Die Autoindustrie erholt sich nur im Schritttempo von der Corona-bedingten Absatzkrise. Im April mussten die meisten Hersteller ihre Werke schliessen – inzwischen laufen die Bänder wieder, doch der Schweizer Automarkt verzeichnete im August den achten Minus-Monat in Folge, insgesamt wurden in den ersten acht Monaten 2020 rund 60 000 Autos weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum. «Wir befinden uns noch immer in der Corona-Starre», sagt Christoph Wolnik, Sprecher von Auto-Schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure. «Viele Kunden sind aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage nach wie vor zurückhaltend.»
Die gute Nachricht: Während der Gesamtmarkt per Ende August knapp 30 Prozent zurückliegt, haben die «Steckerautos» erstmals einen zweistelligen Marktanteil erreicht. Seit Anfang Jahr sind 8300 rein elektrisch angetriebene Autos (EV) und 6567 Plug-in-Hybride (PHEV) auf die hiesigen Strassen gerollt – das entspricht 10,5 Prozent des Gesamtmarktes. Die PHEV legten dabei um 221 Prozent zu, die EV um knapp 14 Prozent. Dieser Trend wird anhalten: Die Modelloffensive der Autohersteller rollt an, in den kommenden Monaten und Jahren wächst das Angebot an elektrischen Modellen fast exponentiell und könnte der Branche einen Wachstumsschub verleihen.
Der Sinneswandel zu Strom statt Benzin hat mehrere Gründe. In erster Linie zwingt der politische Druck die Autohersteller, elektrifizierte und elektrische Modelle auf den Markt zu bringen. Derzeit gilt in der EU und in der Schweiz der Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Das bedeutet: Von allen in einem Kalenderjahr verkauften Modellen eines Herstellers wird der Durchschnitt errechnet. Liegt dieser bei oder unter 95 Gramm, hat der Hersteller nichts zu befürchten. Für jedes Gramm darüber sind happige Bussen fällig. Erreichbar wird diese CO2-Limite nur mit elektrifizierten Modellen.
Doch nicht nur das Angebot wächst rasant, auch die Ladeinfrastruktur ist im stetigen Ausbau. Entlang der europäischen Autobahnen schiessen Schnellladestationen aus dem Boden, in vielen Ländern ist das Netz inzwischen flächendeckend. Noch gibt es dunkle Flecken an den Rändern Europas – doch auch hier arbeiten Anbieter, wie der von mehreren Autoherstellern gegründete Verbund Ionity, am Ausbau der Infrastruktur und daran, aus dem Elektroauto ein umfassendes Mobilitätskonzept zu machen. Denn moderne Batterie- und Ladetechnik ist ein Schlüssel: Von Grund auf als Elektrofahrzeug konzipierte Modelle mit ausreichend grossen Akkus nehmen den Kunden die sogenannte Reichweitenangst.
Das wachsende immer attraktiveres Produktangebot sowie eine stetig wachsende Ladeinfrastruktur: Das batterieelektrische Auto ist anscheinend unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Welche Hersteller den Markt dominieren, welche Produkte derzeit erhältlich sind und welche Modelle in naher Zukunft lanciert werden – eine Übersicht.
Unangefochtener Marktführer ist nach wie vor der relativ junge kalifornische Hersteller Tesla. Das Unternehmen von Tausendsassa Elon Musk hat seine Modelle von Grund auf als Elektroautos konzipiert, mit einer entsprechenden Architektur und Platz für grosse Batterien, einer ausgeklügelten Software und revolutionären Details. In der Schweiz ist das meistverkaufte E-Auto der Tesla Model 3, der ab 44 990 Franken erhältlich ist. In den ersten acht Monaten von 2020 liegt der Stromer mit 2190 verkauften Einheiten in den Verkaufs-Charts aller Fahrzeuge auf Rang vier, noch vor Marken wie Mercedes-Benz, Audi oder Volvo. Unter den Elektroautos ist der Abstand zur Konkurrenz markant: 2019 lag der Model 3 mit 5028 Einheiten ebenfalls auf dem vierten Gesamtrang – der nächste Verfolger, der einstige Überflieger Renault Zoe, kam auf Platz 55 nach. Im laufenden Jahr hat der Zoe dank neuer Modellversion (ab 28 100 Franken) aufgeholt, liegt aber immer noch deutlich hinter dem Tesla.
