Berlin

Blondes Seidenhaar, tiefblaue Augen, gazellenhaftes Auftreten: Vivien Wulf ist schön. Ihre formvollendete Nase erinnert an Kleopatra, die Schönheitskönigin der Antike. Darauf angesprochen, sagt sie: «Oh, danke!» Und lächelt verlegen.

Mit ihrer strahlenden Erscheinung begeistert die Düsseldorferin seit ihrem 13. Lebensjahr die deutschen Kinobesucher. Nach ihrem Debüt im Film «Eisfieber» folgten Rollen in «Alarm für Cobra 11», «Das Traumschiff» und in Rosamunde-Pilcher-Streifen.

Auch als Autorin ist Wulf erfolgreich. Ihr Bestseller «Pretty Happy» geht der Frage nach, ob Schönheit glücklich mache. Wir treffen Wulf in einem Berliner Kaffee.

Weltwoche: Frau Wulf, was verstehen Sie unter «Schönheit»?

Vivien Wulf: Schönheit erkennt man am Strahlen, am reinen Herz, am Glück. Wer ein netter Mensch ist und das verkörpert, ist schön.

Weltwoche: Welche Frauen finden Sie schön?

Wulf: Da kommt es auf die Aura an. Bei vielen starken, selbstbewussten Frauen denke ich mir: «Wow, die ist unglaublich schön!»

Weltwoche: Die schönste Frau der Welt?

Wulf: Mich begeistern mehrere: Michelle Obama zum Beispiel. Ich bewundere ihre Energie. Sie wirkt glücklich, als Mutter, mit toller Karriere, einem lieben Mann. Ich glaube, es ist dieses vollkommene Frausein, das mich anzieht an ihr.

Weltwoche: Was schätzen Sie am weiblichen Körper?

Wulf: Ich mag Rundungen, lange Haare, Weiblichkeit. Mir macht es Spass, weiblich zu sein, auch wenn man sich dafür fast entschuldigen muss. Heute gilt das schnell als zu weiblich.

Weltwoche: Beschreiben Sie das heutige Schönheitsideal.

Wulf: Vieles dreht sich um Vielfalt. Was okay ist, nur leider geben die sozialen Medien Trends vor, die nicht nur gut sind: Die Teenies wollen aufgespritzte Lippen, Botox, gemachte Brüste. Ich hoffe, da setzt bald eine Gegentendenz ein, weg von diesem Unechten.

Weltwoche: Was finden Sie sonst unschön?

Wulf: Wieder die Ausstrahlung: Negativität, Pessimismus. Das sieht man Menschen sofort an.

Weltwoche: Und körperlich? Was missfällt?

Wulf: Nichts Spezifisches.

Weltwoche: Viele Frauen hadern mit den Knien.

Wulf: Oh, ja! Die nerven mich auch. (Lacht)

Weltwoche: Aber warum?

Wulf: Weiss ich nicht. Ich denke mir immer, ich müsste mehr Sport machen, die Oberschenkel straffen, damit es bei den Knien nicht so hängt. Aber Pasta und Pizza schmecken halt zu gut.

Weltwoche: 65 Prozent der deutschen Frauen wären bereit, für einen Schönheitsmangel zehn IQ-Punkte abzugeben. Wie viel wären Ihnen die Knie wert?

Wulf: Kein einziger, auf gar keinen Fall!

«Manchmal habe ich das Gefühl, dass es für manche Rollen, trotz Vielfalt, keinen Platz mehr gibt.»

Weltwoche: Können Sie verstehen, dass Frauen Schönheit über Intelligenz setzen?

Wulf: Nein, null. Ich bin schockiert, wenn ich so was höre. Das spiegelt aber unsere Gesellschaft: Frauen werden darauf getrimmt, schön sein zu müssen.

Weltwoche: Gut, Männer sind auch nicht gerne hässlich.

Wulf: Aber Frauen werden so erzogen. Sind sie schön, ist alles andere egal. Dann finde man einen Mann, könne eine Familie gründen, und alles ist im Lot.

Weltwoche: Ist das ein Mythos? Oder stimmt das denn wirklich?

Wulf: Na ja, schon, aber wenn Frauen halt nur schön sind, bleibt eben auch die Rentenlücke bestehen. Klar kommt das auch davon, weil Frauen Kinder kriegen, sich dann länger aus dem Berufsleben raushalten oder sich ganz um die Kinder kümmern. Aber es hat auch mit dem Wertesystem zu tun, weil sie so grossgezogen werden.

Weltwoche: Wie denken Sie über Feminismus?

Wulf: Finde ich wahnsinnig wichtig. Und toll, dass so viel darüber diskutiert wird. Teilweise ist es leider so, dass viele Frauen von Feminismus reden, ihn aber nicht leben.

