Der Umgang mit knappen Ressourcen ist im Tierreich überlebenswichtig. Die vor Jahrtausenden domestizierten einhöckerigen Dromedare und zweihöckerigen Trampeltiere ermöglichen den Menschen ein Leben in unwirtlichen Trockengebieten. Die Kamele dienen als Reit-, Zug- und Packtiere und liefern zudem Fleisch, Milch, Wolle und Dung. Es leben um die zwanzig Millionen Dromedare in den heissen Wüsten Nordafrikas und Vorderasiens. Eine Kamelkarawane ist in der Wüste jedoch ständig mit dem Problem konfrontiert, den Mangel an Flüssigkeit und Energie zu bewältigen und den Körper vor Überhitzung zu schützen. Hauptgefahr ist das Dehydrieren infolge von Wassermangel und Schwitzen.

Fett speichern und Energie sparen

Der Glaube, das Kamel speichere Wasser in den Höckern, ist eine Mär. Die Höcker tragen vielmehr den Energievorrat und können bis zu vierzig Liter Fett speichern. Ein erfahrener Kameltreiber sieht an der Form des Höckers sofort, wie viel Treibstoff das Tier noch hat. Während der wochenlangen Reise durch die Wüste findet das Kamel fast keine Nahrung – der pralle, aufrecht stehende Höcker verwandelt sich allmählich in einen schlaff herabhängenden Sack. Indem das Kamel den Fettvorrat auf dem Rücken trägt und nicht über den Körper verteilt wie andere Tiere, schützt der Höcker den Körper vor der stechenden Mittagssonne.

Um die Körpertemperatur konstant zu halten, produzieren Warmblüter laufend innere Wärme. An heissen Tagen muss überschüssige Wärme durch Schwitzen wieder abgegeben werden; in kalten Nächten wird für die Thermoregulation zusätzlich Fett verbrannt.

Weniger so beim Kamel. Hat es bei guter Wasserversorgung eine Körpertemperatur zwischen 36 und 39 Grad, lässt es sie bei Wassermangel am Tag bis auf 41 Grad ansteigen und strahlt die überschüssige Wärme erst in der kalten Nacht ab. Dann sackt die Körpertemperatur gar bis auf 34 Grad ab, was durch verminderten Ruheumsatz zusätzlich Energie spart. Und indem das Tier den Wüstenmorgen mit unterkühltem Körper in Angriff nimmt, kommt es erst spät ins Schwitzen. So spart das Kamel etwa sechs Liter Wasser pro Tag.

Das Kamel ist fürwahr ein Meister im Wassersparen. Verschnörkelte Strukturen mit grosser Oberfläche entziehen in den Nasengängen der austretenden Atemluft 70 Prozent der Feuchtigkeit und bringen das wertvolle Wasser in den Körper zurück. Wasser geht auch über den Urin verloren. Deshalb scheidet das Kamel im Laufe eines heissen Tages weniger als einen halben Liter Urin aus. Dieser ist doppelt so salzig wie Meerwasser. Wie der Urin ist auch der Kot wasserarm, weshalb sich frischer Kameldung als Brennmaterial verwenden lässt.

Das grosse Saufen

Trifft das Kamel nach wochenlanger Wanderung in der Oase ein, hat es durch Wasserverlust bis zu 40 Prozent seines Gewichts eingebüsst. Beim Menschen ist bereits ein Verlust von 12 Prozent Wasser tödlich, denn unser Körper ersetzt verdunstetes Wasser vor allem aus dem Wasservorrat im Blut. Dabei wird das Blut immer zähflüssiger, bis der Sauerstofftransport nicht mehr funktioniert. Das Kamel dagegen holt sich das Wasser fast ausschliesslich aus dem Körpergewebe, weshalb das Blut selbst bei extremer Dehydrierung dünnflüssig bleibt.

Von den Strapazen schwer gezeichnet, wankt das Kamel schliesslich zur Wasserstelle und senkt das Maul ins rettende Nass. Und das Tier säuft und säuft wie kein anderes Lebewesen auf der Welt. Innert nur zehn Minuten sind 130 Liter Wasser im Bauch. Nach kurzer Ruhe werden weitere siebzig Liter geschluckt. Wie durch ein Wunder steht das eben noch bis auf die Knochen abgemagerte Tier wieder frisch und rund auf den Beinen.

Herbert Cerutti ist Autor und Tierexperte.