Weltwoche: Bald beginnen die langen Ferien. Worin liegt Ihr Hauptaugenmerk in diesen Sommer?

Ben Küffer: Eigentlich wäre meine jährliche Japan-Tour geplant gewesen, bei der wir durch das Land reisen und alle Händler besuchen. Doch in diesen Tagen wird unser drittes Kind zur Welt kommen, und so entfällt diese Reise. Im September geht es dann aber nach Amerika. Dort ist unser grösster Markt.

Weltwoche: Wie haben Sie das geschafft?

Küffer: Amerika war einer der ersten Märkte, die im Jahr 2019, als wir Norqain lancierten, mit uns starten wollten. Dies war dank unseren Links zu den Schweizer NHL-Sportlern Roman Josi und Mark Streit, die in Amerika bekannt sind, möglich. Auf der anderen Seite hatte ich durch Breitling, wo ich früher gearbeitet hatte, bereits ein grosses Netzwerk in Amerika.

Weltwoche: Wie und wo kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet im Uhrenschlaraffenland Schweiz eine neue Uhrenmarke ins Leben zu rufen?

Küffer: 2017 war ich in den Sommerferien und entschied für mich, eine neue Uhr zu lancieren – vorausgesetzt, ich bringe ein gutes Team zusammen und kann die Lieferanten in der Schweiz davon überzeugen, mit mir zusammenzuarbeiten. In der Schweiz wartete man natürlich nicht auf einen neuen Brand. Aber ich sah, dass viele Uhrenmarken ins Ausland verkauft wurden. Ich dachte: Was macht eigentlich unsere junge Generation? Wir sind in einer Branche, die keine Start-up-Kultur hat, total traditionell unterwegs ist; unser grösster Wert ist es, wenn du sagen kannst, du bist hundertjährig. Aber: Das Uhrenland Schweiz hat auch ein Know-how, das wir für neue Produkte einsetzen können. Mit diesen Gedanken und entsprechenden Vorbereitungen trat ich auf den Markt.

Weltwoche: Wie waren die Reaktionen?

Küffer: Von den Lieferanten her kamen positive Signale. Bei den Händlern war es ziemlich schwierig, weil dort der Tenor lautete, auf weniger, aber grössere Marken zu setzen. Und dann kam Corona. Für uns war es die Gelegenheit, heimlich zu wachsen, weil sich die Grossen um andere Dinge kümmern mussten als um die sich anbahnende Konkurrenz. Schliesslich spürten wir in der Schweizer Branche auch bei den grossen Playern einen gewissen Goodwill: Man fand es gut, dass die Jungen nun auch etwas machen.

Weltwoche: Sie kannten die Uhrenbranche schon vor der Norqain-Gründung sehr gut. Was hat Sie am meisten überrascht, als Sie selber Unternehmer wurden?

Küffer: Trotz anfänglicher Skepsis muss ich sagen, dass mich am meisten überrascht hat, wie schnell ich mit den Händlern in allen grossen Schweizer Städten ins Geschäft kam. Und dann, es war immer noch 2019, kam die Uhrenmesse in Basel, und dort hat Bucherer Norqain ins Programm aufgenommen. In diesem Moment spürte ich, dass es funktionieren würde. Ich wusste von anderen, die seit zehn Jahren bei Bucherer unterkommen wollten und es nicht schafften. Ende 2019 hatten wir siebzig Händler in zwölf Ländern. Das war die Bilanz des ersten Jahres.

Weltwoche: Sie haben eine hohe Affinität zum Sport, Mark Streit und Stan Wawrinka sind an Ihrem Unternehmen beteiligt. Was macht den Reiz aus, mit Sportlern zusammenzuarbeiten?

Küffer: Ich liebe Sport, ich spiele Tennis und Fussball. Und Mark Streit war schon seit längerem ein guter Freund von mir. Als ich das Unternehmen gründete, setzte ich einfach voll auf Swissness. Die Schweiz ist immer noch das beste Land, davon bin ich überzeugt. Und Norqain ist eine sportliche Uhr. Sport und Schweiz, das ist unsere Welt und deshalb auch unsere Marke.

