Sprachnachrichten: auf Whatsapp.

Dass die Nachrichtenflut mit der technologischen Entwicklung zunimmt und sich die Menge übertragener Daten jährlich verdoppelt, ist mittlerweile eine Binsenwahrheit. Vom Textmedium wandelte sich das Internet zum Bildmedium und avancierte dann quasi zum multisensorischen Erlebnis. Auditive Formate wie Podcasts haben Hochkonjunktur, und kurzfristig omnipräsente Phänomene wie Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR), ausgeklügelte Geräuschaufnahmen von Papierrascheln oder dem Überstreifen von Latexhandschuhen, lösten bei Legionen von Fans anregendes Wohlgefühl bis wohliges Schaudern aus. Zeitweise brachte es der Hype der ASMR in die Top drei der meistnachgefragten Inhalte auf Youtube.

Sprachnachrichten entziehen sich dem Dialog: Ansage aufgenommen, gesendet, fertig.

Im Alltagsgebrauch der zwischenmenschlichen Kommunikation geniessen per Whatsapp verschickte Sprachnachrichten eine grosse Popularität und werden immer mehr zum Regelfall. Sieben Milliarden dieser Soundbytes sollen täglich verschickt werden. Ein Drittel der sogenannten Gen Z, der Kohorte der nach dem Jahr 2000 Geborenen, nutzt sie regelmässig.

Was ist davon zu halten, und wie ist der Trend zu bewerten? Die Unmittelbarkeit verspricht einen Dialog, dessen Gefühlsebene schriftlich nur schwer zu fassen und mit Emojis nur ungenügend zu dokumentieren ist. Das Walkie-Talkie-artige zeitversetzte Absetzen von konservierten Funksprüchen suggeriert dem Empfänger Unverbindlichkeit, weil die Nachricht nicht in Echtzeit absorbiert und quittiert werden muss. Auch im Geschäftsleben etablieren sich die Instant-Audio-Feedbacks als Führungsinstrument.

Aus Sicht des Empfängers, und nur dieser ist gemäss dem Einmaleins der Kommunikation massgebend, erweist sich die Sprachnachricht damit als eigentlicher Akt der Antikommunikation. Der schriftliche Verkehr zwingt dazu, die Gedanken einigermassen diszipliniert zu ordnen. Die Arbeit an der Sprache ist bekanntlich die Arbeit am Gedanken, wie eine honorige Tageszeitung einst ihren Anspruch verlauten liess.

Die Sprachnachrichten hingegen beschleunigen nicht die Qualität der zwischenmenschlichen Kommunikation, sie beflügeln sogar die Kakofonie, weil ihre simulierte Unmittelbarkeit sich in Wahrheit dem Dialog entzieht: Ansage aufgenommen, gesendet, fertig. Was bleibt, ist ein Irgendwas. Zwar gibt es durchaus Menschen, die erst denken und dann sprechen. Aber es gibt noch mehr Menschen, die beim Sprechen denken, weil das Sprechen ihr assoziatives Denken begünstigt. Wie der Empfänger das Gesagte absorbieren und im Sinne einer Rückkoppelung Feedback geben kann, ist dann sein Problem.

Und der Empfang der Nachricht ist von weiteren Hürden besetzt. Vorausgesetzt, der Empfänger respektiert die Regeln des zivilisierten Zusammenlebens und verschont gutbürgerlich seine Umwelt vom eigenen Ballast, ist er auf eine Umgebung angewiesen, in der er die Nachricht abhören kann, ohne Dritte zu behelligen. Im Tram oder im Büro sollte er zumindest mit Kopfhörern ausgerüstet sein.