Weltwoche: Was stört Sie konkret?

Wulf: Wir müssen aufpassen, dass wir bei der Gleichberechtigung bleiben und nicht in einen verbitterten Lifestyle-Feminismus abdriften. Es darf nicht sein, dass das Wort «Feminismus» keiner mehr hören kann, mittlerweile rollen viele die Augen. Ich bin aus tiefstem Herzen Feministin, und ich will, dass wir Frauen uns fördern, aber halt nicht auf Kosten der Männer. Eine Frau sollte tun und lassen dürfen, was immer sie will – genau wie ein Mann auch. Und wenn eine Frau sagt, sie wolle für die Kinder zu Hause bleiben und Teilzeit arbeiten, ist das per se nichts Schlechtes. Das Problem ist, sie sagen es viel eher, ganz selbstverständlich.

Weltwoche: Wissen Sie, woran das liegt?

Wulf: Viele Frauen trauen sich viel zu wenig zu. So auch in meinem Umfeld: Gestern telefonierte ich mit einer Freundin, sie sagte: «Vivi, ich möchte unbedingt da und da hin.» Und deswegen müsse sie ein Praktikum machen. Ich sagte: «Ein Praktikum? Sanna-Maria, du hast einen tollen Lebenslauf, du musst nicht ganz unten anfangen! Warum probierst du es nicht einfach? Go for it!»

Weltwoche: Was wollten Sie früher werden?

Wulf: Tornado-Jägerin. Immer wenn wir bei meiner Tante in Florida waren, hoffte ich, dass ein Sturm kommt. Ich war besessen von dieser Naturgewalt.

Weltwoche: Trotzdem wurden Sie Schauspielerin. Wie kam das?

Wulf: Im Kindergarten spielte ich meine erste Rolle, den Kartoffelkönig. Dann, weil ich immer Theater spielen wollte, meinte eine Freundin meiner Mutter, ich solle doch bei einer Schauspielagentur vorsprechen. 2009 spielte ich dann im Zweiteiler von Ken Follett neben Heiner Lauterbach, ein Riesenglück. Ich war mit dreizehn noch so jung.

Weltwoche: Glauben Sie, als Frau könnten Sie den Kartoffelkönig heute noch spielen?

Wulf: Vermutlich nicht. Die Zeiten haben sich geändert. Vom Aussehen her passe ich in dieses klassisch deutsche Bild: blond, blauäugig. Das heisst, ich merke schon ab und zu, dass es für mich immer schwieriger wird, an gewisse Rollen zu kommen. Weil immer stärker darauf geachtet wird, dass ja niemand aussen vor gelassen wird. Alle müssen inkludiert werden, möglichst divers. Klar ist das wichtig, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass es für manche Rollen, trotz Vielfalt, keinen Platz mehr gibt.

Weltwoche: Was machen Sie dagegen?

Wulf: Schwieriger Punkt. Ich bin in einer Findungsphase, ich frage mich, wohin meine Reise geht. Ich habe meine Rollen geliebt, diese Highschool-Diva, das hat alles Spass gemacht. Aber aus diesem Alter bin ich raus, ich möchte beweisen, dass ich mehr kann. Auch ernste Rollen. Ich hoffe, man lässt mich das auch.

Weltwoche: Haben Sie sich je überlegt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie hässlich wären?

Wulf: Mit «hässlich» kann ich nicht wirklich was anfangen. Aber die Frage ist wohl, ob ich die gleichen Rollen gespielt hätte, wenn ich nicht blond und blauäugig gewesen wäre. Vermutlich nicht. Vielleicht hätte ich diesen Druck nicht gehabt, sondern mehr Leichtigkeit.

Weltwoche: Es klingt, als wäre Schönheit ein Nachteil in der Schauspielerei.

Wulf: In Deutschland gelten gewisse Klischees. Man wird schnell in eine Schublade gesteckt, spielt dann in einem Rosamunde Pilcher oder «Tatort». Da wieder rauszukommen, ist schwer.

«Wir brauchen das Negative, um das Gute zu schätzen. Ohne Regen keinen Regenbogen.»

Weltwoche: Die Tendenz geht ja in die Richtung, dass nur noch Minderheiten Minderheiten spielen dürfen. Wie sehr schränkt Sie diese Identitätspolitik ein?

Wulf: Das ist das Absurde: Mein Beruf ist es ja genau, in Rollen zu schlüpfen – egal, was für einen Hintergrund ich habe. Einmal spielte ich eine Frau im Rollstuhl. Ob das noch ginge, weiss ich nicht.

Weltwoche: Gibt es eine Rolle, von der Sie träumen?

Wulf: Ich möchte weg vom klassischen Bild, in dem ich stecke. Weg von dieser Prinzessin, hin zu etwas Dreckigem, Echtem. Mich reizt das Dunkle, ein dunkler Charakter.

