Frisch verliebt.

Bild: © Salvador Dali: «Persistencia de la memoria» (Die Beständigkeit der Erinnerung – Die weichen Uhren – Die zerrinnende Zeit), 1931/Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí/2021, ProLitteris, Zurich für Werke von DALI SALVADOR/akg-images

 

Salvador Dalí, Die Beständigkeit der Erinnerung, 1931 – Wir wissen nicht, ob die Zeit endlich ist. Vor 13,8 Milliarden Jahren soll sie aus einer Singularität heraus explodiert sein und sich zur Herrscherin über alles entfaltet haben. Aber wo war sie zuvor? Dass sie einfach nicht da war, scheint wenig plausibel. Wer oder was sonst hätte der Singularität zu verstehen geben sollen, dass es an der Zeit wäre für ihren Urknall? Zeit war wohl schon immer präsent, und schon immer ist unendlich. Universen kommen und gehen wahrscheinlich, und nur die Zeit ist das einzig wirklich Beständige in den endlosen Weiten des unendlichen Nebels allen Seins. Sicher ist, dass unsere Zeit endlich ist, wobei niemand wissen kann, ob wir nicht doch dem Rhythmus von Reinkarnationen unterworfen sind oder ob unsere Seelen sich tatsächlich ebenso in Nichts auflösen wie unsere Körper. Oder ob sie nicht doch treiben für immer im unaufhörlichen Strom der Zeit. Wirklich tröstlich ist das nicht, weil wir auf jeden Fall so ausgelöscht werden, dass die Verbindung zu unseren Seelen und eventuellen früheren Daseinen ebenfalls das Zeitliche segnet.

So ist der Tod des Menschen das Ende seiner Zeit, die er in seinen ersten Jahren nicht wahrnimmt, die er später beschleunigen möchte, dann einfrieren, später verlängern und deren Ende er, erst ganz zum Schluss, vielleicht herbeisehnt, weil die Gravitation seiner Vergänglichkeit sein eigenes Raum-Zeit-Kontinuum so gekrümmt hat, dass er nur noch implodieren möchte.

Als Salvador Dalí (1904 bis 1989) sein wohl bekanntestes Bild malte, war er frisch verliebt, in dieser Phase der Aneinanderreihung scheinbar zeitloser Momente, in denen das Werden mit dem Vergehen tanzt und noch nicht kämpft. Dann kommt die Zeit zurück, und das ist immer ein klein wenig sterben. Nur in der Erinnerung wird alles zu einem Stückchen beständiger Zeitlosigkeit, das wir halbwegs über die Zeit retten können.