Die arrivierten Autohersteller mit einer viel komplexeren Angebotsstruktur als der Newcomer aus den USA haben zwar allein schon aufgrund ihrer relativen Grösse etwas Zeit gebraucht, doch inzwischen haben Marken wie Hyundai, Mercedes-Benz oder Kia konkurrenzfähige Modelle im Angebot. Der erste Tesla-Verfolger ist inzwischen der Volkswagen-Konzern: Die Wolfsburger haben Milliarden in eine modulare Plattform für Elektrofahrzeuge (MEB) investiert. Auf dieser Basis können nun quer durch die Konzernmarken E-Autos in allen Segmenten auf den Markt gebracht werden – und das in einem erstaunlichen Tempo. Bis 2022 wollen VW, Audi, Seat und Skoda 27 MEB-Modelle in Produktion haben. Soeben kam mit dem VW ID.3 (ab 39 450 Franken) das erste davon auf den Markt, bereits in der Pipeline sind Modelle wie der ID.4, der Skoda Enyaq iV oder der Cupra el-Born. Auch General Motors hat eine modulare Elektroplattform entwickelt und wird darauf diverse Modelle verschiedener Marken aufbauen. Der Gigant aus den USA wird damit in Zukunft ebenfalls grosse Volumen im Elektromarkt generieren. Die wenigsten dieser Modelle werden es allerdings nach Europa schaffen – angekündigt ist bisher lediglich der Cadillac Lyriq (ab 2022).
Die Elektrifizierung des Automobils bietet neue Chancen und damit eine ideale Grundlage für neue Hersteller. Volvo gründete zu diesem Zweck die Tochtermarke Polestar. Das erste Elektroauto der Marke ist bereits lanciert: Der Polestar 2 ist eine schicke Limousine mit einer maximalen Reichweite von 470 Kilometern, die mit einem Preis ab 57 900 Franken auch auf dem Schweizer Markt attraktiv ist. Citroën hat bereits 2009 die Untermarke DS Automobiles für höherpreisige Modelle gegründet. Mit dem DS 3 Crossback E-Tense haben die Franzosen kürzlich einen Elektro-Crossover mit einer WLTP-Reichweite von 320 Kilometern und einem Basispreis von 45 890 Franken zu den Händlern gebracht. Auch Seats sportliche Tochter Cupra wird sich vermehrt auf E-Autos fokussieren: Mit dem Cupra el-Born steht ein Ableger des VW ID.3 in den Startlöchern. Im Hintergrund lauern mehrere Start-ups aus China, allen voran die Marke Byton. Welche dieser interessanten Hersteller wann den Sprung in die Schweiz schaffen werden, ist noch völlig offen.
Neben den Leadern Tesla und Renault sind aber auch andere Hersteller schon länger im Segment der E-Autos vertreten. Der Nissan Leaf ist bereits seit zehn Jahren auf dem Markt und war einst das meistverkaufte Elektrofahrzeug Europas. Der Japaner schafft in der Basisversion bis zu 270 Kilometer, zu einem Preis ab 34 790 Franken. Etwa gleich alt ist das technisch baugleiche Trio aus Mitsubishi i-MiEV, Citroën C-Zero und Peugeot iOn, die trotz veralteter Technik in der Schweiz nach wie vor angeboten werden. BMW brachte 2013 den i3 auf den Markt mit einer revolutionären Form und aufwendigem Leichtbau. Das Modell ist in überarbeiteter Version noch immer auf dem Markt, bis Ende letzten Jahres wurden weltweit rund 165 000 Stück davon abgesetzt. Zu den Pionieren zählen auch der Opel Ampera (2012 bis 2016) respektive seit 2016 der Ampera-e, und natürlich hatten auch Hersteller wie VW, Ford oder Mercedes-Benz früh elektrisch angetriebene Modelle im Angebot – allerdings konnten diese von bestehenden Autos abgeleiteten Fahrzeuge kein Massenpublikum begeistern.
