Und Brigitte Bardot fragte: «Bin ich jetzt eine richtige Frau?» Und Roger Vadim antwortete: «Noch nicht, erst zu 25 Prozent.»
Als Vadim Bardot entjungferte, war sie um die sechzehn und er Anfang zwanzig. Wir schreiben das Jahr 1950. Er starb im Jahr 2000, sie wird im September neunzig. Über fünfzig Jahre lang lebte der Drehbuchautor und Regisseur ein Leben auf der Überholspur. In ihm floss das Blut Dschingis Khans, und er fuhr einen Ferrari. Seine Filme sind fast so legendär wie seine Liebschaften. Mit «Et Dieu … créa la femme» («… und immer lockt das Weib») brachte er das Publikum in Wallungen, als Godard, Truffaut et cetera noch fleissig Filmkritiken schrieben (auch über Vadims ersten Film) und Kurzfilme drehten. Vadim war es, der die Nouvelle Vague Mitte der fünfziger Jahre anstiess.
Vor allem war er aber ein französischer Lebemann mit russischen Wurzeln, der sich nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs schwor: «Ich möchte kein Zyniker werden oder, noch schlimmer, in Selbstzerfleischung oder Bitterkeit enden. Ich werde das Beste aus dem Leben herausholen. Das Vergnügen. Das Meer, die Natur, den Sport, Ferraris, Freunde, Kumpels, die Kunst, Nächte im Rauschzustand, die Schönheit der Frauen, frech sein und der Gesellschaft eine lange Nase drehen.» Er glaubte, dass der «Abschnitt grosser Freiheit» nach vier düsteren Jahren der Nazi-Okkupation «ein historischer Zufall» gewesen sei, «der nicht lange anhalten» werde.
Also rein ins Vergnügen. Vadim war ein Hedonist erster Güte. Blickte Epikur in sein Leben, würde ihm wahrscheinlich dennoch etwas heiss auf der Stirn: Denn Vadims Garten waren die Frauen. Er sass nicht bloss im Grünen und philosophierte – das sicher auch –, noch lieber brachte er die Damen der Schöpfung unverblümt zum Blühen, wenn sie dies nicht schon taten. «Sie brauchte viel eher einen Gärtner als einen Professor», schreibt Vadim in seinen Memoiren über Bardot, «sie war eine jener Art Pflanzen, die man zu wässern hatte, aber nicht schneiden musste.» Das herrlich geschriebene Buch, das er 1985, damals 57-jährig, für seine «zukünftigen Grosskinder» verfasste, ist voll von Bettgeflüster, Jovialität, Star-Anekdoten sowie erhellenden Einblicken ins Paarungsverhalten von Männlein und Weiblein.
_ Bardot _
«Ich hatte eine ernsthafte Liebe-auf-den-ersten-Blick-Attacke», sagte Brigitte Bardot, als sie Vadim kennenlernte. Im Taxi nach Hause «gab sie mir einen flüchtigen Kuss (den ersten) auf den Mund», rapportiert Vadim.
Eigentlich hiess er Vadim Igorevich Plemiannikov. Sein Vater, ein russischer Aristokrat, wurde während der Revolution 1917 aus seiner Heimat verjagt und kam nach Paris, wo er die Französin Marie-Antoinette Ardilouze heiratete. Vadim, ganz Bohemien, lebte in den Tag hinein, schrieb Drehbücher und trieb sich als Statist auf den Filmsets von Marc Allégret («Petrus») herum. Einmal übernahm der Siebzehnjährige ungefragt die Regie einer Filmszene. Die Unverfrorenheit zahlte sich aus – Allégret wurde sein Mentor.
Mit einem Mädchen anzubandeln, «das bloss einmal im Monat bis Mitternacht weg sein durfte», konnte sich Vadim nicht vorstellen. «Aber das Herz hat seine eigene Logik, die mit dem Verstand nichts zu tun hat. Ich konnte Brigitte und das sanfte Gefühl, als ihre Lippen meine berührten, nicht vergessen.» Er musste einfach bis zu ihrem 18. Geburtstag warten, bis er weitermachen durfte. So wollten es ihre bürgerlichen Eltern. Seine schillernde Familiengeschichte gefiel ihnen nichtsdestotrotz.
«Falls Gott existiert, sollte er es nicht erlauben, dass ein solches Leben je einmal enden sollte.»
