Schon 2020 war klar: netto null CO2 war bis 2050 unmöglich, bis 2100 aber kein Problem – dank Preiszerfall von Solarstrom in Südländern und technischem Fortschritt bei CO2-Abscheidung, -Wiederverwertung und -Endlagerung. So steuerte die Welt auf drei Grad Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung zu, also auf zusätzliche 1,5 Grad ab 2024. Zuerst wurde noch diskutiert, die Lichtreflexion durch künstliche Aufhellung von Wolken zu erhöhen und so die Erwärmung zu bremsen. Obwohl das billig und die Risiken klein gewesen wären, wurde darauf verzichtet. Denn die Anpassung ans Klima wurde als noch einfacher angesehen, zumindest im Vergleich zu den Herausforderungen durch KI, Migration, Verschuldung, Alterung, Autokraten et cetera.

So wurden Klimaanlagen für die Alten zur subventionierten Pflicht. Sie freuten sich. Da der Strompreis im Sommer zumeist negativ war, verdienten sie damit viel Geld.

So starb die Klimapanik. Dafür kam die Artensterbepanik. Die Guten bekämpften alles, was gute Arten bedrohte: Neophyten (zugewanderte Pflanzen), Neozoen (zugewanderte Tiere) und Freigängerkatzen.

Nach Jahren wunderten sich die Kritiker zunehmend, dass die Regierung die Zuwanderung von Tieren und Pflanzen ausschliesslich als grosse Bedrohung für einheimische Arten sah, die Zuwanderung von Menschen aber ausschliesslich als grosse Chance. Und es zeigte sich ein Messproblem: Die gemessene Artenvielfalt hing völlig von der Grösse des betrachteten Raums ab. Während die Artenvielfalt in kleinen Messgebieten vor allem wegen Ab- und Zuwanderung stark schwankte, wuchs sie in grösseren Messeinheiten durch drei Effekte: Weil man immer intensiver nach seltenen Arten suchte, wurden viele neue Arten entdeckt; mittels Gentechnologie wurden zudem viele neue Arten entwickelt; und weil von gefährdeten Arten die DNA kartiert und eingelagert wurde, schwand die Angst vor unwiederbringlichem Aussterben.

Wölfe für Städter

Schliesslich half – wie fast immer – das Konzept der Kostenwahrheit. Als Lehrbuchbeispiel gilt heute der Umgang mit Katzen und Wölfen. Den Gemeinden wurde erlaubt, auf Freigängerkatzen eine Artenviefaltsreduktions-Abgabe zu erheben. Dafür mussten sie aber den Schaden der Katzen für die Artenvielfalt plausibilisieren. Gemäss Studien wirkten Katzen jedoch nur bei sehr hoher Katzendichte negativ, und das dann weniger auf die Arten- oder Gesamtzahl als auf die Zusammensetzung der Vogelpopulation. Zudem hiess weniger Vögel mehr Insekten. Deshalb führten nur ganz wenige Gemeinden Freigängerkatzen-Abgaben ein.

Der Wolf galt vielen als Krone der Artenvielfalt. Nach 2025 wurde der Streit um seinen Schutz sogar gewalttätig. Fast idyllisch wirkte da die Erinnerung an die Abstimmung von 2020 über das Schweizer Jagdgesetz, das die Eindämmung des Wolfs erlaubt hätte. Entscheidend für das Volksnein waren damals Städter aus Zürich, Genf und Basel. Nur wenige Wochen später führte die Stadt Zürich die Leinenpflicht für Hunde in öffentlichen Pärken ein: Mut vor dem Wolf in den fernen Alpen, Angst vor dem Hund im nahen Park.

Entsprechend einfach wurde um 2030 das Wolfsproblem gelöst. Die Schäden der Wölfe mussten nicht mehr die Geschädigten und die Allgemeinheit tragen, sondern ihre «Halter». Erlegt werden durften nur Wölfe ohne Halter. Halter konnten Kantone, Städte und Sponsoren werden. Ihre Wölfe wurden DNA-getestet und mit einem kleinen Wappen gekennzeichnet. So konnten die Schäden haltergerecht verrechnet werden. Seither lehnten die Städter alle Vorlagen, Wölfe auf eigene Kosten zu halten, hoch ab. Nur für drei Wölfe fand sich ein Sponsor: die Bündner Kantonalbank.

 

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.