Es geschah vor einigen Jahren, als die damalige Umweltministerin Doris Leuthard (CVP) im Bundesratsjet zu einer beispiellosen Propagandareise nach Grönland aufbrach. Der einzige Zweck der Reise war, sich als Retterin des Klimas auf einem Grönland-Gletscher in Szene zu setzen.
Leuthards Trip steht exemplarisch für die doppelbödige Moral der Landesregierung beim Thema Klimaschutz. Den Leuten will man mit verteuerten Tickets das Fliegen austreiben, selbst benutzt man aber sogar für Dienstreisen im Inland gerne den Lufttransportdienst des Bundes, wie die der Weltwoche vorliegende Flugstatistik der Eidgenossenschaft aufzeigt.
Den Bundesräten steht dafür eine breite Auswahl an Fluggeräten zur freien Verfügung: Falcon, Citation, PC-24 und Challenger bei den Fliegern, Eurocopter und Super Puma bei den Helis. Der Top-Flieger im Bundesrat ist dabei Ignazio Cassis (FDP), als Aussenminister sozusagen von Amtes wegen. Er sass 2020, obwohl wegen der Corona-Pandemie wenig Arbeitstreffen im Ausland stattfanden, 54 Stunden im Bundesratsjet. Im ersten Halbjahr 2021 waren es 64 Stunden.
Das ist weniger als auch schon. Zum Vergleich: 2019, also vor Corona, war Cassis 156 Stunden unterwegs. Hinter dem Tessiner benutzten 2020 und 2021 Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Finanzminister Ueli Maurer, beide SVP, häufig den Luftweg. Abgeschlagen folgt hinter dem Trio Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP).
Bei den Heli-Flügen sieht es anders aus. Diese sind besonders verpönt, weil sie im Inland stattfinden und eine Stunde im Super Puma über 10 000 Franken kostet. Kein anderer Bundesrat war 2019 und 2020 mehr mit dem Helikopter unterwegs als Alain Berset (SP): fast 50 Stunden. Im ersten Halbjahr 2021 ist er mit 12 Stunden bereits wieder vorneweg. Meistens bucht er die teuerste Maschine, den Super Puma.
Es gibt neben dem SP-Bundesrat einen weiteren Heli-Fan in der Landesregierung: Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP). Er war im vorigen Jahr mit 17 Stunden fast gleich lang mit dem Eurocopter und Super Puma unterwegs wie Berset. Auch als Verteidigungsminister flog Parmelin gerne und viel in Armee-Helikoptern. Er liess sich sogar zu Hause in Bursins abholen. Ähnliche Geschichten hört man von Berset, der zu einer Parteiversammlung in Baselland im Heli anflog.
Leuthards Nachfolgerin im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, würde zwar nicht nach Grönland fliegen, um sich auf einem Gletscher in Pose zu werfen. Aber auch sie hat ein unverkrampftes Verhältnis zu Düsenjet und Helikopter. In ihrem ersten Jahr im Umweltdepartement, 2019, flog sie mit dem Eurocopter zu einem Besuch des Städtetages in Chur.
Das war zwar ihr einziger Heli-Flug in diesem Jahr, aber bei ihr schaut man genauer hin, weil sie sich gern von Medien begleiten lässt, wenn sie mit der Bahn zu einem Treffen anreist. Fairerweise muss man sagen, dass sie den Heli seither nicht mehr benutzt hat. Dafür hat sie bei Flugzeugen weniger Berührungsängste. 2019 war Sommaruga fast 32 Stunden mit dem Flugzeug auf Reisen, so viel wie keine andere Bundesrätin.
Anders als zu Zeiten einer Ruth Metzler (CVP), die als Rekordfliegerin in die Geschichte einging, oder einer Doris Leuthard, die mit unsinnigen Propagandaflügen Furore machte, gehen die gegenwärtigen Bundesrätinnen bei der Nutzung von Flugzeug und Heli etwas verantwortungsvoller um. So nutzt Viola Amherd (Mitte) als Verteidigungsministerin die Maschinen ihrer Lufttransportdienste so selten, dass man sich fragt, ob sie gar unter Flugangst leidet.
Interessant: Ausser Sommaruga hat nur Finanzminister Ueli Maurer 2020 und 2021 nie einen Hubschrauber benutzt. Der SVP-Bundesrat fliegt wegen des Lärms nicht gerne mit dem Heli.
Es scheint, als würden inzwischen Spitzenbeamte der Departemente häufiger ins Flugzeug steigen als ihre Chefinnen und Chefs. So flogen die Spitzenfunktionäre des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) 2020 fast 190 Stunden mit den Maschinen der Lufttransportdienste in der Welt herum. Die Spitzenkader des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) waren 2018 fast 235 Stunden in der Luft. Und dann gibt es noch die Parlamentsdienste, sie haben den Bundesratsjet im Jahr 2020 12 Stunden und in diesem Jahr 15 Stunden benutzt. Unter anderem flog Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP) mit einer Delegation nach Burkina Faso.
Tendenziell fliegen die Bundesräte seit drei Jahren etwas weniger in der Weltgeschichte herum. Interne Turbulenzen wegen der Nutzung der Fluggeräte gibt es inzwischen auch fast keine mehr. Der letzte Zwischenfall datiert aus dem Jahre 2018. Leuthard wollte damals nach einem Auftritt im Tessin auf dem Luftweg nach Bern zurückkehren und hatte die Falcon dafür gebucht. Cassis, der ebenfalls im Südkanton weilte, bat die Aargauerin um eine Mitfluggelegenheit. Aber als sich Leuthard etwas verspätete, hob Cassis ohne sie ab.