Vadim: «Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Aufnahme in die französische Bourgeoisie des zwanzigsten Jahrhunderts meinem entfernten Vorfahren verdanke, der Städte verwüstet und seine Feinde abgeschlachtet hat», schreibt er mit Blick auf seine Abstammung, die auf Dschingis Khan zurückreicht. «Am Anfang unterliefen mir in diesem Milieu ein paar Fauxpas. Ich war es gewohnt, den Deckel des Frühstückseis mit einem Messer statt mit einem Löffelchen aufzuschlagen. Das schockierte Toti.» Toti war Bardots Mutter.
Es blieb nicht beim Frühstücksei. Die elterliche Sperrfrist dauerte zu lange, die gegenseitige Anziehung war zu gross. Sie trafen sich heimlich in einem Studio eines Freundes. Beim ersten Rendezvous sagte Brigitte: «Ich sollte in der Algebrastunde sein, aber ich habe mich für die Freiheit entschieden.» Vadim: «Sie wusste absolut nichts übers Liebemachen, und doch machte sie den Anschein einer erwachsenen Frau. Sie nahm mich in ihre Arme, und ganz sanft begann ich mit dem Liebesspiel.»
Sie brauchte Kerzenschein
Vadims Synopsis von Bardots erotischer Leidenschaft: «Brigitte fand nicht, dass Sex eine Sünde war. Sie hatte diesbezüglich keine Traumata, keine mystischen oder religiösen Ängste (…) Sie war Eva im Paradies, bevor Gott seine Beherrschung verlor (…) Doch war sie vor allem auch eine Romantikerin (…) Sie brauchte Worte der Bestätigung, gedämpftes Licht oder Kerzenschein, um Poesie in ihren Orgasmus zu bringen. Obwohl sie einen Hang zur Untreue hatte, litt sie immer darunter, wenn sie mehrere Affären gleichzeitig hatte.»
Roger Vadim war berühmt dafür, nicht eifersüchtig zu sein. Und die Frauen mochten ihn, weil er sie zu verstehen wusste. Er war ein sinnlicher Draufgänger, kein wirklicher Beau, aber charmant genug, dies nicht zu einem Nachteil werden zu lassen.
Und Bardot öffnete dem gut Zwanzigjährigen die Augen, was die weibliche Befindlichkeit betrifft: «Zuvor war mir nicht bewusst, dass Frauen, die an die ewige Liebe glauben, äusserst empfänglich für immer neue Liebschaften waren. ‹Wirst du mich ewig lieben?› heisst in Wirklichkeit: ‹Bitte schau, dass ich mich nicht in jemand anderes verliebe.› Die meisten Männer meinen, diese Frage sei der ultimative Beweis dafür, dass sie der einzig alleinige sind. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt: Romantische Frauen suchen das Absolute, doch finden sie es in keinem Mann. Sie sprechen von ewig, doch sie rennen vom einen Jetzt ins nächste.»
«Strikte Regel»
Für Vadim sind das zu hohe Erwartungen an die Liebe und an das Leben. Seine Diagnose nach dem tiefen Blick in Bardots Seele lautete: «Glücklichkeits-Krankheit». Brigitte habe immer nur kurze Momente des Glücks gehabt. Viel später sagte Bardot einmal zu Vadim: «Ich werde nicht mein Leben lang von einem Liebhaber zum anderen hüpfen. Wären Männer bloss wie die Sonne. Dann könnte ich den Rest meines Lebens friedlich ausgestreckt in der Sonne liegen. Aber so halten mich die Männer immer auf Trab.»
Die Nacht, die folgte, hatte sich Vadim anders vorgestellt. Es befiel ihn eine plötzliche Impotenz.
Sie heirateten nach Brigittes 18. Geburtstag im Dezember 1952. Damals kannte man weder sie noch ihn. Vadims Erzählung nach war Bardot nicht an einer Karriere als Schauspielerin interessiert. «Sie scherte sich überhaupt nicht um ihre Fotos oder Filmverträge. Ihre Gedanken galten der Farbe des Wohnzimmerteppichs und dem Porzellangeschirr ihrer Mutter.» Dennoch wirkte sie zwischen 1952 und 1956 in siebzehn Filmen mit. Der 17. machte sie weltberühmt. «Et Dieu … créa la femme» war zugleich Vadims erster Film als Regisseur – und die Hauptrolle spielte seine Frau! Die in Saint-Tropez gedrehte melancholische Romanze mit einer freizügigen – aber nicht entblössten – Bardot sowie Curd Jürgens (selbst auf der Segeljacht in Anzug, Krawatte und schwarzen Halbschuhen) und Jean-Louis Trintignant überwand gewisse Schwellen des damals im Kino Zeigbaren. Aus heutiger Sicht ist er völlig harmlos.
