Die Nutzfahrzeugbranche befindet sich in einem grossen Umbruch. Sehr ambitiöse, gesetzlich vorgeschriebene Reduktionsschritte für die Emissionen lassen die Lastwagenhersteller in Europa grosse Mittel in elektrifizierte Antriebe investieren. Das bringt es mit sich, dass das Angebot an Elektrolastwagen mit Batteriespeicher zurzeit stark wächst und dass neben den bereits erhältlichen Fahrzeugen bis Ende Jahr bei sämtlichen OEM modernste E-LKW vom Serienband laufen werden. Dazu kommen auch neue Player, wie der chinesische Hersteller BYD oder der bislang für Busse bekannte spanische Hersteller Irizar (siehe zur Story). Für Transportunternehmen und Logistiker ist es demnach bald kein Problem mehr, den passenden elektrischen Lastwagen zu finden. Die wachsende Auswahl hat zudem deutliche Auswirkungen auf die Preise der Fahrzeuge, bringt diese spürbar ins Rutschen.

Trotz dem Fortschritt, der beim E-Auto und bei dessen Ladeinfrastruktur über die vergangenen Jahre gemacht wurde, steht die Branche beim schweren elektrischen Nutzfahrzeug heute praktisch am gleichen Punkt wie vor zehn Jahren beim Auto. Und man stellt die gleiche zentrale Frage nach dem Laden erneut. Das liegt einerseits daran, dass Lastwagenbatterien eine gegenüber dem PW drei bis zehn Mal grössere Kapazität haben. Andererseits sind Lastwagen Arbeitsinstrumente, die nicht die meiste Zeit irgendwo auf einem Parkplatz stehen, sondern unterwegs sein müssen. Dies beschäftigte auch Martin Lörtscher, CEO der Hugelshofer-Gruppe in Frauenfeld.

Lastwagenbatterien haben gegenüber dem PW eine drei bis zehn Mal grössere Kapazität.Das mit 200 Lastwagen als mittelständisch geltende Unternehmen hat sich schon länger klare Nachhaltigkeitsziele gesteckt. Unter anderem soll bis im Jahr 2028 ein Drittel des Fuhrparks – konkret siebzig Fahrzeuge – batterieelektrisch angetrieben sein. Erste diesbezügliche Schritte unternahm man bereits im Jahr 2019 mit einem im Retrofit elektrifizierten MAN-Sattelschlepper. 2022 kam der erste von Designwerk (DW) gebaute Elektro-LKW dazu, wobei es bei Designwerk vor allem Volvo-LKW sind, die im Retrofit-Verfahren elektrifiziert werden. Ende 2023 waren es bereits gegen fünfzehn E-Trucks, darunter auch erste Serien-E-Lastwagen von Renault Trucks und Volvo Trucks. Auch die restlichen zwei Drittel der Flotte sollen gemäss Martin Lörtscher sukzessive dekarbonisiert werden: «Hierbei bleiben wir technologieoffen. Vielleicht werden es weitere batterieelektrische LKW sein, vielleicht auch Brennstoffzellen-Lastwagen oder was sich in den kommenden Jahren zu etablieren vermag.»

 

Am Anfang war das Laden

Bei der Hugelshofer-Gruppe, wo die Reduktion der Emissionen seit vielen Jahren mehrschichtig und mit Nachdruck angegangen wird, wurden nicht einfach mal ein paar Elektro-Trucks geordert. Lange vor dem Eintreffen der ersten DW-Lastwagen wurde das Thema Laden ernsthaft erörtert. «Für uns war klar, dass die geplante Flottenumstellung eine professionell ausgearbeitete Ladeinfrastruktur benötigen würde», sagt Martin Lörtscher.

Es war das Bewusstsein um den Strombedarf von E-LKW, der die Verantwortlichen überzeugt hatte, dass hier das Improvisieren keine Lösung sein würde. Vor der Elektrifizierung betrug der jährliche Stromverbrauch bei Hugelshofer etwa 300 000 kWh/Jahr, hingegen beträgt er bei beispielsweise zwanzig E-Trucks rund 2,75 GWh/Jahr, also das neunfache. Und für die anvisierten siebzig Elektro-Trucks werden es rund 9,63 GWh/Jahr sein – ein um den Faktor 32 erhöhter Strombedarf.

Bis 2028 soll ein Drittel des Fuhrparks batterieelektrisch angetrieben sein.

Als Grundsatz stellt man bei Hugelshofer aufs Schnellladen ab. «Das ist nötig, denn wir fahren für unsere Transportaufträge praktisch rund um die Uhr», sagt Martin Lörtscher. Anders planen können diesbezüglich Firmen, die keine Nachteinsätze fahren. Nach intensiver Vorberatung mit ausgewählten Projektspezialisten wurde Anfang 2021 mit der Projektierung eines Ladeparks mit Solar-Truckport begonnen.

