Die ganze Union stimmt für die Megaschulden von Friedrich Merz (CDU). Die ganze? Nein!

Ein einsamer Ostberliner, ausgerechnet Merz’ ehemaliger CDU-Generalsekretär Mario Czaja, stimmte im Bundestag gegen die Aufweichung der Schuldenbremse und die neuen Kreditmilliarden.

Mit dem Widerstand in der Union gegen den Kurs von Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz verhält es sich ein wenig so wie mit dem gallischen Dorf bei Asterix. Ein einziger Abgeordneter stimmte offen und ausdrücklich gegen die Parteilinie, doch unter der Oberfläche «brodelt» es wieder mal.

Das allerdings ist nichts Neues: Schon bei der Griechenland- und der Migrationskrise ballte die Union kollektiv die Faust in der Tasche, um dann doch minutenlang der Kanzlerin auf den Parteitagen im Stehen zu applaudieren.

Aufstände sind die Sache der Bürgerlichen nicht.

Aber droht diesmal eine Austrittswelle, wie Bild schreibt?

Die Lage ist in der Tat heikler als bisher. Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe von Austritten, die auch im Netz offen kundgetan werden.

Neu ist auch, dass CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das auch eingeräumt hat, was für seine Ehrlichkeit spricht. Bislang gelang es seinen Vorgängern noch immer geschickt, solche Dinge unter der Decke zu halten, weil auf verschiedenen Ebenen der Partei die Austrittschreiben einfach nicht weitergereicht werden, um die Betreffenden mit etwas Abstand noch einmal zu «bearbeiten». In der offiziellen Statistik erscheinen Austritte dann erst einmal nicht.

Viele CDU- und CSU-Mitglieder versuchen den Bruch auch erst einmal damit hinauszuzögern, dass sie zunächst aus den Vereinigungen wie etwa der Mittelstandsunion austreten, die Parteimitgliedschaft aber behalten. Nach langen Jahren, in denen man mit der Union durch Dick und Dünn gegangen ist, auf den Anti-Merkel-Rebellen Merz gehofft und gesetzt hat, und jetzt seinen zum Teil irrlichternden Kurs erleben muss, fällt der Bruch vielen dennoch schwer.

Der Unterschied diesmal ist allerdings, dass es sich nicht nur um eine sachpolitische Meinungsverschiedenheit handelt, sondern ein gebrochenes Wahlversprechen (Festhalten an der Schuldenbremse, politischer Kurswechsel) kombiniert ist mit einer nahezu aussichtslosen strategischen Lage, in der die Union der SPD auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.

Die Führung einer möglichen Regierung wird absehbar dazu führen, dass man keine Unionspolitik macht, sondern ordnungs- wie gesellschaftspolitisch nicht ansatzweise jenen Kurswechsel wird liefern können, den sich auch die Unionsanhänger gewünscht und für den sie gekämpft haben.

Und schliesslich blickt man ganz grundsätzlich einer Entwicklung entgegen, bei der vieles auf die AfD zuzulaufen scheint, weil man ihr in der Konstellation mit der SPD keinen Wind aus den Segeln nehmen kann. All das verdichtet sich bei vielen an der Basis von CDU und CSU zu einer tiefsitzenden Depression.

Böse Vorahnungen für die Landtagswahlen im kommenden Jahr machen die Runde, und wer die Szenarien für die Merz-Union durchspielt, kommt sowohl mit einer Merz-SPD-Regierung ohne Unionsprofil, als auch mit deren Scheitern zu einem desaströsen Ausblick: keine Alternativen, wirtschaftliche Depression, Reformblockade durch den Koalitionspartner, explodierende Verschuldung, Lieferschwierigkeiten bei Migrationsbegrenzung. Über allem schwebt die Vorahnung, dass die dauerhafte Ausgrenzung der AfD ein Fehler war und ist, der sich rächen wird. Lediglich wie, ist noch offen.

Kurz: Aufbruchstimmung sieht anders aus.

Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.