Der Mensch ist nicht per se gut oder böse, klug oder dumm. Es sind oft die Umstände, die ihn zu dem einen oder dem anderen Verhalten verleiten. Nicht selten sind es selbstgewählte Umstände. Einer dieser Umstände ist der «Korpsgeist», also eine Gruppensituation, die alle Mitglieder einer Gruppe dazu verleitet, sich selbst zu Konformisten eines Konsenskartells zu degradieren, also lieber um der lauschigen Stimmung wegen gemeinsam um das Goldene Kalb der richtigen Lösung herumzutanzen, anstatt zu fragen, ob denn die gefundene Lösung tatsächlich die beste ist. Der Mangel an nonkonformistischen Ideen in entscheidenden Momenten ist die Nahrung der Hybris. Die Hybris wiederum ist die Mutter des Planungsfehlers. Der Planungsfehler wiederum ist die Programmierung der Katastrophe.

Hygienekult und Kadavergehorsam

Der Wahnsinn der Welt ist keine Frage des Glaubens daran, sondern eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Meinungssilos und von Gruppendenken ist grösser als das Auftauchen von Nonkonformisten. Fauler Konsens ist die gesellschaftliche Standardeinstellung. Der Nonkonformist ist die Abweichung. Der Psychologe Solomon Asch zeigte in zahlreichen Experimenten auf, dass 75 Prozent aller Teilnehmer mindestens einmal einem offensichtlich falschen Gruppenkonsens erlagen. Der kollektive Irrtum, der auf einem Konsens der Denkfaulen beruht, ist somit bei jeder Entscheidung von Gruppen nicht nur wahrscheinlich, man kann in bestimmten Situationen quasi die Uhr danach stellen, dass der Moment der Enttäuschung und damit das krachende Scheitern der Konsenslösung irgendwann eintreten müssen.

Am deutlichsten ist dies gerade am Corona-Narrativ zu sehen, welches mit viel politischem Fanatismus, einer guten Portion wissenschaftlicher Korrumpiertheit und mit der vollen Feuerkraft medialer Willfährigkeit über zwei Jahre mühsam aufgebaut worden ist und jetzt in Schutt und Asche zerfällt. Das Besondere an dieser grössten modernen Märchenerzählung liegt darin, dass der Kadavergehorsam einzelner gesellschaftlicher Gruppen sich von einem fabrizierten Konsens zu einer kollektiven Autosuggestion globalen Ausmasses entwickeln konnte, über alle geografischen oder ideologischen Grenzen hinweg. Der in den letzten zwei Jahren installierte Hygienekult wurde so zur wohl ersten globalen technokratischen Zivilreligion der Neuzeit, ihre Priesterkaste rekrutierte sich aus allen Schichten, vom Virologen über den Comedian, den C-Promi bis hin zum Meinungsjournalisten. Wer dem Goldenen Kalb des falschen Konsenses huldigte, konnte erwarten, etwas von dem Goldglanz abzubekommen.

Der Wahnsinn der Welt ist keine Frage des Glaubens daran, sondern eine Frage der Wahrscheinlichkeit.

Inzwischen ist der Lack gänzlich ab. Gibt es eigentlich noch irgendeine «Covid-Gewissheit» des «Teams Vorsicht», die bisher nicht unter die Räder gekommen ist? Dass das Virus eher das Produkt verquerer wissenschaftlicher Forschung war, als von einem Markt in Wuhan gekommen zu sein, sagt heute der Leiter der Covid-Kommission der angesehenen Fachzeitschrift Lancet, Jeffrey D. Sachs. Er fühlt sich von seinen Kollegen in dieser Frage hinters Licht geführt. Dass die Covid-Impfstoffe nie darauf getestet wurden, ob sie Ansteckungen verhindern, gab vor kurzem eine hochrangige Pfizer-Mitarbeiterin in einer Anhörung vor dem EU-Parlament zu. Diese Aussage kann man getrost als Erdrutsch interpretieren: Denn damit erweist sich das Gerede vom vermeintlichen Schutz der anderen, von lebensrettender Solidarität, von der Notwendigkeit von Impfpässen sowie die volksverhetzende Parole von der «Pandemie der Ungeimpften» als evidenzlose Massentäuschung.