Weltwoche: Sie wären ein prima Bond-Girl! Wäre das erstrebenswert?

Wulf: Hach, das wäre ein Träumchen! Vor allem, weil heute Inhalt und tolle Geschichten dahinterstecken. Früher waren Bond-Girls ja nur schön, sonst nichts.

Weltwoche: Mit was für Gefühlen denken Sie an James Bond, der ja auch dem Zeitgeist erlegen ist?

Wulf: Ich bin seit meiner Kindheit ein grosser Bond-Fan. Deswegen habe ich da wahrscheinlich keinen objektiven Blick drauf. Für mich ist das sowieso ein Stück persönliche Geschichte.

Weltwoche: Wie finden Sie die verweichlichten Männer, diese Softies in den aktuellen Filmen?

Wulf: Bei James Bond fiel es mir nicht so auf, aber sonst finde ich es schon schade. Warum dürfen wir nicht mehr sein, wie wir sind? James Bond ist ein Mann, ja und? Eine Frau wäre doch komisch in dieser Rolle, auch wenn es wohl bald so weit kommen wird. Ich wäre dann schon traurig, auch ich gehe ja in diesen Film und hoffe, dass ich James anschmachten kann. Natürlich muss ein Umbruch stattfinden, Leute müssen vorkommen, die vormals weniger beachtet wurden. Aber müssen wir es gleich übertreiben?

Weltwoche: Wie definieren Sie Männlichkeit?

Wulf: Wenn Männer anpacken können. Ich könnte mit keinem etwas anfangen, der sich vor Spinnen ekelt, so dass ich sie raussetzen müsste. Ich brauche einen Naturburschen, keine Diva, die die ganze Zeit schaut, dass die Nägel gefeilt sind.

Weltwoche: Viele Frauen finden ja männliche Schönheit im Hässlichen.

Wulf: Ja, genau!

Weltwoche: Warum ist das so?

Wulf: Ich zum Beispiel stehe gar nicht auf Waschbrettbäuche, dieses Durchtrainierte. Ich finde es unattraktiv, wenn mir ein Mann sagt, er mache eine Diät. Ich koche leidenschaftlich gern. Ich will Männer, die essen, was auf den Tisch kommt.›››

Weltwoche: Käme Ihnen ein Veganer ins Haus?

Wulf: Vegetarisch: okay. Aber vegan?! Gut, es heisst ja, man müsse sich auf Neues einlassen. Also, warum nicht? Ich könnte ihn ja immer noch zu einem Schnitzel verleiten. (Lacht)

Weltwoche: Viele Frauen stehen auf bad boys. Können Sie mir diese Faszination erklären?

Wulf: Das ist lustig, denn auf der einen Seite wollen wir diesen Mann, der alles für uns macht, der uns verhätschelt und die Welt zu Füssen legt. Sobald er aber zu nett ist, ist das Interesse wie verflogen. Wir brauchen also das Negative, um das Gute zu schätzen – völlig gestört, ich weiss. Aber: Ohne Regen keinen Regenbogen.

Weltwoche: Es gibt ja zwei Arten von bad boys. Den Lebemann: tätowiert, versoffen, verraucht. Und den Workaholic: im Anzug, smart, aber eiskalt – wie Anwalt Harvey Specter aus der Kultserie «Suits». Welche Verkörperung ist spannender?

Wulf: Ich würde auf die Harvey-Specter-Schiene aufspringen. Attraktiv ist, wenn Männer smart und gebildet sind. Und wenn sie mir ein Stück weit die Welt erklären können. Ich mag es, wenn ich zu ihnen hochschauen kann.

Weltwoche: Wer ist gefährlicher? Von welchem bad boy sollte Frau eher die Finger lassen?

Wulf: Von beiden! Ich rate jeder, sich einen guten Typen zu suchen.

«Ich denke mir immer, ich müsste mehr Sport machen. Aber Pasta und Pizza schmecken halt zu gut.»

Weltwoche: In diesem heteronormativen Geschlechterverhältnis dringt der Mann in die Welt der Frau ein, heisst es so schön. Kurz: Der Mann spricht die Frau an. Stört Sie das?

Wulf: Ne, das finde ich sogar wichtig. Ich würde nie einen Mann ansprechen.

Weltwoche: Warum nicht?

Wulf: Eine Frau will doch erobert werden? Ich würde immer wollen, dass er den ersten Schritt macht, alles andere wäre langweilig.

Weltwoche: Was muss ein Mann beachten, wenn er Sie anspricht?

Wulf: Es braucht Feingefühl. Da sind wir bei der Empathie, bei sozialer Intelligenz. Man muss spüren, ob jemand Interesse hat.