Die Bauform SUV ist für viele Autofahrer nach wie vor attraktiv. Klein, kompakt oder riesig – die Fahrzeuge mit guter Übersicht und oft mit Allradantrieb sind weltweit stark gefragt. SUVs mit Elektroantrieb haben also beste Erfolgschancen, entsprechend schnell wächst das Angebot. Der Hyundai Kona electric hat den Weg geebnet, gefolgt sind Jaguar I-Pace, Audi e-tron sowie der Mercedes-Benz EQC. Neu auf dem Markt sind der Peugeot e-2008, der Mazda MX-30 oder der Volvo XC40 Recharge. 2021 wird Opel den elektrischen Mokka zu den Händlern bringen. BMW wird mit dem iX3 eine elektrische Variante des Topsellers X3 und mit dem Vision iNext einen grossen SUV mit Elektroantrieb lancieren. Audi bringt den Q4 e-tron, VW den ID.4, und Skoda dürfte mit dem Enyaq iV einen Bestseller im Angebot haben. Auch Ford hat mit dem Mustang Mach-E ein Highlight entwickelt, während Nissan den Crossover Ariya und Cadillac den Lyriq auf die Markteinführung vorbereitet. Und die Welt wartet auf den Tesla Model Y: Der Kompakt-SUV basiert auf dem Model 3 und dürfte ebenfalls eine Spitzenposition einnehmen.
Die Fachwelt ist sich nicht einig, ob die E-Mobilität bei den kleinen, leichten oder bei den grossen, schweren Fahrzeugen mehr Sinn macht – jedenfalls wächst auch bei den Kleinen das Angebot munter. Neben zahlreichen Exoten von Nischenherstellern waren es die Drillinge VW e-Up, Seat Mii electric und Skoda Citigo e iV oder der elektrische Smart, die vorne weggezogen sind. Heute sorgen in diesem Segment schicke Lifestyle-Flitzer wie der Honda e (ab 39 900 Franken), der Mini Cooper SE (ab 39 900 Franken), das technisch baugleiche Duo Opel Corsa-e und Peugeot e-208 (ab 35 540 respektive 34 350 Franken) und schliesslich der Fiat 500e (ab 36 990 Franken) für gute Laune. Dacia wird bald den Spring lancieren – dieser preiswerte Mini-SUV dürfte am Markt gute Chancen haben, genauso wie die Elektrovariante des Renault Twingo, die ebenfalls für 2021 erwartet wird. Und noch eine Nummer kleiner hat Citroën den minimalistischen Ami parat. Ob es der als vierrädriges Motorrad zugelassene Knirps, der in Frankreich bereits ab 6000 Euro zu haben ist, in die Schweiz schafft, ist aber noch offen.
Der Elektroantrieb eignet sich hervorragend für sportliche Fahrzeuge. Zwar sind E-Autos wegen der Batterien deutlich schwerer als solche mit Verbrennungsmotor. Doch da die Akkus im Boden verbaut werden, sinkt der Schwerpunkt, und die optimale Gewichtsverteilung auf Vorder- und Hinterachse ist einfacher zu erreichen, was das Handling wesentlich verbessert. Da E-Motoren ein höheres Drehmoment entwickeln und dieses aus dem Stand verzögerungsfrei bereitstellen, hat sich punkto Fahrleistung ein neues Feld aufgetan. Porsche hat mit dem Taycan einen massentauglichen Elektrosportwagen zu Preisen ab 129 100 Franken auf den Markt gebracht – in der Schweiz fand er seit seiner Lancierung Anfang Jahr 274 Abnehmer. Im Vergleich dazu: Vom kompakten Boxster wurden im gleichen Zeitraum 121 Stück verkauft. Noch gibt es kaum Konkurrenz für den Taycan: Aston Martin hat seine Elektropläne verschoben, und Ferrari-Fahrer müssen noch bis 2025 warten, falls sie sich auf ein schnelles Elektroauto aus Modena gefreut haben. Für anspruchsvolle Kunden gibt es dafür eine Reihe exotischer Hypercars wie den Lotus Evija, den Rimac C Two oder den Pininfarina Battista – Kleinserienfahrzeuge zu Preisen im deutlich siebenstelligen Bereich. Einige sportliche Stromer zu nicht ganz so sportlichen Preisen sind aber angekündigt: etwa der i4 von BMW, die Elektroversion des Audi R8 und natürlich der neue Tesla Roadster, der ab 2022 ausgeliefert werden soll.