Verrat an der Demokratie

Dass die Übertragung des Impfstoffes von der Muttermilch auf das Kind kategorisch ausgeschlossen ist, durfte die notorische Covid-Eskalationsbeauftragte Melanie Brinkmann noch vor wenigen Monaten unwidersprochen bei «Markus Lanz» einem Massenpublikum verkünden. Inzwischen ist das Gegenteil belegt. Der oberste Gesundheitsbeauftragte von Florida, Joseph Ladapo, warnt inzwischen offiziell vor Herzschäden durch mRNA-Vakzine bei Männern zwischen 18 und 39. Bei dieser Gruppe sei das Risiko eines Herztodes nach der Impfung um 84 Prozent erhöht. Der Satz von Ursula von der Leyen: «Glauben Sie nur den offiziellen Informationen in den Qualitätsmedien», dürfte sich spätestens jetzt so gründlich zerlegt haben wie das Vertrauen in die Kaste der Impfluenzer und Pandemietreiber allgemein. Oder auch nicht. Karl Lauterbach wirbt gerade mit einer grossangelegten PR-Kampagne für die vierte Impfung. Dies sogar mit der dreifach geimpften und danach an «Long Covid» erkrankten Ex-Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski. Muss nun wirklich schon das letzte Aufgebot der mutmasslich Impfgeschädigten an die Informationsfront?

Das Corona-Beispiel zeigt es in besonderer Weise: Wo Diskussion unterbleibt, stirbt Demokratie. Denn ohne Diskussion stirbt die Chance auf bessere Lösungen. Demokratie wird dann zur «Hypnokratie», zur Regierung durch Massenhypnose, zu der es scheinbar nicht viel mehr braucht, als immer das gleiche Mantra medial zu wiederholen, es wird dann schon irgendwann geglaubt. Der wohl grösste Verrat an der Demokratie wurde in den letzten zwei Jahren von den Massenmedien begangen. Falls es das Delikt noch nicht gibt, so sei es jetzt erfunden: Es gibt auch einen «medialen Hochverrat», die Untergrabung der Möglichkeit zum lösungsorientierten, «deliberativen» Diskurs durch Unterbindung von «Öffentlichkeit». Die Organisation von Auseinandersetzung über strittige Themen ist konstitutiv für die Demokratie. Der mediale Hochverrat bestand darin, dass Massenmedien die Agora der Öffentlichkeit zu einem Ort der Hege und Pflege liebgewonnener Autosuggestionen machten.

Fiasko in der Schweinebucht

Inzwischen dreht sich das mediale Kaleidoskop weiter, als hätte jemand die Fernbedienung gedrückt, weg vom Programm «Pandemie», hin zu «dritter Weltkrieg» und damit zu einer Situation, die einer Neuauflage der Kubakrise ähnelt. Ist es nicht bezeichnend? Während man dem Corona-Narrativ-Gebäude beim Einsturz zusehen kann, wird man Zeuge, wie mit den gleichen Bauplänen das Kriegsnarrativ hochgezogen wird. Auch hier gibt es nur eine richtige Lösung. Von der Hybris der Pandemiebekämpfung geht es ohne Pause zur Hybris des Sieges über Putin.

Dabei könnte man gerade jetzt aus der Geschichte lernen, dargereicht auf dem silbernen Tablett der Kubakrise, des wohl besten Beispiels für fatales Gruppendenken. Damals redeten sich die hellsten Köpfe der Kennedy-Regierung in einmütiger Stimmung ein, es könnte eine tolle Idee sein, Kuba anzugreifen. Die Operation in der Schweinebucht geriet zum Fiasko, die Welt rückte an die Schwelle zum Atomkrieg. Und alles nur, weil niemand die andächtige Stimmung des Gruppenkonsenses stören wollte.

Milosz Matuschek ist Herausgeber von www.freischwebende-intelligenz.org und Autor des Spiegel-Bestsellers «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty).

Die 3 Top-Kommentare zu "Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom"
  • Silver Shadow

    Interessanter Artikel und danke dafür. Es ist nicht einfach, gegen den Strom zu schwimmen; ich und ein Teil meines Umfeldes mussten dies die letzten (fast) drei Jahre bitter erfahren. Man wurde ausgegrenzt, als nicht intellektuell eingestuft, nicht anpassungsfähig, dumm und so fort betitelt. Heute bin ich dankbar, dass ich meine Intuition und Gefühl richtig interpretiert habe und dementsprechend gehandelt habe. Und ich darf zugeben, es hat mich gestärkt und ich würde wieder gleich handeln.

  • bmiller

    Absolut grossartige Analyse der Corona-Zeit. Das Gruppendenken zeigt sich auch und gerade bei der Ärzteschaft, die mit Verve eintimmte in die Diffamierung von "Wissenschaftsfeinden und Coronaleugnern". Einige verlangten gar, Impfunwillige mit von der Polizei arretieren zu lassen, um aie zu impfen. Der Medizin-Comedian Eckart von Hirschhausen:" "Wer sich nicht impfen lässt, ist ein asozialer Trittbrettfahrer." Man verstecjt sich bis jetzt in der Blase, um den Wahnsinn nicht zugeben zu müssen.

  • rebi

    Vielen Dank für diesen tollen Artikel. So ein Text sollte mal in der NZZ od. dem Tagi erscheinen. Zudem wünschte ich mir von den Mainstream-Medien eine Entschuldigung. Das grosse Schweigen ist nicht zu überhören!