Weltwoche: Wie äussern sich die Signale, die Sie senden, wenn Sie angesprochen werden möchten?

Wulf: Vieles läuft über Energien: Sobald man auf einer Flirt-Ebene ist, spüren das beide. Oder? Es läuft dann organisch, smooth, ohne Spielchen.

Weltwoche: Was heisst das konkret? In einer Bar, in einem Klub?

Wulf: Es kommt auf die Umgebung an: In der Sauna braucht mich keiner anzusprechen. Am Arbeitsplatz auch nicht. Aber ansonsten gilt: Einfach machen! Ich bin dann sehr ehrlich. Wenn mir einer sagt, es habe bei ihm gefunkt, sage ich: «Bei mir halt nicht.» Vielleicht bin ich da aber auch zu direkt.

Weltwoche: Welche Anmache geht zu weit? In der Schweiz sorgte unlängst eine Studie für Schlagzeilen, die besagt, dass neun von zehn Frauen im öffentlichen Raum bereits eine Form von Belästigung erfahren haben. Das geht von Nachpfeifen über Grabschen im Klub bis hin zu. . . …

Wulf: . . .Grabschen?! Das soll mal einer probieren – so schnell könnte er gar nicht gucken, wie er eine kleben hat. Wenn mich jemand anpackt, wie es einmal passiert ist, bin ich rigoros. Solche Typen ticken nicht ganz sauber, ich meine, was geht in solchen Männern vor? Ich bin doch kein Objekt, das man anfassen kann. Völlig absurd!

Weltwoche: Was würden Sie einer Frau raten, wenn sie sich vor solchen Belästigungen schützen will?

Wulf: Schwieriges Thema. Die Konfrontation kann ja auch gefährlich sein, gerade bei eitlen Männern. Es beginnt schon auf dem Heimweg: Meine Freundinnen und ich finden es alle nicht schön, abends alleine heimzulaufen. Man hat immer Angst. Wie oft habe ich schon fake calls gemacht? Wenn ich niemanden mehr erreiche, tue ich so, als würde ich telefonieren, damit mich ja keiner anspricht.

Weltwoche: Gehen Sie überhaupt zu Fuss alleine heim?

Wulf: Ne, in der Regel nicht.

Weltwoche: Und mit der U-Bahn?

Wulf: Würde ich nie machen!

Weltwoche: Es gibt Frauen, die sagen, wenn sie mit Yoga-Pants oder einem kurzen Rock aus dem Haus laufen, drehen Typen durch. Zieht man sich für gewisse Orte bewusst nicht zu aufreizend an?

Wulf: Natürlich! Ich denke oft darüber nach, wie ich wo hingehe. Nur schon, wenn ich durch eine Strasse laufe, wo ich mich nicht wohl fühle, mach’ ich mir einen Dutt oder zieh’ mir mein Käppi ins Gesicht, damit niemand sieht, dass ich eine Frau mit langen Haaren bin.

Weltwoche: Was ist eigentlich schlimmer: gaffende Männer oder neidische Frauenblicke?

Wulf: Frauenblicke, ganz klar. Die sind oft böse, sie verunsichern. Wenn man merkt, eine Frauengruppe redet über einen, ist das ganz unangenehm, ich hasse das. Ich würde mir wünschen, dass Frauen mehr zusammenhalten.

Weltwoche: Stimmt es eigentlich, dass anständige Männer eher zögern, Sie anzusprechen, weil Sie schön sind?

Wulf: Ernsthaft angesprochen werde ich fast nie. Eigentlich wirklich nie.

Weltwoche: Wie reagieren Männer auf Ihren Erfolg?

Wulf: Auch schwierig. Viele sagen zwar, sie wollen eine Frau, die ehrgeizig und intelligent ist. Aber wenn sie sie dann haben, ist ihnen das Heimchen am Herd doch lieber.

Weltwoche: Und wie lautet Ihr Rezept für ein erfolgreiches Leben als junge Frau?

Wulf: War es nicht Henry Ford, der sagte: «Wenn du auf den Mond zielst, kannst du immer noch bei den Sternen landen.» Deswegen: Steck dir grosse Ziele, und wenn du sie nicht erreichst, ergeben sich andere Ziele, die vielleicht noch toller sind.

Weltwoche: Ihr Tipp für ein schönes Leben?

Wulf: Das Fundament sind Freundschaften. Die Familie. Und es sind die kleinen Momente, die glücklich machen: ein schöner Weinabend, ein Waldspaziergang – ich gehe fast jeden Tag in den Wald. Dann fällt alles von mir ab, egal, wie schlecht es mir geht. In der Natur ist alles im Einklang. Das ist es, was mir so gefällt.

 

Nena Schink & Vivien Wulf: Pretty happy. Lieber glücklich als perfekt. Edel Books. 240 S., Fr. 24.90