Edinburg

Vor einigen Wochen postete ich auf Twitter ein Foto von mir, auf dem ich ein T-Shirt mit der Parole «Nicola Sturgeon – Zerstörerin von Frauenrechten» trage. Auf diese Weise wollte ich meine Solidarität mit den Frauen zum Ausdruck bringen, die vor dem schottischen Parlament gegen die angestrebte Reform des Transgender-Gesetzes protestierten.

Schottinnen müssen mutig sein, wenn sie heutzutage für ihre Rechte eintreten – natürlich nicht annähernd so mutig wie die Frauen in Iran, die gegenwärtig ihre Stimme erheben, aber trotzdem. Sie müssen damit rechnen, dass sie von Aktivisten attackiert werden, dass Anzeige gegen sie erstattet wird und sie sogar eine Zeitlang inhaftiert werden, weil sie Kommentare oder Fotos gepostet haben, die von ihren Kritikern als «transphob» angesehen werden.

«Wahre Feministin»

Die ehemalige schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon findet, dass die Frauen, die vor dem Parlament demonstrierten, keinen Grund für ihren Protest haben. Die Frau, die sich als «wahre Feministin» bezeichnete, erklärte gegenüber der BBC, dass der Entwurf des neuen Transgender-Gesetzes «Transpersonen keine zusätzlichen Rechte gibt und Frauen keine Rechte wegnimmt».

Das sehe ich anders. Tritt Sturgeons Gesetzesentwurf in Kraft, wird jede Person ihren Geschlechtseintrag ändern können, sofern sie mindestens drei Monate in ihrem gewählten Geschlecht gelebt und rechtsverbindlich erklärt hat, dass sie an ihrer Geschlechtszugehörigkeit festhalten will. Bemerkenswerterweise kann niemand sagen, was «in einem gewählten Geschlecht leben» tatsächlich bedeutet, weshalb völlig unklar ist, wie diejenigen, die die entsprechenden Dokumente ausstellen, beurteilen können, ob die Kriterien erfüllt sind.

Nach dem bislang geltenden Gesetz muss bei denjenigen, die ihr Geschlecht ändern wollen, Genderdysphorie diagnostiziert worden sein, das heisst, wenn sie andauernde Probleme mit dem bei der Geburt festgestellten Geschlecht haben. Doch in Sturgeons Gesetzesentwurf ist ärztliche Begleitung nicht mehr vorgesehen. Das dürfte auf den starken Druck der Transaktivisten-Lobby zurückzuführen sein, die eine Entpathologisierung von Transidentitäten fordert. Ihr Argument lautet, dass Transpersonen nicht psychisch krank seien – Transsexualität sei genauso natürlich wie Homosexualität. Rachel Cohen, Kampagnendirektorin von Stonewall (die bekannteste und bedeutendste Organisation von Lesben, Schwulen und Bisexuellen im Vereinigten Königreich), schrieb 2017: «Trans-Sein hat nichts mit Geschlechtsumwandlung oder Kleidung zu tun, es geht um ein angeborenes Ichgefühl.» Stellt sich die Frage, wie man die Echtheit des angeborenen Ichgefühls eines anderen Menschen beurteilen will. Ich weiss es nicht.

Nicola Sturgeon ignoriert die Bedenken, ihr Gesetz könnte Missbrauch Tür und Tor öffnen.Bald könnte es in Schottland einfacher sein, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zu ändern als die betreffende Angabe im Reisepass. Männliche Personen, die die wenigen Voraussetzungen erfüllen, werden dann den gleichen Schutz beanspruchen können wie diejenigen, die sich einer kompletten chirurgischen Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, und mehr Individuen mit männlichem Körper werden nachdrücklicher das Recht beanspruchen, sich in Frauenräumen aufzuhalten, wie etwa öffentlichen Toiletten, Umkleidekabinen, Frauenhäusern, Krankenstationen und Frauengefängnissen.