«In der Karriere aller grossen Stars gibt es den Moment des Wunders jener Rolle, die für sie wie gemacht scheint. Für Brigitte war es Juliette», bilanziert Vadim. Und: «Ich habe mich an die strikte Regel gehalten, während eines Filmdrehs nicht mit meinen Schauspielerinnen zu schlafen – ausser natürlich, wenn ich bereits mit einer Schauspielerin zusammen war, was häufig der Fall war.»
Goldener Morgen
Er war überall dort, wo etwas passierte. Vielleicht sogar noch ein bisschen früher. 1954 war er Brigitte Bardot nach Rom gefolgt, wo sie eine Rolle in der Ilias-Verfilmung «Der Untergang von Troja» spielte. «Es war das Rom des Dolce Vita, das von Fellini ein paar Jahre später verewigt wurde», berichtet Vadim. In der italienischen Hauptstadt traf er seinen Schauspielerfreund Daniel Gélin. An der Hand hatte dieser die siebzehnjährige Bernerin Ursula Andress. «Dieses exzessiv romantische und schöne Mädchen hatte sich ein Leben mit Gélin ausgemalt, von dem es sich schnell wieder verabschieden musste (…) Sein wildes Leben machte ihr Angst», schreibt Vadim. Eines Nachts habe Andress weinend vor seinem Hotel gestanden und um Unterschlupf gebeten. «Mein armes Liebes», habe Brigitte gesagt, «das tun wir gerne, obwohl wir bloss ein Bett haben. Es ist gross, es hat Platz für drei.»
«Und so kam es, dass ich eine Woche lang mein Bett mit Brigitte Bardot und Ursula Andress teilte», erzählt Vadim. Um dann sofort Entwarnung zu geben: «Ich weiss, meine Leser werden enttäuscht sein, aber wir drei flirteten nicht mal miteinander, an Liebemachen war auch nicht zu denken. Brigitte stand nie auf Gruppensex. Es war ziemlich frustrierend für mich.»
Dennoch kam der sensible Filmemacher mit dem Auge für die schönen Dinge auf seine Rechnung: «Ich erinnere mich an einen Morgen, ich sass auf der Terrasse beim Frühstück. Die französischen Fenster waren weit aufgeschlagen, und die Sonnenstrahlen fielen auf das Bett, wo Brigitte und Ursula ihre nackten goldenen Körper hemmungslos der Hitze des Sommers preisgaben. Sie flüsterten sich Geheimnisse zu und kicherten. Niemals, weder in Filmen noch beim Betrachten von Meisterwerken in Museen, berührte mich Kunst emotional so stark wie jener Moment.» Ars latet arte sua – die Kunst verbirgt sich durch ihre Kunst. Bei Vadim war die Natur stärker.
«Et Dieu … créa la femme» brachte Vadims Ehe mit Bardot aus den Fugen. Während des Drehs begann sie eine Affäre. Nicht mit Gunter Sachs. Der kam später. Bardot hatte sich in ihren Co-Star Trintignant verliebt. Vadim und Bardot trennten sich und liessen sich scheiden. «Es war eine Überraschung», schreibt Bruder Leichtfuss Vadim, «anstatt der erwarteten fürchterlichen Depression fühlte ich mich glücklich, befreit und wieder sorglos (…) Saint-Tropez war auf dem Höhepunkt. Die Strände gehörten uns. Die Restaurants warteten auf uns; das ‹Esquinade›, der damals einzige Nachtklub in der Gegend, existierte bloss für unsere wilden Träume.»
Der Zauber von Saint-Tropez
Im «Esquinade» lernte er Gunter Sachs kennen, «einen schüchternen, gefühlsduseligen jungen Deutschen, der geblendet war von unserer Gruppe und alles tat, um dazuzugehören. Ich war der Einzige, der mit ihm sprach», berichtet Vadim. «Er stellte sich als Gunter Sachs von Opel vor. Ich denke, er wäre auf der Stelle tot umgefallen, wenn ihm jemand gesagt hätte, dass er zehn Jahre später Brigitte Bardots dritter Ehemann sein würde.»
