Männer werden von Frauen verändert, und oft zum Besseren.» Diesen Klassiker habe ich neulich zu meinem Amüsement wieder mal gelesen, geschrieben von einer Frau – und gelikt von etwa einer Million Schwestern. Die Frau, die Heilige, das vollkommene Wesen, unfehlbar. Wie schön! Nun, jeder hat das Recht, zu seinen Gunsten voreingenommen zu sein.

Dass der Satz Ausdruck einer gewissen Selbstgefälligkeit ist, kann man freilich nicht leugnen. Wenn Frauen meinen, sie veränderten Männer oft zum Besseren, beruht das ja auf der Annahme, dass sie überlegene Fähigkeiten besitzen und die grundsätzlich besseren Wesen sind. Ob moralische Überhöhung oder übertriebene Selbstwahrnehmung, das dürfen Sie entscheiden, liebe Leser.

Auf jeden Fall ignoriert man dabei nicht nur, dass es immer auf den individuellen Charakter einer Person ankommt und persönliches Wachstum und Veränderung in einer Beziehung von beiden abhängen (auch unabhängig von einer Partnerschaft) und nicht nur von einem Geschlecht auf das andere projiziert werden können. Man deutet damit auch an, dass Männer ohne die Einflussnahme von uns Frauen nicht in der Lage sind, sich selbst zu verbessern oder sich weiterzuentwickeln. Dafür sieht man sich selbst als eine Art Motivations-App für die armen Kerle.

Der Fehler liegt darin, Unterschiede bei den Geschlechtern als Defizite zu interpretieren.

Dass Frauen ihre Männer ein bisschen ändern wollen, ist nichts Dramatisches, solange es nicht aus einer Haltung der moralischen Überlegenheit geschieht. Es gehört irgendwie zum Paarkosmos dazu. Unbestreitbar kann ein Partner dazu beitragen, dass der andere sich zum Besseren verändert. So sind Frauen tendenziell empathischer, was dazu führen kann, dass Männer ihre eigenen Emotionen besser auszudrücken oder feinfühliger mit ihrem Gegenüber umzugehen versuchen. Frauen ist eine sensible Kommunikation wichtig, das kann Männer ermutigen, selbst aufmerksamer mit Sprache umzugehen. Sie sind oft geschickter darin, Kleider auszuwählen, sie sind Nestbauerinnen und Dekorgöttinnen, das Zuhause halten sie gerne blitzblank sauber. Männer profitieren von alldem.

Im Grossen und Ganzen sind das aber Eigenschaften, die viele Frauen, wenn nicht die meisten, von Natur aus besitzen. Und wenn sie dafür Mühen auf sich nehmen, dann oft aus egoistischer Motivation. Steinigen Sie mich für die Aussage, sie ist deswegen nicht weniger wahr. Blumige Sprache, übermässiges Putzen, einen beträchtlichen Aufwand betreiben bei der Hauseinrichtung, beim eigenen Erscheinungsbild auch – Frauen tun es grösstenteils für sich selbst. Sie fühlen sich rasch schlecht, wenn sie keine perfekten Menschen sind. Wenn sie sich nicht unablässig um alles kümmern, wenn sie nicht perfekt kommunizieren und sich jemand auf der Welt brüskiert fühlen könnte, wenn ihr Zuhause nicht aussieht wie aus dem Schöner Wohnen-Magazin. Ich nehme mich da nicht aus; ich veranstalte ein riesiges Theater um meine Topfpflanzen, und dank meiner fiebrigen Aufmerksamkeit liegt kein Kissen am falschen Ort. Ich bewundere Frauen, die nicht den Drang haben, für die perfekte Pistazienschale an den Istanbuler Markt zu reisen, aber diese Stärke haben nicht alle.

Männern ist es egal, ob die Tischsets an den Mexikourlaub erinnern, ein paar Haare in der Dusche liegen oder nicht jedes Wort perfekt sitzt. Sie unternehmen oft auch keine Versuche, Frauen in diesen Momenten zu widersprechen. Nicht unbedingt weil sie davon überzeugt sind, sondern weil sie ihren Frieden haben wollen.

Frauen sollten nicht so zu tun, als seien die eigenen anspruchsvollen Standards eine Art weibliche Überlegenheit oder engelhafte Vollkommenheit. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Männer weniger kultiviert oder sensibel oder eben: verbesserungswürdig sind, nur weil sie andere Prioritäten oder weniger hohe Ansprüche haben. Die eigenen Verhaltensweisen, Standards und Empfindlichkeiten sind nicht unbedingt besser – sie sind einfach anders.

Der Fehler liegt darin, Unterschiede bei den Geschlechtern als Defizite zu interpretieren, anstatt Verständnis für sie aufzubringen und zu versuchen, bestimmte Verhaltensweisen nachzuempfinden. Dann ist man auch weniger frustriert, wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Und das Beste daran: Würde der Heiligenschein dann nicht noch heller leuchten?

 

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