Der Osten des Landes ist in Aufruhr. Nicht nur wegen der Bundesratskandidatur von Markus Ritter, einem Bauern, Katholiken, einem – Hilfe! – Konservativen. Neben dem St. Galler Mitte-Nationalrat sorgt jetzt auch der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni für Schlagzeilen. Der FDP-Mann hat es tatsächlich gewagt, mit Javier Milei ein Selfie zu machen.

Der argentinische Präsident bekam in Kloten vom Liberalen Institut den Röpke-Preis für Zivilgesellschaft überreicht. Caroni war einer von 600 Gästen, die Milei sehen wollten – «600 Libertäre», wie Stefan Schmid, Chefredaktor des St. Galler Tagblatts, in einem Kommentar schreibt. Damit ist der Ton gesetzt.

Milei sei vom argentinischen Volk zwar gewählt, ja, «noch scheint ihm eine Mehrheit der Argentinier zu vertrauen», weiss Südamerika-Experte Schmid. Aaaaaber: Ein Selfie machen mit Milei, dem «Kettensägenpolitiker», der den «Staat zerschlagen» und Frauenrechte abbauen wolle, ein verschwommenes Erinnerungsfoto mit einem «Bruder im Geiste von Donald Trump und Elon Musk», also das ist schon allerhand, für Schmid zumindest «irritierend».

Der Chefredaktor geht in seinem Kommentar noch einen Schritt weiter und stellt den ungeheuren Verdacht in den Raum, dass Caroni für Milei vielleicht Sympathien hegen könnte. «Ein Selfie ist nun mal kein offizielles Foto, sondern eher eine groupiemässige Inszenierung. Ein Selfie macht man in der Regel nur mit Leuten, die man schätzt.» Ist Caroni angesichts dieser Nähe zu einem demokratisch gewählten Staatsoberhaupt überhaupt noch tragbar als Ständeratspräsident? Für Schmid zumindest gilt: Im Zweifel gegen den Kontaktschuldigen!

Weniger empört war man beim St. Galler Tagblatt, als SP-Präsident Cédric Wermuth und SP-Nationalrat Fabian Molina 2021 die Kurzstrecke nach Berlin jetteten, um dort mit Olaf Scholz und der SPD den Wahlsieg zu feiern. Wermuth durfte sich im St. Galler Tagblatt freuen, weil seine deutschen Genossen mit dem «linksten Wahlprogramm» seit Jahren angetreten seien. Widerspruch gabs damals keinen von Chefredaktor Schmid.

Dass SP-Mann Eric Nussbaumer mit dem ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk einen Vertreter einer Kriegspartei und damit auch ein potenzielles Ziel und Sicherheitsrisiko ins Bundeshaus geholt hat, war für Schmid keine kritische Zeile wert. Bei Caroni ist sein Urteil derweil klar: «Caronis Selfie war wohl eher einem eitlen Reflex denn einer politischen Strategie geschuldet.» Soso.

Der geneigte Leser bleibt auf der Frage sitzen: Ist der völlig uneitle Chefredaktor auf seinem linken Auge blind? Nicht auszumalen, was beim St. Galler Tagblatt los wäre, wenn dereinst die freisinnige Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter mit dem republikanischen US-Präsidenten Trump oder einem anderen nicht linken Staatschefs ein Foto machen würde.