Das Projekt steht heute praktisch vor der Vollendung, und es baut auf fünf Standbeine auf: Energie- und Lademanagement, neue Trafostation, Schnellladesäulen, Solaranlage und umfangreiche Tiefbauarbeiten für Stromleitungen, Wasserauffangbecken und Fundamente. Um die vierzehn projektierten Schnellladestationen mit Solarstrom zu speisen, wird der firmeneigene LKW-Parkplatz mit Fotovoltaik-Paneelen überdacht und Solarpaneele werden auf den Firmengebäuden installiert (insgesamt rund 1 MW Peak-Leistung).

 

Konstruktive Zusammenarbeit

Besonders zu Beginn zeigten sich aber Probleme. «Wir mussten feststellen: In jedem einzelnen Bereich fehlt die Erfahrung mit E-Lastwagen», so Lörtscher. Es gibt kein Energie- und Lademanagement für die anvisierte Grössenordnung, es war noch nie ein Solarport mit LKW-tauglicher Spannweite und Bauhöhe gebaut worden, und Fastcharger wurden bislang erst im PW-Einsatz wirklich erprobt. «Doch wir haben für jeden Aspekt eine interessierte Firma gefunden, welche die Herausforderung als Investition in die eigene Zukunft betrachtete.» Auch anderweitig wähnt sich Lörtscher in einer glücklichen Lage, denn die rasche Projektumsetzung wurde durch die konstruktive Zusammenarbeit mit dem städtischen Stromversorger Thurplus und der Stadtverwaltung Frauenfeld begünstigt.

 

Solarstrom für zwanzig Lastwagen

Mit den ersten DW-Lastwagen zeigten sich bereits im Jahr 2022 die Schwächen bestehender Schnellladesäulen mit E-LKW. Die damals benutzte 360-kW-Säule hielt dem Hochleistungsdauerladen nicht stand und konnte bereits nach einer halben Stunde nicht mehr die nominelle Ladeleistung der Designwerk-Lastwagen (Batteriekapazität 900 kWh) erbringen – die Leistungskurve fiel stark ab. Entsprechend war der E-LKW nicht nach den eigentlich zu erwartenden zweieinhalb, sondern erst nach fünf und mehr Stunden geladen. «Beim PW mag das ja noch toleriert werden, aber bei uns werden die Säulen stundenlang unter Vollleistung laufen müssen», sagt Lörtscher.

Säulenlieferant Kostad, der sich vor allem auf den Betrieb von schweren E-Nutzfahrzeugen spezialisiert hat, reagierte prompt und besserte nach. Auch das flüssigkeitsgekühlte Ladekabel der Säule kam beim Hochleistungsdauerladen an thermische Grenzen, und Kabelspezialist Huber+Suhner, Herisau, versah sie mit einer neuen Kühlung. So hat Kostad – übrigens ebenfalls in Frauenfeld zu Hause – nun eine Fastcharger-Säule zur Hand, welche die Firma im E-LKW-Markt auf Poleposition bringt.

Die Firma Ampere Dynamic aus Zürich sieht den Truckport bei Hugelshofer als Proof of Concept für die kostengünstige Solarüberdachung von Park- und Logistikflächen. Eine solche wird in der Schweiz von Gesetzes wegen in wenigen Jahren Vorschrift sein. Herausfordernd waren dabei der grosse Säulenabstand von beinahe zwölf Metern und die dadurch nötige, grosse Unterkonstruktion der Solarpaneele sowie die Dimensionierung der Fundamente.

Erstmals in der Firmengeschichte wird ein Teil des Treibstoffs selber hergestellt.Mit dem Solarstrom wird der autarke Betrieb von etwa zwanzig E-Lastwagen möglich. Dazu Martin Lörtscher: «In der 146-jährigen Firmengeschichte stellen wir in der Hugelshofer-Gruppe damit zum ersten Mal einen Teil des Treibstoffs selbst her.» Doch dabei muss die Steuerung von Solarstrom, Stromnetzbezug und Betrieb der Ladesäulen fein austariert sein, damit sie in einem guten Gleichgewicht zueinander stehen. Martin Lörtscher: «Für Infrastruktur und Lastwagen lassen sich inzwischen relativ einfach Lösungen finden, das hat sich im Verlauf unseres Projektes gezeigt. Das Lade- und Energiemanagement hingegen ist der Knackpunkt.» Es gibt dafür nichts ab Stange zu kaufen, und es fehlt an Grundlagen, um mit den grossen Schwankungen im Zusammenhang mit E-LKW und Solarstrom umgehen zu können.

 

Wertvolle Hinweise

Deshalb bleibt das Energiemanagement auch nach der Inbetriebnahme des Solar-Truckports eine Top-Priorität. «Meine Mitarbeiter und unser Stromlieferant BKW arbeiten seit Anfang Jahr eng zusammen, damit die täglich von der BKW benötigte Strombedarfsansage möglichst genau ausfällt.»

Nach intensiver Planung stehen die aufwendigen Bauarbeiten nun vor ihrem Abschluss. «Ende April werden wir so weit sein», freut sich Martin Lörtscher. Dann wird der innovative Ladepark bei der Hugelshofer Transport AG in Betrieb gehen. Und wird anderen Transporteuren wertvolle Hinweise für ihre Umstellung auf die emissionsfreie Logistik bieten können.