Wenig später schon hatte Vadim einen ganz anderen Eindruck von Sachs. Mittlerweile, wir schreiben das Jahr 1958 und die Zeiten waren schnell, war Vadim mit dem dänischen Model Annette Stroyberg verheiratet. Vadim verewigte sie in seinem Film «Les liaisons dangereuses» (nach dem Roman von Pierre Choderlos de Laclos). Mit ihr hatte er sein erstes Kind, Nathalie. Bereits 1960 liessen sie sich wieder scheiden.
Über das Jahr 1958 also schreibt Vadim in seinen Memoiren: «Claude Bourillot, ein Rennfahrerfreund von mir, machte mich mit dem alten Commendatore Enrico Ferrari bekannt. Dessen Fabrik lancierte einen neuen Typ von Sportwagen. Echte Monster für diese Zeit: 320 PS, 12 Zylinder mit einer Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h. Ich stellte mich für einige Strassenrennen und Rallys zur Verfügung, im Gegenzug verkaufte mir der Commendatore sein jüngstes Model für den Preis eines Fliessband-Fords. Es war der einzige Ferrari in Saint-Tropez in diesem Jahr. Françoise Sagan (‹Bonjour tristesse›) fuhr einen Aston Martin und Gunter Sachs einen Mercedes 300 SL. Der Unterschied zum scheuen Touristen, den ich zwei Sommer zuvor im ‹Esquinade› kennengelernt hatte, war frappant. Sachs hatte Opel geerbt und war nun Herr über ein enormes Vermögen. Er war lebenslustig und gab sein Geld aus wie ein König.»
Der Zauber von Saint-Tropez erfasste alle. «Das Spezielle war der glückliche Mix aus Alt und Jung, Reichtum und Klasse. Jemand ohne Geld konnte hier leben wie ein Millionär, und ein Millionär konnte so leben und Spass haben wie ein Bohemien», erinnert sich Vadim.
_ Deneuve _
Catherine Deneuve lernte Roger Vadim 1960 im Pariser In-Lokal «Epi Club» kennen. Sie war mit ihrer Schwester Françoise Dorléac zusammen. «Als die beiden Schwestern die Tanzfläche verliessen, passierte etwas Seltsames. Françoise blieb genau gleich: Selbstsicher, elegant, freundlich mit allen (…), aber Catherine erinnerte mich an einen Einsiedlerkrebs, der sich sofort in sein Gehäuse zurückzieht; eben noch auffällig wild, war sie jetzt unsichtbar (…) ich war fasziniert von Catherines Metamorphose (…) Ich war der Einzige, der sie schöner fand als ihre Schwester.»
Sie war siebzehn und er 32. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. «Sie erwartete zweifellos einen intelligenten, aber oberflächlichen und zynischen Mann. Sie merkte, dass ich eher zärtlich war und gut zuhören konnte. Ich merkte, dass sie beides, einen Sinn für Humor und einen Hang zum Absurden, hatte – eine eher angelsächsische als eine lateinische Eigenschaft und selten für ein siebzehnjähriges Mädchen. Ich trank ein Glas Perrier, einen Tomatensaft und einen Campari Soda. Catherine trank zwei Wodka Tonic.»
Er liess nichts anbrennen. Sie fuhren aber nicht zu ihm nach Hause, sondern in jenes Studio, in dem er sich damals heimlich mit Brigitte Bardot traf. «Ich bemerkte den leicht verbleichten und verbeulten Lampenschirm von Jean Genet (‹Notre-Dame-des-Fleurs›), was mich daran erinnerte, dass ich im selben Bett vor zehn Jahren das erste Mal mit Brigitte Liebe gemacht hatte. Dies behielt ich für mich.»
«Zeichen des Vertrauens»
Vadim sinniert: «Die Gesellschaft verurteilt Frauen, die mit Männern schlafen, die sie weniger als 24 Stunden lang kennen. Im Gegensatz zu mir. Ich respektierte Catherine für ihre Einstellung, die ich als ein Zeichen des Vertrauens mir gegenüber deutete. Sie wusste, die Anziehung war gegenseitig und ernstgemeint.» Und über den Akt schreibt er: «Ihr Körper war sehr weiss, ziemlich fragil und so zart wie ihre Gesichtszüge. Ich erinnere mich, dass ich dachte, noch nie so schöne Brüste gesehen zu haben.» Danach brachte er sie im Taxi zu ihr nach Hause. Sie wohnte noch bei ihren Eltern. Am nächsten Tag rief er sie an. «Wann sehen wir uns wieder?», fragte Vadim. «Jetzt gleich», antwortete Deneuve.
