Lesen Sie hier die Rede von Viktor Orbán auf der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments im Wortlaut.

Sehr geehrte Frau Metsola! Sehr geehrte Frau von der Leyen! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren!

Ich bin hier, um einen Weckruf auszusenden. Ich folge dem Beispiel von Herrn Präsident Draghi und Herrn Präsident Macron: Die Europäische Union muss anders vorgehen, und davon möchte ich Sie heute überzeugen.

Ungarn hat zum zweiten Mal nach 2011 den rotierenden Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. Es ist das zweite Mal, dass ich persönlich diese Aufgabe übernehme, das zweite Mal, dass ich vor Ihnen stehe und das Programm des ungarischen Ratsvorsitzes vorstelle. Ich bin seit 34 Jahren Parlamentsabgeordneter, daher weiss ich, dass es eine Ehre ist, angehört zu werden. Als Ministerpräsident ist es immer eine Ehre, vor den Abgeordneten des Parlaments zu sprechen. Ich habe eine Vergleichsbasis: 2011, während unserer ersten Präsidentschaft, hatten wir auch mit Krisen zu tun, mit den Folgen der Finanzkrise, den Folgen des Arabischen Frühlings und der Fukushima-Katastrophe.

Wir haben damals ein stärkeres Europa versprochen, und wir haben dies gehalten. Wir haben auch die erste Roma-Strategie auf europäischer Ebene und die Donaustrategie verabschiedet. Unter unserer Präsidentschaft haben wir das Europäische Semester, den wirtschaftspolitischen Koordinierungsprozess, der damals noch wirklich das war, wie er hiess, ins Leben gerufen. Und es war während unserer ersten Präsidentschaft, dass die Union zum letzten Mal einen Beitrittsprozess erfolgreich abgeschlossen hat: den Beitritt Kroatiens.

Zur Erinnerung: Das alles geschah im Jahr 2011. Es war nicht leicht, aber unsere Arbeit ist heute viel schwieriger als damals. Sie ist schwieriger, weil die Lage in der Europäischen Union heute viel ernster ist als 2011 und vielleicht ernster als zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte der Europäischen Union. Was sehen wir heute? Es gibt einen Krieg in der Ukraine, also in Europa, es gibt schwere Konflikte, die uns im Nahen Osten und in Afrika heimsuchen und beeinträchtigen, und jeder dieser Konflikte birgt die Gefahr einer Eskalation in sich. Die Migrationskrise hat seit 2015 ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht. Illegale Migration und Sicherheitsbedrohungen drohen nun den Schengen-Raum zu zerreissen. Und in der Zwischenzeit verliert Europa von seiner globalen Wettbewerbsfähigkeit, Mario Draghi sagt, Europa drohe eine langsame Agonie, und ich kann auch Herrn Präsident Macron zitieren, der sagt, Europa könnte sterben, weil es in zwei oder drei Jahren von seinen Märkten verdrängt werden wird.

Verehrte Abgeordnete!

Es ist deutlich zu sehen, dass die Union vor Entscheidungen steht, die ihr eigenes Schicksal bestimmen werden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Die Präsidentschaft ist natürlich auch eine Aufgabe der Organisation und Koordination, der Verwaltung. Ich berichte den Damen und Herrn Abgeordneten, dass wir bisher 585 Arbeitsgruppen des Rates abgehalten, 24 Botschaftertreffen geleitet, acht formelle und zwölf informelle Ratstagungen abgehalten, 69 Veranstaltungen der Präsidentschaft in Brüssel und 92 in Ungarn organisiert haben. Bei unseren Veranstaltungen in Ungarn konnten wir mehr als 10.000 Gäste begrüssen.

