Die Politik sei der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lasse, so hat es der deutsche Kabarettist Dieter Hildebrandt vor über fünfzig Jahren kritisch bemerkt. Er hätte aber wohl kaum für das Gegenteil plädiert, nämlich für eine staatliche Ordnung, in der die Politik der Wirtschaft den Spielraum, den sie nutzen darf, zwingend vorschreibt.

Genau dies wird aber heute lauthals und mit moralischem Nachdruck auch in der Schweiz gefordert.

In Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen sollen sämtliche ehemalige Lieferanten und Kunden, Gläubiger und Schuldner im Krieg führenden Land durch politische Entscheide zu Feinden werden. Das ist das Grundmodell des Boykotts, der seinerseits alles andere als ein Instrument des Friedens ist.

Was zunächst als höchst moralische Forderung daherkommt, ist nichts anderes als eine Unterwerfung unter ein kollektivistisch-politisches Freund-Feind-Schema, das die real existierende Vielfalt von wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Interessen, die es auch in der Bevölkerung Kriegführender gibt, ignoriert.

Handel spielt sich nur in Statistiken zwischen Nationalstaaten ab, in der Wirklichkeit zwischen Anbietern und Nachfragern, Gläubigern und Schuldnern. Diese werden allerdings auch von ihren eigenen Ländern durch regulatorische und fiskalische Massnahmen fremdbestimmt. Grenzüberschreitender Handel ist seinem Wesen nach neutral. Märkte haben sich im Lauf der Geschichte stets spontan gebildet: weiss, grau oder schwarz, je nach dem von der Politik offen gelassenen Spielraum.

Jeder Krieg reduziert die Politik auf einen Kampf der «Guten» gegen die «Bösen», und Krieg führende Länder werden in dem Sinn totalitär, als sie sämtliche Lebensbereiche, nicht nur die Wirtschaft, den momentanen Staatszielen unterordnen, auch gegen den Willen vieler beiderseits Betroffener und Beteiligter.

Robert Nef ist Publizist. Er lebt in St. Gallen.