Wissenschaft, Politik und Wirtschaft stehen im Bann der Klimaziele, die eine radikale Reduktion des Treibhausgasausstosses verlangen. Investieren wird «grün» reguliert, Firmen versprechen eine «Dekarbonisierung» ihrer Tätigkeiten, und am vergangenen Sonntag hat das Schweizer Volk gar ja gesagt zur Verpflichtung, die CO2-Emissionen des Landes bis 2050 auf «netto null» zu drücken. Wie und zu welchen Kosten das erreicht werden soll, ist unklar – klar ist nur, dass viele Wege erprobt werden müssen, wenn fossile Energie verbannt werden soll.

Jetzt blicken viele hoffnungsvoll auf den Energieträger Wasserstoff, dessen Verbrennung ja sauber erfolgt. Der Kniff: Statt Öl und Gas füllt man künftig Formen von Wasserstoff in Tanks und Leitungssysteme, dann kann man fast wie vorher kutschieren. Oder Strom erzeugen. Grüne Wasserstoffwirtschaft gilt schon fast als Zauberformel für die Energiewende. Welche Magie vom Element ausgehen kann, vermittelt der Text der Berner Astrophysikerin Kathrin Altwegg: Der Brennstoff, der aus dem Urknall stammt, markiert Anfang und Ende des Universums.

Die Frage nach dem Potenzial des Energieträgers wird in diesem Heft aus verschiedenen Perspektiven behandelt. Die Spitze des Energiekonzerns Axpo setzt auf Wasserstoff als wichtigen Pfeiler der Energiewende. Chefökonom Martin Koller erläutert hier die Strategie der Gruppe sowie das Projekt der landesweit ersten grösseren Produktionsanlage für grünen Wasserstoff beim Kraftwerk Reichenau.

Dieser fällt nicht einfach so in grossem Stil an. Man muss ihn zuerst mit Energieaufwand etwa aus Wasser herauslösen, verflüssigen oder chemisch festsetzen, damit er anwendbar ist. Das kostet Geld und Energie. Aus Sicht des Energieexperten Ulf Bossel zu viel – in seinem Essay sieht er für Wasserstoff im künftigen Energiekonzert nur eine Nebenrolle als realistisch an.

Und doch – die heutige Lage ruft danach, viele Wege zu erproben. Aus dieser Sicht heraus haben die Präsidenten der beiden ETH, Joël Mesot und Martin Vetterli, soeben eine «Koalition für grüne Energie und Speicherung» lanciert, mit vierzig Professuren und gegen dreissig Firmen. Mesot erklärt im Gespräch, wie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aussieht: In Projekten, die deutlich über die Laborgrösse hinausgehen, will man Erfahrungen sammeln und zur Marktreife bringen. Später könnten sie in grösseren Dimensionen wachsen. Trotz der Nachteile kann Wasserstoff laut Mesot eine wesentliche Rolle spielen beim Umlagern erneuerbarer Energie vom Sommer auf den Winter.