Es war eine Ehre für die Zürcher Nationalrätin Corina Gredig, aber eine Ohrfeige für ihren Parteikollegen Martin Bäumle. Ausgerechnet der Ukraine-Kenner aus Dübendorf blieb bei einer Begegnung mit Präsident Wolodymyr Selenskyj aussen vor, als dieser im Februar zu Gast in Bern weilte. Denn Bäumle gilt zwar als Freund des ukrainischen Volkes, nicht aber unbedingt von dessen Präsidenten und auch nicht des endlosen Schlachtens an der Donbass-Front.

Offenbar war aber Corina Gredig von diesem Treffen so angetan, dass sie fortan die geplanten fünf Aufbaumilliarden für die Ukraine umso enthusiastischer unterstützte. Beim verknüpften Paket für die Schweizer Armee einerseits und für die Ukraine anderseits, das letzte Woche die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats erfolgreich passierte, handelt es sich um das Ergebnis einer Koalition von Mitte-links.

Der geforderte Fünfzehn-Milliarden-Fonds «Für Sicherheit und Frieden» bedeutet in der neueren Schweizer Geschichte wohl den schamlosesten Kuhhandel. Er verletzt durch die Verknüpfung zweier sachfremder Ausgabenposten nicht nur das Gebot der Einheit der Materie, er verfolgt auch das Ziel, die Schuldenbremse zu unterlaufen. Dieses vom Volk 2001 mit 85 Prozent Ja-Stimmen beschlossene Prinzip – in Artikel 126 der Bundesverfassung verankert – will den Begehrlichkeiten ausgabenfreudiger Politiker einen Riegel schieben.

Kampfjet abgeschossen

Die jetzt geplante Umgehung stellt einen klaren Verfassungsbruch dar. Der Grund des zusammengeschnürten Päcklis von fünf Milliarden Franken Ukraine-Hilfe und zehn Milliarden Armeeausgaben liegt ganz einfach darin, dass die Vordenker des unappetitlichen Projekts ganz genau wissen, dass die Infrastrukturhilfe an die Ukraine angesichts der AHV-Bedürfnisse bei der Bevölkerung auf wenig Sympathie stossen dürfte.

Die GLP-Fraktionschefin Corina Gredig hat beim Fünfzehn-Milliarden-Deal eine äusserst aktive Rolle gespielt. Hatte die GLP 2014 noch mitgeholfen, die Kampfjet-Beschaffung zu torpedieren, ist Gredig heute sogar bereit, die Schuldenbremse für die militärische Aufrüstung auszuhebeln. Es ist ihr offensichtlich gelungen, alle elf grünliberalen Fraktionsstimmen dafür zu gewinnen, Stimmen, die zugunsten des Mitte-links-Lagers das Zünglein an der Waage spielen könnten. Mit einem wahren Feuerwerk an Unterstützung hantierte zeitgleich Gredigs Lebenspartner Stefan Schmid. Weil er praktischerweise als Chefredaktor des St. Galler Tagblatts amtet, schwärmte er in seinem Leitartikel von einem «spektakulären Coup im Bundeshaus».

Der Fünfzehn-Milliarden-Fonds bedeutet in der neueren Geschichte wohl den schamlosesten Kuhhandel.

Bei der Titelgebung über diesen Erfolg seiner Liebsten – «Die Schweizer Zeitenwende» – geriet Schmid vollends aus dem Häuschen. Angesichts von «Putins Blutrünstigkeit» lobte er die Preisgabe der Schweizer Neutralität, kritisierte allerdings die mangelnde Begeisterung an der Konfiszierung russischer Vermögen. Chefredaktor Schmid verspottete sodann das «Klein-Klein» in der Bundespolitik, ja, er wagte sogar Kritik an Bundesrätin Karin Keller-Sutter und an deren Kampf gegen die Verschuldung – für das traditionell freisinnige St. Galler Tagblatt geradezu ein Sakrileg. Wenn er indessen seine Sympathien zwischen der Finanzministerin und seiner Partnerin Corina Gredig abwägen muss, fällt ihm der Entscheid nicht schwer.

Darum atmete Stefan Schmid, fast schon zitternd vor innerer Erregung, wie folgt auf: «Noch aber besteht Hoffnung. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats hat am Donnerstag einen finanz- und sicherheitspolitischen Coup beschlossen.» Schmid schrieb von einem «politischen Husarenstück», einer «bestechenden Idee», indem die Linken für die Aufrüstung der Armee stimmten, die Bürgerlichen im Gegenzug für die Ukraine-Hilfe ohne Abstriche bei der Entwicklungshilfe.

Kein Interessenkonflikt?

Doch wer glaubt, den Armeeabschaffern von SP und Grünen gehe es künftig um Rüstungsinvestitionen statt um die Aushebelung der ungeliebten Schuldenbremse, verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir an Naivität. Etwa über jenes von Stefan Schmid, der forderte, die Schuldenbremse sei ebenso ausser Kraft zu setzen wie die Mentalität, «den Bundeshaushalt wie weiland Buchhalter Nötzli rappenspalterisch zu führen». Wer wie Schmid die Nichtgewährung von fünfzehn Milliarden Franken mit Rappenspalterei gleichsetzt, muss wahrlich in beneidenswerten Vermögensverhältnissen leben. «Aussergewöhnliche Zeiten verlangen nach aussergewöhnlichen Massnahmen», bilanzierte der aussergewöhnliche Chefredaktor.

Als unlängst Blick-Politchef Pascal Tischhauser zum Parteisekretär von Corina Gredigs Grünliberaler Partei gewählt wurde, trat auch seine Partnerin und Co-Politchefin Sermîn Faki von der Blick-Redaktion zurück. Sie begründete ihr Ausscheiden so: «Die Interessenkonflikte lägen auf der Hand.» Offensichtlich existieren solche Interessenkonflikte bei Stefan Schmid als Chefredaktor der St. Galler Zeitung und GLP-Fraktionschefin Corina Gredig nicht. Zumindest so lange nicht, wie der Verleger von CH Media dem munteren Treiben tatenlos zuschaut.