Ich möchte Sie darüber informieren, dass die Gesetzgebungsarbeit des Rates in vollem Gange ist. 52 Gesetzgebungsdossiers werden auf den verschiedenen Ebenen des Rates bearbeitet. Die Präsidentschaft ist auch jederzeit bereit, die Trilogverhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufzunehmen. Im Moment führen wir mit Ihnen nur Triloggespräche über zwei Gesetzgebungsdossiers, aber es gibt noch 41 Dossiers, bei denen dies notwendig ist, und wir warten darauf, dass dies geschehen kann.

Ich weiss, dass Wahlen stattgefunden haben und wir einen schwierigen institutionellen Übergang durchlaufen, aber jetzt sind vier Monate vergangen und wir sind bereit, mit Ihnen an den 41 Dossiers zusammenzuarbeiten, die noch konsultiert werden müssen. Der ungarische Ratsvorsitz wird als fairer Vermittler agieren und sich um eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Mitgliedstaaten und Institutionen bemühen. Gleichzeitig wird der ungarische Ratsvorsitz die vertraglich verankerten Befugnisse des Rates verteidigen, zum Beispiel im Hinblick auf die interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herrn Abgeordnete, Frau Präsidentin, der Ratsvorsitz ist nicht nur eine Verwaltung, der ungarische Ratsvorsitz hat auch eine politische Verantwortung. Ich bin hierher nach Strassburg gekommen, um Ihnen darzulegen, was der ungarische Ratsvorsitz Europa in dieser Zeit der Krise vorschlägt. Das Wichtigste ist, dass sich unsere Union verändern muss. Der ungarische Ratsvorsitz möchte die Stimme und der Katalysator für Veränderungen sein. Die Entscheidungen müssen von den Mitgliedstaaten und den Institutionen der Union getroffen werden, nicht von der ungarischen Ratspräsidentschaft.

Der ungarische Ratsvorsitz wird Themen ansprechen und Vorschläge für den Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand in der Union machen. Wir stellen das Problem der Wettbewerbsfähigkeit an die erste Stelle. Ich teile fast alle Einschätzungen der Situation in den Berichten der Herren Präsidenten Letta und Draghi. Kurz gesagt. Das Wirtschaftswachstum in der EU war in den letzten zwei Jahrzehnten durchweg langsamer als in den USA und China. Das Produktivitätswachstum der EU ist langsamer als das ihrer Konkurrenten. Unser Anteil am Welthandel ist rückläufig. Die Unternehmen in der EU sehen sich mit zwei- bis dreimal höheren Strompreisen konfrontiert als in den USA. Die Erdgaspreise sind hier vier- bis fünfmal so hoch. Die Europäische Union hat durch die Abkopplung von der russischen Energieversorgung ein erhebliches GDP-Wachstum eingebüsst und musste in der Zwischenzeit erhebliche Finanzmittel für Energiesubventionen und den Aufbau der für die Einfuhr von Flüssigerdgas erforderlichen Infrastruktur aufwenden. Die Hälfte der europäischen Unternehmen sieht in den Energiekosten das Haupthindernis für Investitionen. In energieintensiven Industrien, die für die EU-Wirtschaft wichtig sind, ist die Produktion um 10-15 % zurückgefallen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Der ungarische Ratsvorsitz schlägt vor, dass wir uns nicht der Illusion hingeben sollten, dass der grüne Übergang an sich allein eine Lösung für dieses Problem bietet. Dies ist nicht der Fall. Selbst wenn die Ziele für den Einsatz erneuerbarer Energiequellen erreicht werden, lassen Sie uns davon ausgehen, lassen Sie uns positiv sein, zeigen alle Analysen, dass der Anteil der Betriebsstunden, der Stunden, in denen fossile Brennstoffe die Energiepreise bestimmen werden, bis 2030 nicht wesentlich sinken wird. Dem müssen wir uns stellen. Der Europäische Green Deal basierte auf der Schaffung neuer grüner Arbeitsplätze. Aber der Sinn der Initiative wird in Frage gestellt, wenn die Dekarbonisierung zu einem Rückgang der europäischen Produktion und zum Verlust von Arbeitsplätzen führt. Die Autoindustrie ist eines der eklatantesten Beispiele für die fehlende Planung der EU, wo wir Klimapolitik ohne Industriepolitik betreiben. Wir betreiben Klimapolitik ohne eine Industriepolitik zu haben. Die EU hat jedoch keine Klimaambitionen verfolgt, indem sie eine Umgestaltung der europäischen Lieferkette gefördert hätte, weshalb die europäischen Unternehmen erhebliche Marktanteile verlieren. Und wenn wir uns auf Handelsbeschränkungen zubewegen, und ich sehe, dass dies geplant ist, werden wir, glauben Sie mir, noch mehr Märkte verlieren.

