Frauenforschung und Frauenbiografik sind keine Erfindung des Quotenzeitalters. 1932 begründete Agnes von Segesser, Enkelin des konservativen Vordenkers Philipp von Segesser, in Luzern den Club Hrotsvit – eine Hochburg literarisch orientierten fraulichen Bildungsbürgertums. Zu den grossen Autorinnen vor hundert Jahren und früher zählten die zweisprachig schreibende Nidwaldnerin Isabella Kaiser und die Luzernerin Cécile Lauber, Weggefährtin von Carl Spitteler und in ihren besten Texten dem Meister ebenbürtig.

Schaffte Eveline Hasler mit «Anna Göldin – Letzte Hexe» (1982) einen unübertroffenen Erfolg moderner belletristischer Schweizer Frauenbiografik, lag bei der zwei Jahre jüngeren Luzernerin Irma Hildebrandt (geb. Bucher, verwitwete Laux) der Schwerpunkt auf recherchierter essayistischer Dichte. In einem Dutzend Büchern gestaltete sie eine dreistellige Zahl markanter Frauenleben. Das Spektrum reicht von der Zürcher Barockmalerin Anna Waser über die zu hohem künstlerischem Ruhm gelangte Sophie Taeuber-Arp, die Schauspielerin Therese Giehse sowie die Kabarettistin Elsie Attenhofer bis hin zu Einsteins Ex-Frau Mileva, der begnadeten Mathematikerin. Porträts von Lebenden fehlen nicht: Vreni Spoerry, Lilo Pulver, Micheline Calmy-Rey, Carla Del Ponte, Angela Merkel. Als brillante Stilprobe von historischer Tiefe ist Hildebrandts meisterhafte Biografie der katholischen Ordensgründerin Mary Ward zu würdigen, publiziert im Band «Frauen, die Geschichte schrieben» (2002).

Als Redaktorin der in Fürth erscheinenden Zeitschrift Frau und Kultur verfasste Irma Hildebrandt während Jahrzehnten historische Porträts deutscher Frauen. Glanzvoll über Rahel Varnhagen mit ihrem berühmten Salon in Berlin, zu welchem der Luzerner Philosoph Ignaz Paul Vital Troxler in Kontakt stand.

Im Geiste Varnhagens gründete die gebürtige Luzerner Hinterländerin zusammen mit ihrem zweiten Mann, dem Bielefelder Soziologen Walter Hildebrandt, die jeweils Ende August in Ruswil veranstalteten «Sigiger Gespräche». Mitgeprägt von Hilde Domin, ihrer bedeutendsten Weggefährtin, steuerte Irma Hildebrandt gelegentlich eines ihrer tiefsinnig-aphoristischen Gedichte bei. Die Gespräche galten nebst Belletristik und Wissenschaft vielfach dem Zeitgeschehen, so dem Jugoslawienkrieg, wozu der Osteuropa-Kenner Professor Hildebrandt, der sich auch in der Ukraine wie wenige auskannte, Hintergründiges zu sagen hatte. Irma Hildebrandt, eine wache Zeitgenossin, hinterlässt als eine der gebildetsten Schweizerinnen unserer Tage ein anregendes Lebenswerk. Eine alles andere als wehleidige, im konstruktiven Sinne bildungsorientierte «starke» Frauenforschung. Der Abschied von der zweifachen Witwe und Mutter von vier Kindern erfolgt am 9. April in Luzerns Würzenbachkirche.

 

Lebensretter: Siegfried Steiger.

Der Bauingenieur Siegfried Steiger bewirkte in der Bundesrepublik Deutschland mehr als die meisten Berufspolitiker. Er baute mit seiner Frau Ute das rudimentäre Rettungswesen der Nachkriegszeit zu einer professionellen Organisation aus. Rund um die Uhr besetzte Leitstellen mit einheitlichen Telefonnummern oder die Luftrettung mit Helikoptern gehen massgeblich auf seine Initiative zurück. Andere Projekte wie öffentliche Defibrillatoren sind weiterhin am Wachsen. Die von Steiger initiierten Notrufsäulen hingegen verloren im Lauf der Jahre an Bedeutung, nachdem die Mobiltelefonie Einzug gehalten hatte.

Daneben realisierte der Unternehmer mit seinem Architekturbüro in Winnenden über 10 000 Wohnungen und Häuser sowie Einkaufszentren und Fabrikgebäude. Siegfried Steiger stammte aus dem ostdeutschen Sachsen, wo er Maurer lernte. Im Jahr 1952 flüchtete er aus der DDR in den Westen.

Am Anfang seines Einsatzes für das Rettungswesen stand der Unfalltod seines achtjährigen Sohnes Björn. Dieser wurde im Frühjahr 1969 nach einem Schwimmbadbesuch auf dem Heimweg angefahren. Die Ambulanz traf erst nach einer Stunde am Unfallort ein, der kleine Björn verstarb auf dem Weg ins Spital an einem Schock. Mit einem effizienten Rettungsdienst hätte er sehr wahrscheinlich gerettet werden können. Dieser Schicksalsschlag war für das Ehepaar Steiger Anlass, die Björn-Steiger-Stiftung zu gründen, die sich im Andenken an den verunglückten Sohn für die Verbesserungen im Notfallwesen einsetzen sollte.

Siegfried Steiger ist am 17. März zwei Wochen nach seiner Frau Ute verstorben.