Er wird mit Lob überhäuft. «Danke, Christoph Berger!», schwärmt die NZZ. Er habe sich «entschieden, Verantwortung zu übernehmen». Dafür – und für seinen ehrenamtlichen Einsatz – gebühre ihm «Respekt und Dank».

Berger, abtretender Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (Ekif), hatte in der Sonntagszeitung gewisse Fehler während der Corona-Zeit eingeräumt. «Rückblickend hätte man dies möglicherweise rascher beenden können, nachdem Risikopersonen ausreichend Gelegenheit gehabt hatten, sich zu impfen, und der Effekt der Impfung auf die Übertragung nur noch gering war», sagte er über die Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften. Und dass auch Jugendliche unter Druck gesetzt wurden, sich impfen zu lassen, bezeichnet er «aus heutiger Sicht» als «problematisch». «Die Aussage, ihr müsst euch impfen, damit ihr ins Lager gehen könnt», sei «schon in Frage zu stellen».

Gegenfrage: Ist es das nur aus heutiger Sicht? War es nicht schon damals «problematisch»? Heissen die Grundrechte nicht Grundrechte, weil man sie niemals ausser Kraft setzen darf? Müssen Massnahmen nicht notwendig, wirksam, verhältnismässig, wirtschaftlich sein?

Und an die Adresse der in Dankarbeit schwimmenden NZZ sei die Frage erlaubt: Welche «Verantwortung» übernimmt denn Berger jetzt, wenn er «rückblickend» und «aus heutiger Sicht» ein paar Relativierungen anbringt? Ist damit das damals begangene Unrecht gesühnt? Sind Vorkehrungen getroffen, dass so etwas nie mehr geschehen kann?

Wir wollen die Feierstunde an der Falkenstrasse nicht stören, aber zur Erinnerung an die Dimensionen des Ganzen hier ein paar Aussagen von Berger, die bis heute einer Korrektur, einer Entschuldigung, einer Aufarbeitung harren:

  • Zur Durchsetzung von «2 G» und «2 G plus»: «Wir haben sehr hohe Impfkapazitäten, wir haben genug Impfstoff. Aber ich kann Ihnen sagen: Mit Impfen allein halten wir diese bevorstehende Welle nicht in Schach. Das braucht wesentlich mehr, auch die bekannten und unangenehmen Regeln: Abstand halten, Homeoffice, ‹2 G›, ‹2 G plus›.» (SRF, 20.12.2021)
  • Zu der zu seinem Bedauern leider nicht so stark vorhandenen Herdenmentalität der Eidgenossen: «In Europa haben Portugal und Spanien ganz schnell hohe Impfraten geschafft. Das gelang den deutschsprachigen Ländern nicht. Das macht mir Sorgen. Ich glaube, wir haben in der Schweiz einen sehr ausgeprägten Individualismus.» (SRF, 8.1.2022)
  • Zur Expresszulassung der Impfstoffe: «Alle notwendigen Schritte für die Zulassung sind erfüllt. Normalerweise laufen diese Phasen nacheinander ab, aber wegen der grossen Krankheitslast von Covid wurden sie parallel geschaltet. Zudem nahmen an den Phase-3-Studien extrem viele Probanden teil – so viele wie kaum jemals für eine neue Impfung.» (Tamedia, 24.6.2021)
  • Zur «Pandemie der Ungeimpften» und zum Thema «Solidarität»: «Je mehr Menschen in einer Gruppe geimpft sind, desto kleiner ist das Ansteckungsrisiko für Ungeimpfte. Wir müssen also davon ausgehen, dass Geimpfte weniger Viren weitergeben.» Wer sich nicht impfen lasse, lebe nach einem «sehr egoistischen Modell». (Ebd.)
  • Zur Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung und zur Zwei-Klassen-Medizin: «Diese Impfung ist extrem wirksam, extrem sicher und bietet einen extrem guten Schutz vor, aber auch nach einer Infektion. Zudem umgehen Sie mit einer Impfung viele Einschränkungen und helfen, unser Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. Schliesslich wollen wir doch alle raus aus der Pandemie. Eine Corona-Krankheit tut allen weh. Und es ist nicht angebracht, für andere Spitalbetten zu besetzen, obwohl man sich impfen lassen könnte.» (SRF, September 2021)
  • Über den nötigen «Druck» auf «Impftrödler»: «Man muss die Zertifikatspflicht sofort ausweiten.» (Tamedia, 28.8.2021)