2019 ergab eine Anfrage der Sunday Times beim Justizministerium, dass fast 90 Prozent aller in Umkleidekabinen verübten Sexualdelikte in Unisex-Räumen verübt wurden. Trotzdem ignoriert Sturgeon die Bedenken all jener, die befürchten, ihr neues Gesetz könnte Missbrauch Tür und Tor öffnen. «Es sind Männer, die Frauen angreifen [darum sollten Feministinnen sich kümmern], und darauf müssen wir uns konzentrieren, statt eine winzig kleine Gruppe in unserer Gesellschaft weiterhin zu stigmatisieren und zu diskriminieren, die ohnehin unter besonderer Stigmatisierung zu leiden hat.»

Proportional grösser

Sturgeon operiert hier mit drei Argumenten, die bei Transaktivisten beliebt sind. Das erste lautet, dass Transfrauen überaus vulnerabel seien, deutlich stärker als biologische Frauen. Und das, obwohl in Schottland bislang keine Transfrau ermordet wurde, wohingegen zwischen 2009 und 2019 112 Frauen in Schottland von Männern ermordet wurden.

Das zweite Argument lautet, dass Männer, die sich umwandeln lassen, für Frauen keine Gefahr darstellen – als einzige Kategorie von Menschen, die als Männer geboren wurden.

Doch es gibt keinerlei Beweise dafür, dass Transfrauen nicht männliche Kriminalitätsmuster beibehalten. Laut Jo Phoenix, Professorin für Kriminologie an der University of Reading, ist das Geschlecht «der stärkste einzelne Prädiktor von Kriminalität und Kriminalisierung. Seit der Einführung der Kriminalstatistik (in der Mitte der 1850er) sind etwa 80 Prozent der verurteilten Straftäter Männer. Gewaltverbrechen werden überwiegend von Männern begangen . . . Das gilt auch unabhängig von der erklärten Geschlechtszugehörigkeit.» Zahlen des Justizministeriums belegen, dass der Anteil wegen Sexualstraftaten verurteilter Transfrauen proportional grösser ist als jener aller männlichen Strafgefangenen.

Beruf und Status als Tarnung

Sturgeons drittes Argument lautet, dass es transphob sei, Männern zu unterstellen, sie wollten sich eine weibliche Identität erschleichen. Das ist eine merkwürdige These. Nur sehr naive Menschen können die Augen davor verschliessen, dass sexuell übergriffige Männer keine Mühe scheuen, um leichten Zugang zu Opfern zu finden, und sie oft einen Beruf oder besonderen Status gewählt haben, der ihnen dabei als Tarnung dient. Unter Sozialarbeitern, Lehrern, Pfarrern, Ärzten, Babysittern, Hausmeistern an Schulen, Promis und Spendensammlern von Wohltätigkeitsorganisationen finden sich regelmässig Sexualstraftäter. Aber es können noch so viele Skandale ans Tageslicht kommen – die Lektion wird nicht gelernt: Keine Gruppe von Menschen hat eine pauschale Unschuldsvermutung verdient. Übrigens sind Gefängnisse der perfekte Ort, um das wahre Ich zu entdecken: Die Hälfte der Strafgefangenen in Schottland, die gegenwärtig eine Transidentität beanspruchen, haben sich dazu nach ihrer Verurteilung entschlossen.

Es sollte nicht extra betont werden, aber im gegenwärtigen Klima möchte ich doch feststellen: Keine einzige Feministin, der ich begegnet bin, behauptet, dass alle Transfrauen übergriffig sind, so wie niemand behauptet, dass alle Männer übergriffig sind. Wie ich öffentlich bereits erklärt habe, sind manche Transpersonen wirklich vulnerabel. Aber darum geht es nicht.

Ich habe mich in den vergangenen 25 Jahren für Frauen und Kinder eingesetzt und Hilfskampagnen finanziell unterstützt. Darunter waren Projekte für weibliche Strafgefangene, Kampagnen für die Rechte alleinerziehender Mütter, die Finanzierung sicherer Orte für Opfer von Vergewaltigung und männlicher Gewalt sowie des Kampfes gegen die Institutionalisierung von Kindern. Und ich habe viel von Experten gelernt über Schutzmassnahmen für vulnerable Kinder in Institutionen, die oft missbraucht und Opfer von Menschenhändlern werden, und für sexuell missbrauchte Frauen.