Beinahe hätten Deneuve und Vadim auf Tahiti geheiratet, doch sie verschoben die Hochzeit im letzten Moment. Es blieb bei einem Baby: 1963 brachte sie sein zweites Kind, diesmal einen Sohn, Christian, zur Welt. Im selben Jahr schrieb er für sie ihre erste grosse Rolle: die Justine in Vadims Verfilmung von Marquis de Sades «Le vice et la vertu». Am Film «Les parapluies de Cherbourg», den Deneuve 1964 zum Star machte, war Vadim allerdings nicht beteiligt.
Die Pistolen de Gaulles
Die Beziehung mit ihr dauerte rund drei Jahre.Sie schlug ihn beim Pokern, er sie beim Strip-Billard. Den Ferrari hatte Vadim behalten. Immer wieder war dieser gut für eine rasende Pointe: «Catherine und ich fuhren nach Paris zurück, als uns ein Staatskarossen-Konvoi zwang, langsamer zu fahren (…) Das französische Gesetz verbietet es, Militär-Eskorten zu überholen, nicht aber Zivilfahrzeuge, auch wenn darin Minister, Präsidenten oder Könige sitzen. Trotz heftigem Gestikulieren der Motorradfahrer, die den Konvoi begleiteten, entschied ich mich, zu überholen. Ich beschleunigte auf 200 Stundenkilometer. Catherine war für solche Extravaganzen immer zu haben. Das Ferrari-Cabriolet-Dach war unten, so hatte ich beste Aussicht auf die Wagen, die ich überholte, und ich bemerkte mit einer gewissen Angespanntheit, dass eine ungewöhnliche Zahl von Revolvern und Maschinenpistolen auf uns zielten. Dann entdeckte ich ein vertrautes Gesicht im schwarzen Citroën. ‹Merde›, sagte ich zu Catherine, ‹es ist de Gaulle.›» Vadims Anwalt, übrigens, hiess François Mitterrand.
_ Fonda _
«Der Unterschied zwischen ihr und den überkultivierten Pariserinnen war sehr erfrischend», hält Vadim fest. Jane Fonda, die Tochter des Hollywoodstars Henry Fonda, war nach Paris gekommen, um sich von ihrer vorgespurten Karriere in Amerika zu emanzipieren. Ihr erster Film in Frankreich war René Cléments «Les félins» (1964). Die männliche Hauptrolle spielte Alain Delon. Die Presse glaubte an eine Affäre. Fehlanzeige: «Alain ist ein sehr verführerischer Mann, und man kann gut mit ihm zusammenarbeiten, aber ich kann mit ihm einfach nicht kommunizieren», sagte Fonda gemäss Vadims Bericht.
Also war er es, der die Amerikanerin in Paris eroberte. Und zwar während der «Félins»-Dreharbeiten, als Vadim einen Freund, den Set-Designer Jean André, in den Epinay-Studios besuchte. Fonda war er bereits zuvor ein paarmal ohne Konsequenzen an Festen oder beruflich begegnet. Er trank mit André Whisky in der Studiobar, als Jane plötzlich zur Tür hereinkam. Sie hatte vernommen, dass Vadim in der Nähe war, und wollte ihn sehen. «In diesem Moment wusste ich, dass ich sie liebte.»
«Sie war eine jener Art von Pflanzen, die man zu wässern hatte, aber nicht schneiden musste.»
Die Nacht, die folgte, hatte sich Verführer Vadim allerdings anders vorgestellt. Es befiel ihn eine plötzliche Impotenz. Offenbar waren die kulturellen Unterschiede zwischen der alten und der neuen Welt grösser, als er auf die Schnelle verarbeiten konnte.
Aus der Sicht des ehemaligen Paris Match-Reporters Vadim: «Wir küssten uns zärtlich und leidenschaftlich (…) ich hatte sie zur Hälfte ausgezogen, und wir begannen, auf dem Sofa Liebe zu machen, als sie plötzlich aufsprang und ins Badezimmer verschwand. Eine Minute später kam sie wieder raus, splitternackt, und ging ins Bett. Ich zog mich aus und gesellte mich zu ihr. Doch etwas geschah, und ich konnte keine Liebe machen.»
«Intellektuelle Neugierde»
Seine Analyse: «Ihr plötzliches Verschwinden im Badezimmer und die prosaische Art, wie sie nackt im Bett auf mich wartete, war irgendwie aggressiv. Der Traum wurde auf der Stelle banal. Es war, als ob sie sagte: ‹Willst du mit mir Sex haben? Also los!›» Und was dachte Fonda? «Jane sagte mir später, sie habe sich von mir aufs heftigste angezogen gefühlt, und um diese Obsession loszuwerden, wollte sie mit mir schlafen. Verlieben kam für sie nicht in Frage, und sie dachte, nach dem Ritual sei sie befreit. Meine plötzliche unerklärliche Impotenz änderte die Situation schlagartig.»
