Im Autoland Schweiz kommt die Elektrifizierung des Individualverkehrs trotz über 200 E-Modellen auf dem Markt nur schleppend voran. 2024 sank der Anteil der Neuzulassungen von E-Autos im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozentpunkte auf 19 Prozent. Der letztjährige Nachfragerückgang ist die direkte Folge der erodierenden politischen Rahmenbedingungen: Anfang 2024 verteuerte der Bundesrat die E-Mobilität mit der Einführung einer 4-Prozent-Importsteuer – und erwies der Elektrifizierung der Automobilität einen Bärendienst. Dazu sind Bevölkerung und Unternehmen mit hohen Strompreisen von staatlichen Energiebetrieben und einem Mangel an Ladestationen am Arbeits- und Wohnort konfrontiert. Man fährt darum lieber mit dem alten Verbrenner weiter. Damit ist weder Wirtschaft noch Umwelt gedient.

 

Musterschülerin Bundesbern

Noch unter der Ägide der früheren Uvek-Vorsteherin, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, wurde in der Roadmap E-Mobilität ein 50-Prozent-Anteil an E-Autos formuliert. Im Kontrast dazu steht die heutige Marktrealität. Die Folge: Infolge des Deltas zwischen Wunsch und Wirklichkeit drohen der Schweizer Automobilwirtschaft Strafzahlungen von bis zu einer halben Milliarde Franken im laufenden Jahr. Damit stürzt man die Branche in eine Existenzkrise.

Die regulatorische Einpferchung der Automobilwirtschaft durch den Bund geht mit der anstehenden CO2-Verordnung deutlich weiter als im Ausland. Die Trump-Administration 2.0 lehnt jedwede Technologieverbote ab, auch die sonst für ihre Regulierungsfreude allseits kritisierte EU-Kommission lädt zum Automobilgipfel ein und überprüft ihre bisherige Politik. Selbst staatsgläubige französische Minister sprechen sich in Zeitungsbeiträgen gegen hohe Bussen für Hersteller beim Verfehlen von CO2-Grenzwerten aus. Offensichtlich wächst in den ausländischen Regierungszentralen die Einsicht, dass der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe nur unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten realisiert werden kann. Allein Bundesbern verharrt in der Rolle als Musterschülerin samt eigener «Swiss Finish»-Regulierung – und nimmt heftige gesamtwirtschaftliche Verwerfungen und den Abbau von Tausenden von Stellen samt Betriebsschliessungen in Kauf.

Netto null per sofort verkommt zur doktrinären klimapolitischen Wunschvorstellung. Bei 6,5 Millionen immatrikulierten Fahrzeugen ist der Weg zu emissionsfreien Antrieben ein Grand-Prix und kein Sprint von null auf hundert. Der flächendeckende Umstieg auf das E-Auto erfolgt nicht primär aufgrund klimapolitischer Motive, sondern aus Komfort- und Kostenvorteilen. Statt planwirtschaftliche sind liberale Ansätze gefragt. Hier sind noch etliche politische Hausaufgaben zu erledigen.

Zur Beschleunigung der Transformation und Senkung der Kaufpreise ist die sofortige Sistierung der Automobilsteuer auf den Import von E-Fahrzeugen politisches Gebot der Stunde. Geht man die Liberalisierung des Strommarkts zügig an, resultieren kostengünstigere Tarife für private Nutzer beim Heimladen (anstelle des heutigen Preisdiktats durch staatliche Gebietsmonopolisten) und am Arbeitsplatz. Dazu ist die Finanzpolitik gefordert: Grosszügige steuerliche Abzugsmöglichkeiten würden stärkere Anreize für Hauseigentümer, Arbeitgeber und Investitionswillige schaffen, Ladestationen einzubauen. Preistransparenz beim öffentlichen Laden würde einen funktionierenden Preiswettbewerb zwischen den Anbietern auslösen. Und schliesslich ist Technologieoffenheit nicht nur in der Energiepolitik, sondern auch im Wettbewerb um die besten emissionsfreien Antriebe gefragt. Denn über das Wissen, welche Technologie beim unbestrittenen Ziel der automobilen CO2-Neutralität obsiegen wird, verfügen weder Bundespolitik noch Bundesverwaltung.

 

Peter Grünenfelder ist Präsident von Auto Schweiz.