Keine Gruppe von Menschen hat eine pauschale Unschuldsvermutung verdient.Ich sage das alles, um klarzustellen, dass mein Interesse an Fragen der Sicherheit von Frauen und Kindern nicht vorgetäuscht ist, um damit eine tiefsitzende Feindseligkeit gegenüber Transmenschen zu kaschieren. Für mich und alle mir bekannten Feministinnen stellt sich die Frage, wie wir Sicherheit für Transmenschen erreichen können, ohne dass Frauen und Mädchen dadurch weniger sicher sind.

Eines der schlimmsten Dinge, die ich über das Beratungsverfahren im Zusammenhang mit Sturgeons Gesetzesentwurf gehört habe, ist folgendes: Murray Blackburn Mackenzie, ein unabhängiges Frauenkollektiv, hat fünf weibliche Überlebende von männlicher Gewalt benannt, die bereit waren, mit dem Ausschuss zusammenzukommen und darüber zu berichten, was ihnen widerfahren ist, welche massiven Auswirkungen dies auf ihr Leben hat und warum sie befürchten, dass es für gewalttätige oder übergriffige Männer leichter sein wird, Zugang zu Frauen und Mädchen zu bekommen. Der Ausschuss lehnte ein Treffen mit den fünf Frauen ab und forderte sie auf, ihr Anliegen schriftlich zu unterbreiten. Susan Smith, eine der Gründerinnen von For Women Scotland, berichtete mir: «Diese Frauen waren bereit, über ihre Traumata zu berichten, und erhielten eine Abfuhr.» Der Ausschuss fand jedoch die Zeit für ein Zusammentreffen mit siebzehn Transpersonen.

Andrea Dworkin (eine amerikanische radikalfeministische Schriftstellerin und Aktivistin, d. Red.) schrieb 1983: «Ganz gleich, wie oft diese Geschichten erzählt werden, mit welcher Klarheit oder Eloquenz, mit wie viel Bitterkeit oder Schmerz, man könnte sie genauso gut in den Wind flüstern oder in den Sand schreiben: Sie verschwinden, als wären sie nichts. Die Berichterstatter und ihre Berichte werden ignoriert oder lächerlich gemacht, zum Schweigen gebracht oder zerstört, und die Erfahrung weiblichen Leidens wird begraben in kultureller Unsichtbarkeit und Verachtung [. . .] Der reale Missbrauch, den Frauen erfahren, wird geleugnet, trotz seiner überwältigenden Allgegenwart und Beständigkeit.»

Sie machte auf mich einen etwas psychotischen Eindruck, als ich sie damals in Genf zu einem Kaffee traf. Ihr dominantes Auftreten wirkte etwas gekünstelt. Als ein Kellner sie unhöflich bediente, fiel die dominante Fassade in sich zusammen, und sie war sehr verletzt und fluchte über ihn. Es scheint mir, dass sie in ihrem Leben von Männern schlecht behandelt wurde und jetzt auf einem Rachefeldzug gegen Männer ist. Das ist keine gute Basis für eine natürliche Beziehung.

Hinter Männergefühlen zurückstehen

Fast vierzig Jahre später sagt die ehemalige Frauengefängnisdirektorin Rhona Hotchkiss, dass vulnerablen Frauen in Schottland erklärt werde, «ihre Sorgen, ihre Ängste, ihre Verzweiflung müssen hinter den Gefühlen von Männern zurückstehen, die sich als Frauen identifizieren. Politiker, die behaupten, dass es keinen Konflikt von Rechten gibt, haben keine Vorstellung vom Leben von Frauen in Situationen, die sie nie erleben werden.»

In der Politik kommt es nicht oft vor, dass man mühelos eine direkte Verbindung zwischen einer Entscheidung und dem herbeigeführten Schaden ziehen kann, aber in diesem Fall ist das so. Sollte eine Frau oder ein Mädchen infolge der laxen neuen Bestimmungen der schottischen Regierung Voyeurismus, sexuelle Belästigung, Übergriffigkeit oder Vergewaltigung erleben, werden diejenigen in Holyrood die Schuld tragen, die Sicherheitsexperten und Vertreter von Frauenkampagnen ignoriert haben.

Vor allem aber sollte die Erste Ministerin zur Verantwortung gezogen werden, die «wahre Feministin», die sich unbekümmert über die Rechte von Frauen und Mädchen hinwegsetzt.

Dieser Artikel ist in der Sunday Times Scotland erschienen.

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork