Ein reisserischer Titel zu einem möglichst unüberprüfbaren Szenario genügt. Im Folgenden eine kurze Anleitung, wie man eine alarmierende Klimareportage aufbaut, und dazu zwei Beispiele aus dem pazifischen Raum. Das gebührenfinanzierte Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) scheint diese Methode besonders gut zu beherrschen.

Die nahezu täglichen «Klimakrisen»-Meldungen sind nie völlig aus der Luft gegriffen und beruhen durchaus auf einer Grundlage. Am besten eignen sich dazu Studien aus irgendeinem Umweltforschungsinstitut. Viele solcher Studien basieren auf numerischen Modellierungen, wie sie in den Naturwissenschaften üblich sind.

 

Was ist der Wahrheitsgehalt?

Numerische Modellierungen sind in der Wissenschaft unverzichtbare Werkzeuge zur systematischen Überprüfung einer These. Die Grundlage bilden real gemessene Daten und Beobachtungen. Lassen sich die Daten mit dem Modell verifizieren, ist eine These vermutlich richtig. Sie wird zur wissenschaftlichen Erkenntnis, wenn sich das Resultat im Modell replizieren lässt, also wiederholt.

Heutzutage werden Rechenmodelle nicht mehr nur zur Überprüfung von Beobachtungen gebraucht, sondern immer mehr für Prognosen benutzt. Vorwärtsmodellierungen, also Prognosen, sind jedoch nur in klar begrenzten Systemen brauchbar, in chaotischen Systemen wie zum Beispiel Wetter, Klima oder der Biosphäre sind sie unzuverlässig und produzieren Resultate mit grossem Streubereich. Das öffnet Alarmisten Tür und Tor. Die Grundlage einer schrecklichen Prophezeiung ist immer der Worst Case, also eine extreme Variante im Bereich aller möglichen Szenarien.

Das wird in den Berichten dann aber nicht erwähnt. Katastrophenprophezeiungen lassen sich deshalb auch nie ganz als Quatsch diskreditieren, weil sie ein mögliches, wenn auch unwahrscheinliches Szenario hervorheben. Zum Bericht braucht es dann noch einen Titel, als wäre die Katastrophe bereits eingetreten. Dieser nimmt Bezug auf einen aktuellen Missstand, der aber mit der schwarzgemalten Zukunft wenig bis nichts zu tun hat.

Das Perfide daran ist, dass man den Wahrheitsgehalt kaum überprüfen kann, weil das Ereignis irgendwo in weiter Ferne oder in weiter Zukunft liegt. Die Methode wird nicht nur vom SRF, sondern von vielen Medien und in der Politik erfolgreich angewandt.

Hier zwei Beispiele aktueller, kaum überprüfbarer Katastrophenmeldungen:

1 – Anstieg des Meeresspiegels. Pazifik «am Rande einer Klimakatastrophe». SRF 4 News, Urs Wälterlin, 30. August 2024. Es wird gemeldet, dass Uno-Generalsekretär António Guterres den Pazifik als die verwundbarste Region der Welt in Sachen «Klimaerhitzung» deklariert hat. Die Insel Kiribati sei durch den klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels bereits jetzt so betroffen, dass die Bewohner mit Mülltüten Schutzwälle gegen das eindringende Wasser errichten müssten. Zusätzlich zum steigenden Meeresspiegel werden infolge der Klimaveränderung häufigere und heftigere Stürme und Unwetter vorhergesagt. «Die Wissenschaft ist sich einig: Industrienationen müssen sofort ihre Klimagasemissionen reduzieren – und zwar drastisch –, um den Prozess des globalen Temperaturanstiegs und damit auch der Meeresspiegelerhöhung wenigstens verlangsamen zu können, wenn nicht aufzuhalten.»

2 – Hitzerekord seit 400 Jahren: Das Sterben am Great Barrier Reef erreicht ein neues Level. SRF, 8. August 2024. «Die Wassertemperaturen rund um das Great Barrier Reef haben einen neuen Rekordwert erreicht. Ein Bericht des Fachblatts Nature meldet, dass in den vergangenen 400 Jahren das Wasser noch nie so warm war wie in diesem Jahr. Ohne ehrgeizige globale Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels werden wir den Untergang eines der spektakulärsten Naturwunder der Erde miterleben, so die Forschenden.»

Was ist der Wahrheitsgehalt dieser Meldungen aus dem fernen pazifischen Raum?

 

Korallenwachstum

Vom 26. bis zum 30. August 2024 fand auf Tonga das 53. Pacific Islands Forum statt. Daran beteiligt sind, wie der Name sagt, sämtliche pazifische Inselstaaten, inklusive Australien und Neuseeland. Am jährlichen Treffen tragen deren Staatschefs ihre Probleme und Interessen vor. Bei den Vertretern Australiens und Neuseelands stehen sicherheits- und handelspolitische Interessen im Vordergrund, bei den sechzehn kleineren Inselstaaten eher die wirtschaftliche Unterstützung durch die beiden «reichen» Mitglieder. Es ist verständlich, dass dazu düstere Zukunftsaussichten heraufbeschworen werden. Am besten mit Hilfe der gewichtigen Stimme des Uno-Generalsekretärs.

Fakt ist, dass die Inselgruppe Kiribati tatsächlich Umweltprobleme mit Müll und Trinkwasserversorgung hat. Mit dem steigenden Meeresspiegel hat das wenig zu tun. Der Meeresspiegel ist im Pazifik in den letzten dreissig Jahren um zehn Zentimeter gestiegen. Die Landfläche der 32 Atolle und der einen Insel hat gemäss einer Untersuchung der Universität Auckland in den letzten sechzig Jahren allerdings trotz Meeresspiegelanstieg um 8 Prozent zugenommen. Atolle sind eben dynamische Strukturen, welche sich aus dem Schutt der wachsenden Korallenriffe aufbauen und laufend regenerieren. Korallen wachsen bis zu zehn Zentimeter pro Jahr, vergleichbar mit dem Wachsen menschlicher Haare. Das ist auf jeden Fall eine Grössenordnung schneller als der Meeresspiegelanstieg.

Das Wachstum ist jedoch durch die lokale Gewässerverschmutzung gefährdet. Nicht erwähnt wird, dass sich im gleichen Zeitraum die Bevölkerung von 75 000 auf 136 000 Einwohner nahezu verdoppelt hat. Problematisch ist tatsächlich die Übernutzung der fragilen Atolle, wie sie durch Zivilisationsdruck, Grundwassernutzung und Umweltverschmutzung entsteht. Ein Stopp des Klimawandels erzielt hier mit Sicherheit keine Wirkung.

Die gute Nachricht ist, dass die australische Regierung die Klagen erhört hat und den Inselstaaten Hilfe und Subventionen zusagt. Damit punktet Australien mit der Anerkennung der Probleme. Mit wirtschaftlicher Hilfe verbessert man die Beziehungen zu den Inselstaaten und wird gleichzeitig dem populären Klimanarrativ gerecht. Dass es Australien in erster Linie darum geht, Chinas Einfluss im Zaum zu halten, wird gerade noch in einem Nebensatz knapp erwähnt. Aber das wäre keine Schlagzeile wert. Die prophezeite Klimakatastrophe ist viel interessanter.

Zur zweiten Schlagzeile: Die Wassertemperaturen um das Great Barrier Reef waren dieses Jahr aussergewöhnlich hoch. Über die Gründe kann man spekulieren. Das mag mit dem letzten El-Niño-Phänomen oder dem vorjährigen Ausbruch des Vulkans Hunga Tonga oder der gewollten Reduktion der Schwefeldioxid-Emissionen oder der globalen Klimaerwärmung oder eben mit allem zusammen zu tun haben. Mit der Interpretation des Phänomens sind alle ernstzunehmenden Klimawissenschaftler zurückhaltend. Ob das die höchste Temperatur seit 400 Jahren war, ist kaum überprüfbar. Wer hat in den letzten 400 Jahren dort die Temperaturen gemessen? Sie stammen aus sogenannten Proxidaten.

 

Ohne alarmistischen Unterton

Im vorliegenden Fall wurden die Paläotemperaturen aus dem temperaturabhängigen Verhältnis von Strontium zu Calcium in fossilen Korallenbruchstücken errechnet. Das ist eine anerkannte wissenschaftliche Methode. Sie kann statistisch wahrscheinliche Temperaturen ermitteln, einzelne Ausreisser jedoch nicht erfassen. Die Methode liefert keine Information zum damaligen Zustand des Korallenriffs, ob es damals schon zu verheerenden Korallenbleichen kam oder nicht. Das wird in der durchaus sorgfältigen Arbeit, die in Nature erschien, leider nicht thematisiert.

Was im SRF-Bericht komplett unterschlagen wird, ist der Umstand, dass sich das Great Barrier Reef gegenwärtig in einem sehr guten Zustand befindet. Das Gegenteil des reisserischen Titels trifft zu. Das Australian Institute of Marine Science (AIMS) publiziert seit 38 Jahren jährlich den Zustand des Great Barrier Reef. Gemäss dem Bericht zum australischen Sommer 2023/24 hatten die ausserordentlich hohen Temperaturen an bestimmten Orten eine weitere, allerdings nicht unübliche Korallenbleiche zur Folge. Die Korallenbedeckung hat in diesem Sommer gegenüber den letzten dreissig Jahren jedoch einen Höchststand erreicht.

Das AIMS sieht das nicht als Entwarnung an, sondern sorgt sich massvoll um die Zukunft des Riffs. Bemerkenswert ist einfach die Tonalität. Die wirklichen Experten vor Ort, die wissen, wovon sie sprechen, beobachten die Entwicklung mit der von ihnen verlangten Besorgnis, aber ohne den alarmistischen Unterton. Deshalb posaunt das AIMS auch den Hochstand der Korallenbedeckung nicht als grossartige Neuigkeit heraus, sondern stellt ihn einfach fest. Solche «good news» sind für Schwarzmaler natürlich «no news».

Der Geophysiker Peter Ridd, ehemaliger Professor an der James Cook University in Queensland, stellt zu Recht die mediale Berichterstattung zum Barrier Reef in Frage. Ridd war von 2009 bis 2016 Leiter des Marine Geophysical Laboratory. Als ausgewiesener Kenner des Barrier Reef widerspricht er den immer wieder publizierten Katastrophenberichten unterschiedlichster NGOs.

 

Abschreiben von Agenturmeldungen

Kürzlich hat Ridd als Vorsitzender der Australian Environment Foundation eine Gruppe von Journalisten, die immer wieder über den vermeintlichen Untergang des Riffs publizieren, eingeladen, mit ihm eine Exkursion ins Korallenriff zu machen. Er wollte ihnen die Sachlage vor Ort zeigen. Er bot den Journalisten an, dass sie Wissenschaftler ihrer eigenen Wahl mitnehmen dürften, und überliess es ihnen auch, die Orte zu bestimmen, die sie besuchen möchten. Alle Spesen wären übernommen worden. Keiner der Journalisten hat das Angebot angenommen. Offensichtlich wollten sie sich nicht dem Risiko aussetzen, das gängige Narrativ hinterfragen zu müssen.

Aufgrund der beiden beschriebenen Beispiele ist anzunehmen, dass der Australien-Korrespondent von SRF weder das Pacific Islands Forum in Tonga noch Recherchen wie die fact finding-Exkursion auf das Great Barrier Reef gründlich aufarbeiten konnte. Beim SRF scheint die Recherche vor Ort durch Abschreiben und durch digitales Absuchen nach genehmen Publikationen ersetzt worden zu sein. Hauptsache, die Titel stimmen.

 

Markus O. Häring ist promovierter Geologe, Buchautor und als Experte für nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser- und Energieressourcen tätig. Zurzeit lebt er in Australien.