Erst nach drei Wochen kehrte Vadims Manneskraft zurück, und sie hatten zum ersten Mal Sex. «Eine positive Seite hatte diese Erfahrung, die meinen Stolz dermassen malträtiert hatte: Jane hatte nun keinen Grund mehr, sich vor meinem Ruf zu fürchten», berichtet der Frauenheld. Sie heirateten 1965, hatten eine Tochter, Vanessa, und blieben acht Jahre zusammen. In dieser Zeit änderte sie ihren Blick auf die Welt und wurde zu der Jane Fonda, die wir heute kennen: Filmstar und – wie viele – politische Aktivistin, die für die Frauenrechte und gegen den Vietnamkrieg kämpfte.
«Wo ich ihren IQ platzieren sollte, wusste ich nicht genau, aber ich war sehr beeindruckt von ihrer enormen intellektuellen Neugierde», lässt Vadim seine Leserschaft wissen. «Sie las Bücher, aber sie hatte enorme Bildungslücken punkto Politik und Geschichte. Ich sagte ihr, sie soll Malraux’ ‹Hoffnung›, Gorkis ‹Mutter› und Machiavellis ‹Fürst› lesen. ‹Fürst› brachte sie nicht zu Ende.» Vadim konnte gnadenlos snobistisch sein. Aber er liebte die Frauen und seine dritte Ehefrau besonders als Schauspielerin. «Mit Jane Filme zu drehen, war ein grosses Vergnügen (…) sie war hochprofessionell, was man nicht von allen französischen oder italienischen Schauspielerinnen behaupten kann.»
Vadims Fazit: «Sie war von ihrer wirklichen Schönheit nie ganz überzeugt. Ich denke, das macht sie noch attraktiver. Denn es ist nichts weniger verführerisch als eine Schauspielerin, die denkt, sie sei unwiderstehlich, und die Kamera mit einem Spiegel verwechselt. Dies ist einer der Gründe, weshalb es Top-Models beim Film kaum schaffen.»
Henry Fondas Polstermöbel
Ein Besuch in Beverly Hills bei Janes Vater, Henry Fonda, blieb Vadim in besonderer Erinnerung: «Ich sass im Wohnzimmer, geistesabwesend mit dem samtenen Überzug des Stuhls spielend, der ein wenig angerissen war. Ich sah, dass der Stuhl von vier verschiedenen Stoffen überzogen war. Irgendwie seltsam. Und als ich allein mit Jane war, fragte ich sie, weshalb das so sei. ‹Jede Frau hat das Haus nach ihrem Geschmack eingerichtet›, erklärte sie. ‹Das sind einfach die Hüllen jeder Ehe.›»
Die Amerikaner verstärkten Mitte der sechziger Jahre ihre Angriffe auf Vietnam, ein Ende des Kalten Kriegs war nicht absehbar – und Vadim und Fonda unternahmen eine Reise nach Russland. Fonda war vom Zustand der Sowjetunion überrascht: «Schau dir diesen kleinen Jungen an», sagte sie, als sie durch eine Wohngegend bei Moskau fuhren, «er hat ein Dreirad.» Sie konnte nicht glauben, dass sowjetische Kinder Spielsachen hatten. «Langsam begriff ich das Ausmass des Auseinanderdriftens der USA und Russlands, das durch die Propaganda beider Länder entstanden war», schreibt Vadim. Die Russlandreise brachte das Weltbild Fondas ins Wanken: «Zum ersten Mal hinterfragte sie die vorgefertigten Ideen, mit denen sie in Amerika vertraut gemacht wurde und die sie für selbstverständlich hielt.»
