Nietzsche ist wieder da. Wer von «Zeitenwende» spricht, könnte auch «Morgenröthe» meinen. Oder Putins «Wille zur Macht» und die «Ewige Wiederkunft des Gleichen». Was ist «Wahrheit und Lüge» zu Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg? Alles «Jenseits von Gut und Böse»? Friedrich Nietzsche war immer schon ein grosser Stichwortgeber, wollte es auch sein. Aber dass er sich selbst als Nihilisten sah, als «Übermenschen», der mit dem Hammer philosophiert und alles in Trümmer schlägt, was die Schulphilosophie und vor allem die Metaphysik mit ihren brüchigen Idealen hervorgebracht haben, zeigt eben auch den anderen, vielstimmigen, mehrdeutigen Nietzsche; wir können ihn nicht ...
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Nietzsche verdanke ich den Begriff „Nächstensucht“, der den beschönigenden Ausdruck „Nächstenliebe“ ersetzt hat und mir offen sagt, was real ist: Menschen sind abhängig voneinander und süchtig nacheinander und beschönigen diese Tatsache mit dem Wort „Liebe“, so wie sie den Sex auch Liebe nennen. Damit lernte ich, dass der Mensch nur für sich fühlen und für andere Leute nur denken kann. Extrem übertrieben spiegelt sich diese Tatsache im Corona-/Klimakrieg dem Neid und der Abhängigkeit geschuldet.
„Tief denkende Menschen kommen sich in Gesellschaft als Komödianten vor, weil sie sich, um verstanden zu werden, erst eine Oberfläche anheucheln müssen“ oder „Das Publikum verwechselt leicht denjenigen, der im Trüben fischt, mit demjenigen, der aus der Tiefe schöpft“. Zwei seiner grandiosen Aphorismen, die zeitlos Gültigkeit im gewohnten gesellschaftlichen Umgang haben.
Wer sich durch sämtliche Briefe Nietzsches gelesen hat, weiss, dass Nietzsche jede Form des Antisemitismus verachtete. Es gibt unzählige Stellen, in denen er sich deutlich gegen die damalige antisemitische Strömung ausspricht. Deshalb ist die Ansicht/der Glaube, Nietzsche sei ein Vorläufer oder gar Vorbereiter des Nazi-Antisemitismus eine Behauptung in völliger Unkenntnis dessen, was Nietzsche tatsächlich dazu sagte.
Auf den Punkt gebracht
Über die Vereinnahmung von Nietzsche durch die Nazis wurde schon viel geschrieben. Auf die Frage, inwiefern er zur Entstehung des Nationalsozialismus beigetragen hat, hat Thomas Mann in späteren Jahren m. E. eine aufschlussreiche Antwort gegeben. Er hat einmal, ich weiß nicht mehr wo, geschrieben, Nietzsche habe sich wie eine zitternde Kompassnadel auf den Faschismus eingestellt. Nietzsche nicht als Urheber oder Erfinder des Faschismus, sondern als Medium!
Da Nietzsche den Faschismus noch gar nicht kennen konnte - er wurde von Mussolini in Italien „erfunden“ - kann er weder „Medium“ noch „zitternde Kompassnadel“ gewesen sein. Solche Aussagen werden von der zeitlichen Abfolge der Geschichte des Faschismus und Nietzsches Lebensdaten widerlegt.
Nietzsche ist für alle da. Rechts, Links oder geradeaus. So ist es auch konzipiert