werden wird. Aber die Politik hat auch hier versagt: Der weiträumige Schaden allein in der europäischen Automobilindustrie ist angerichtet. Es ist offen, ob und wie sich die Industrie wieder erholt. Dabei geht es nicht so sehr um Kapital als um Know-how über Produktionsprozesse und Lieferantenbeziehungen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in über tausend Punkten wird wenig nützen, wenn die führenden Köpfe wegen solcher Dummheiten in die USA oder nach Asien ausgewandert sind.

 

[1] vgl. beispielsweise die Entwicklung der Schweizer Gletscher in den letzten 115 000 Jahren: https://www.facebook.com/eth/videos/ice-age-lasting- 115000-years-in-two-minutes/1309292339207865/

Martin Janssen ist Unternehmer (Ecofin-Gruppe) und emeritierter Professor für Banking und Finance an der Universität Zürich.