Für Vadim war das Leben, das er mit Jane Fonda und seiner Familie hatte, der Inbegriff von Glück. Sie wollte mehr. «Ein Jahr nach der Geburt von Vanessa pflegte sie zu sagen: ‹Mit 32 merke ich, dass ich 32 Jahre meines Lebens verschwendet habe.›» Später erkannte Vadim darin «gewisse Symptome einer fortgeschrittenen Form des amerikanischen Purismus». «Sie hatte ein grosses Verlangen danach, ihr grundsätzliches Dasein zu rechtfertigen, indem sie andere versuchte zu beeinflussen oder für sie zu entscheiden, was das Beste für alle sei. ‹Ein Leben ohne höheren Sinn ist eine vergebene Existenz›, könnte ihr Motto gelautet haben. Das ist eine hehre philosophische Einstellung, die ich bis zu einem gewissen Grad verstehe. Ich lege das Wort ‹Leben› breiter aus, nämlich, dass es weder das Vergnügen noch die Zeit ausschliesst, die wir damit verbringen, was der Erfinder dieses schönen, Erde genannten Planeten, uns intelligenten Kreaturen zu unserem Genuss bereitgestellt hat.» Den Unterschied zwischen einer zweckgebundenen Amerikanerin und einem lebenslustigen Nachkriegseuropäer könnte man nicht besser beschreiben.
Oder doch? Denn Vadim entdeckte in Fonda auch eine «heidnische, fast schon mythologische Qualität». Darauf brachte ihn der Schriftsteller Romain Gary, der einmal bemerkte: «Ich sah sie in der Morgendämmerung am Strand. Sie war eine prächtige, nackte heidnische Göttin, gefolgt von einer Nymphe und zwei Faunen. Es war das Bild des Anfangs der Welt. Es war Jugend, Wagemut und Freiheit.» Gary hatte eines frühen Morgens in Saint-Tropez Fonda, Vadim und ein befreundetes Paar dabei beobachtet, wie sie im Meer schwimmen gingen. «Sie verschwanden in Richtung Horizont, als sei das Mittelmeer ihr Garten, die Lust ihr Recht und die Nacktheit ihr Hochzeitsgewand.»
Schwereloser Space-Striptease
Und noch etwas anderes steckte in Fonda: Barbarella. Der berühmte italienische Filmproduzent Dino De Laurentiis wollte sie in der Hauptrolle der Verfilmung des französischen Cartoons. Brigitte Bardot und Sophia Loren hatten bereits abgesagt. «Eine Comic-Figur? Das kann er nicht ernst meinen», war Fondas Reaktion. «Superman» oder «Star Wars» waren damals noch in weiter Ferne. Vadim, der die Regie übernahm, überzeugte seine Frau. Das Kino entwickle sich weiter, sagte er ihr, und dass die Zeit komme, in der Science-Fiction und galaktische Komödien wie «Barbarella» an Wichtigkeit gewännen. Bis heute ist «Barbarella» Jane Fondas berühmtester Film, ihr schwereloser Space-Striptease ein Klassiker der Filmgeschichte. Das Erscheinungsjahr, 1968, sei auch der «Wendepunkt der Frau in ihr» gewesen. «Das Leben mit der neuen Jane interessierte mich nicht mehr so.» Er ahnte, dass es eine lange und schmerzhafte Trennung würde. Deshalb setzt er den Prozess des Sich-Entliebens in Gang oder das «Yoga des Pessimisten», wie er es im Buch nennt.
Und die Entfremdung zwischen ihm und ihr beschreibt er so: «Ich liebte Jane nicht mehr so sehr. Ihr ständiger Aktivismus und ihre Art, alles ernst zu nehmen, waren ermüdend. Ich hatte mich in eine Frau verliebt, die ehrgeizig und dynamisch war, ein gutes Gespür hatte, die gleichzeitig verletzlich war und spontan, die irrationale, spielerische und alberne Momente zulassen konnte. Jetzt stand ich einem Effizienzmonster gegenüber, das mich an einen Roboter erinnerte. Natürlich übertreibe ich, aber ich möchte, dass man mich besser versteht.»
Roger Vadim und Jane Fonda liessen sich 1973 scheiden. Der 45-jährige französische Lebemann hatte mittlerweile drei Kinder von drei verschiedenen Frauen. Ein Patchwork, das ihm durchaus zusagte. Einmal verbrachte er einen Monat mit den drei Kindern in seinem Haus in Malibu. «In einem Punkt waren wir uns einig: Falls Gott existiert, sollte er es nicht erlauben, dass ein solches Leben je einmal enden sollte», schreibt Vadim.
Etwas anspruchsvoller war es, die Kinder wieder den Müttern zu übergeben: Nathalie musste nach Rom zu Annette Stroyberg, Christian zu Catherine Deneuve nach Paris, und Jane Fonda erwartete Vanessa in London. Vadim brachte die Kinder auf den Flughafen in Los Angeles. Das war kein Problem. Nur schickte der berühmte Regisseur zwei Kinder an die falsche Mutter: Nathalie war im Flieger nach London und Vanessa in jenem nach Paris.