Weltwoche: Nach welchen Prinzipien führen Sie Ihr Unternehmen?

Küffer: Ich gebe meinen Teammitgliedern sehr viel Eigenverantwortung. Ich sagte von Beginn weg, dass wir nur eine Chance haben, wenn wir nach Perfektion streben. Norqain ist ein challenger brand. Wir kommen aus dem Nichts und fordern den Markt heraus. Und dieser Spirit sollte auch bei den Mitarbeitern vorhanden sein. Sie sollten den Mut haben, anders zu denken, innovativ zu sein. Einfach die anderen nachzuahmen, gibt’s bei uns nicht. Wichtig für mich ist auch, dass ich bei den Mitarbeitern spüre, dass sie voll für das Unternehmen da sind. Ich glaube, mit Jüngeren geht das besser: Die wollen unbedingt etwas reissen. Und natürlich ist der Teamgeist sehr wichtig. Ich glaube, das habe ich beim Sport gelernt. Ich durfte oft Captain der Mannschaft sein. Da merkt man, dass man gut kommunizieren muss: nicht nur jenem, der drei Tore gemacht hat, auf die Schultern zu klopfen, sondern auch dem Verteidiger. Und ich versuche natürlich, so viel Know-how in die Firma zu holen wie möglich.

Weltwoche: Gibt es einen Schweizer Uhrenkönig, den Sie besonders bewundern?

Küffer: Es gibt bei mir drei Phasen: die Phase, in der mich mein Vater sehr inspiriert hat (Küffers Vater war Mitinhaber der Uhrenproduktionsstätte Roventa-Henex; die Red.). Ich sah als Bub, wie viel er arbeitete, wie er arbeitete und dass er die Uhrenbranche im Herzen trug. Später kam Breitling-Chef Teddy Schneider, der mich als 21-Jähriger unter seine Fittiche nahm. Er gab mir sehr viel Verantwortung. Und jetzt bei Norqain ist es Jean-Claude Biver, der sehr für die Kreativität und für Innovation steht. Er stiess 2020 zu unserem Unternehmen.

Weltwoche: Wie ist die Stimmung im internationalen Markt, was Schweizer Uhren betrifft?

Küffer: Noch ist sie exzellent. Wir müssen aber trotzdem aufpassen, dass wir die Schweizer Uhrentradition nicht aus der Hand geben, da alles unübersichtlicher geworden ist. Die Konkurrenz ist gross. Es gibt Marken, die online sehr präsent sind, die man aber im herkömmlichen Sinn nicht kennt. Für mich als Unternehmer geht es auch darum, in einer eher traditionellen Branche die jüngere Generation ebenfalls abzuholen. Und ich glaube, dazu können wir mit Norqain unseren Beitrag leisten.

Weltwoche: Weshalb fallen Armbanduhren nie aus der Zeit?

Küffer: Es ist das nachhaltigste Produkt! Mechanische Armbanduhren können Generationen überleben. Und sie sind so etwas Emotionales. Meistens steckt hinter einer Uhr ein spezielles Erlebnis: Sie war ein vielleicht ein Geschenk, oder es war ein besonderer Moment, als man die Uhr kaufte und so weiter. Bei jeder Norqain-Uhr kommt dazu, dass man sie gravieren lassen kann. Das Personalisieren ist sehr begehrt.

Weltwoche: Was ist das Wichtigste, um sich als Unternehmer durchzusetzen?

Küffer: Man muss immer wieder aufstehen. Auch bei Norqain haben wir x-mal aufs Dach bekommen. Klar, du darfst auch nicht zu stur sein. Wenn man immer wieder gegen dieselbe Wand läuft, muss man vielleicht etwas ändern. Aber die Widerstandsfähigkeit ist das Wichtigste.

Weltwoche: Und wie schafft man es, immer wieder aufzustehen?

Küffer: Man muss einfach klar wissen, was man will, eine Vision haben und definieren, wohin man will. Es gibt Leute, die haben einen Plan, aber keine Vision. Wenn man einfach einen Plan hat und er funktioniert nicht, muss man wieder ganz von vorne beginnen. Hat man aber eine Vision, gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen.

 

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