Als Privatpilot dürfte es Alain Berset selber am besten wissen: Er fliegt gegenwärtig in äusserst dünner Luft. Der Bundespräsident hat bei der langen, äusserst kritischen Sitzung des Bundesrates das Vertrauen nur wiederhergestellt dank seiner bestimmten Versicherung, er habe vom Inhalt des Austauschs zwischen seinem Kommunikationschef Peter Lauener und dem Ringier-CEO Marc Walder nichts gewusst.

Doch Bersets Problem ist, dass ihm niemand glaubt. Wie sollte er ahnungslos gewesen sein über das Wirken seines engsten Mitarbeiters, mit dem er sich Tag und Nacht absprach und der ihn bei jedem Auftritt begleitete? Falls der allein beschuldigte, isolierte und berufslose Lauener ein einziges SMS oder Mail weitergibt, welches vom Gegenteil zeugt, ist es um den Bundespräsidenten geschehen.

Auch mochte Alain Berset seine Behauptung gegenüber dem Bundesrat vor den Medien nicht wiederholen, er habe vom mutmasslichen Geheimnisverrat seines engsten Mitarbeiters gegenüber dem Ringier-Verlag nichts gewusst. Der gewiefte Medienprofi weiss, warum. Sollte seine Aussage widerlegt werden, ist es besser, wenn er sie nicht öffentlich gemacht hat. Denn bei den geringsten künftigen Zweifeln an deren Wahrheitsgehalt würde Berset eine solche Aufnahme um die Ohren fliegen. Das weiss man spätestens seit der berühmten Lüge («Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort») des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel.

In seinem politischen Überlebenskampf betont Bundespräsident Berset also, er habe nicht gewusst, was sein Kommunikationschef Peter Lauener mit Marc Walder von Ringier ausgetauscht habe. Nur ist das die falsche Problemstellung. Es geht nicht darum, was Berset gewusst hat. Es geht darum, was er hätte wissen müssen. Das nennt man in der Führung Verantwortung – egal ob in Wirtschaft, Verwaltung oder Politik.

Auch stellt sich eine weitere Frage: Wenn Berset schon nicht wissen will, was sein engster täglicher Mitarbeiter Peter Lauener getrieben hat – was wusste er sonst noch alles nicht, was in seinem Departement alles schiefgelaufen ist? Insbesondere in seinem Bundesamt für Gesundheit?

Jetzt behauptet Alain Berset im Westschweizer Fernsehen, die Affäre um die Leaks aus seinem Departement sei von den Medien gesteuert und angeheizt. Solche Töne klingen allerdings eigentümlich aus dem Mund des mediengewandtesten Bundesrats, der während der Covid-Krise nach Belieben auf der Klaviatur der ihm zu Füssen liegenden Journalisten gespielt hat.

Unaufhörlich verweist der Bundespräsident auf die künftigen Untersuchungen der Spezialkommission mit sechs Mitgliedern der Geschäftsprüfungskommission. Weil diese die juristischen und die politischen Fragestellungen einmal mehr heillos vermischen dürfte. Und weil die GPK angekündigt hat, den Scheinwerfer nicht auf Alain Berset, sondern auf den Gesamtbundesrat zu richten.

Der verstorbene Zürcher Alt-Regierungsrat Alfred Gilgen pflegte zu sagen: «Wenn in der Politik eine grosse Schweinerei vertuscht werden soll, bildet man eine Kommission und kündigt eine Gesamtsicht an.»