«Ich telefonierte die ganze Nacht mit den drei Hauptstädten, um den Müttern beizubringen, dass sie nicht das richtige Kind erwarten sollten.»
Quelle: Roger Vadim: Bardot, Deneuve, Fonda – My Life with the Three Most Beautiful Women in the World. Weidenfeld and Nicholson. 287 S. Vergriffen, antiquarisch erhältlich
Ja, damals war das schick, schöne Frauen wie Kunstgegenstände zu sammeln. Heute vielleicht auch noch, aber man kann nicht mehr so damit angeben.
Dieser Titel ist ist offenbar dem Koran entliehen. … die Frau ist wie ein Acker wo der Mann jederzeit seinen Samen verteilt. Dies ist nicht der genaue Wortlaut der Sure aber sinngemäss.
Eine anziehende charakterliche Zusammenstellung - mit russischen (shirokij kharakter) und französischen Zutaten (c‘est la vie!). Von allen Beteiligten verwirklicht Vadim das höchste Maß an menschlicher Freiheit - ohne anderen damit groß zu schaden ..
Ein herrlich schöner Kindergarten.Die wahre Liebe durchbricht politische Scheinkorrektheit.Akif Pirincci ist sexy, weil er aufgehört hat, Katzenkrimis zu schreiben Und auferstanden in den wahren Mainstream, der engen Pforte, ein Paria des Systems der Verschleierung der Ermordung von Amerikanern und Angegriffenen durch die NATO zu sein.
Schön geschrieben. Kommt sympathisch rüber, die Damen auch. Die Szene, wie er illegal De Gaulle überholt und Mitterand später als Anwalt hat, zum Schreien. Habe nachgesehen, ob er "Me and the Colonel" gemacht hat - non - denn der Film würde zu ihm passen. Sehr passend zu heute, wie er Jane's Überraschung beschreibt, als sie einen russischen Jungen mit einem Dreirad sieht. Sie hatten dort nie eine Ahnung, wie anderswo gelebt wird.
Dieser Titel ist ist offenbar dem Koran entliehen. … die Frau ist wie ein Acker wo der Mann jederzeit seinen Samen verteilt. Dies ist nicht der genaue Wortlaut der Sure aber sinngemäss.
Ja, damals war das schick, schöne Frauen wie Kunstgegenstände zu sammeln. Heute vielleicht auch noch, aber man kann nicht mehr so damit angeben.
Sie müssen sich anmelden, um einen Kommentar abzugeben.
Noch kein Kommentar-Konto? Hier kostenlos registrieren.
Die Kommentare auf weltwoche.ch/weltwoche.de sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels, an Protagonisten des Zeitgeschehens oder an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Wählen Sie im Zweifelsfall den subtileren Ausdruck.
Unzulässig sind:
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Prüfer sind bemüht, die Beurteilung mit Augenmass und gesundem Menschenverstand vorzunehmen.
Die Online-Redaktion behält sich vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Wir bitten Sie zu beachten, dass Kommentarprüfung keine exakte Wissenschaft ist und es auch zu Fehlentscheidungen kommen kann. Es besteht jedoch grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Über einzelne nicht-veröffentlichte Kommentare kann keine Korrespondenz geführt werden. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.
Eine anziehende charakterliche Zusammenstellung - mit russischen (shirokij kharakter) und französischen Zutaten (c‘est la vie!). Von allen Beteiligten verwirklicht Vadim das höchste Maß an menschlicher Freiheit - ohne anderen damit groß zu schaden ..
Ein herrlich schöner Kindergarten.Die wahre Liebe durchbricht politische Scheinkorrektheit.Akif Pirincci ist sexy, weil er aufgehört hat, Katzenkrimis zu schreiben Und auferstanden in den wahren Mainstream, der engen Pforte, ein Paria des Systems der Verschleierung der Ermordung von Amerikanern und Angegriffenen durch die NATO zu sein.
Schön geschrieben. Kommt sympathisch rüber, die Damen auch. Die Szene, wie er illegal De Gaulle überholt und Mitterand später als Anwalt hat, zum Schreien. Habe nachgesehen, ob er "Me and the Colonel" gemacht hat - non - denn der Film würde zu ihm passen. Sehr passend zu heute, wie er Jane's Überraschung beschreibt, als sie einen russischen Jungen mit einem Dreirad sieht. Sie hatten dort nie eine Ahnung, wie anderswo gelebt wird.