Verehrte Abgeordnete!

Ich denke, der Hauptgrund für die Entstehung der Produktivitätslücke zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten war – so glaube ich – die digitale Technologie, und es scheint, dass unser Rückstand, Europas Rückstand immer grösser wird. Unsere Unternehmen geben im Verhältnis zum BIP nur halb so viel für Forschung und Entwicklung aus wie US-Unternehmen. Hinzu kommt eine ungünstige demografische Entwicklung. Wie die Zahlen zeigen, gleicht die Zuwanderung den natürlichen Bevölkerungsrückgang in der EU nicht aus. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass wir zum ersten Mal in der modernen Geschichte Europas in eine Periode eintreten, in der unser BIP-Wachstum nicht durch einen stetigen Anstieg der Erwerbsbevölkerung unterstützt wird. Eine grosse Herausforderung!

Ich schliesse mich Präsident Draghi und Präsident Macron an und auch ich sage, dass die Lage ernst ist und sofortiges Handeln erfordert. Wir befinden uns in der 24. Stunde. Bei den derzeit als bahnbrechend geltenden Technologien wird sich innerhalb von ein paar Jahren entscheiden, wer übrigbleiben wird. Bitte bedenken Sie, dass es viel schwieriger ist, schrumpfende Industriekapazitäten wieder aufzubauen, als sie zu erhalten. Verlorene Fähigkeiten, Erfahrungen und Fachkenntnisse sind nur schwer oder gar nicht zu ersetzen. Ich will Ihnen nicht weismachen, dass es eine leichte oder einfache Lösung gibt. Es handelt sich um ernsthafte Herausforderungen und ernste Probleme. Aber ich möchte zu Beginn des institutionellen Zyklus klarstellen, dass die Mitgliedstaaten von den europäischen Institutionen ein rasches und entschlossenes Handeln in diesem Bereich erwarten. Wir erwarten, die Mitgliedstaaten erwarten, eine Verringerung der administrativen Lasten. Wir erwarten eine Linderung der Überregulierung. Wir erwarten die Sicherung bezahlbarer Energie. Wir erwarten eine grüne Industriepolitik. Wir erwarten eine Stärkung des Binnenmarktes. Wir erwarten eine Kapitalmarktunion. Und die Mitgliedstaaten erwarten eine umfassendere Handelspolitik, eine Handelspolitik, die die Konnektivität erhöht, anstatt der Blockbildung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Wir haben einige Erfolge, auf denen wir aufbauen können. Die dynamische Batterieindustrie der Europäischen Union ist ein solcher Erfolg, zumindest sagt dies Herr Präsident Draghi. Die öffentlichen Mittel für die Batterietechnologie sind in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich 18 % gestiegen, was entscheidend zur Stärkung der Position Europas beigetragen hat. Heute liegt bei den Patentanmeldungen für Batteriespeichertechnologien Europa bereits an dritter Stelle, hinter Japan und Südkorea. Dies ist eine grosse Verbesserung. Es scheint, dass ein gezieltes und strategisches Eingreifen erfolgreich und vorteilhaft für Europa sein kann.

Verehrtes Haus! Verehrte Abgeordnete!

Es ist das Ziel des ungarischen Ratsvorsitzes, auf der informellen Tagung des Europäischen Rates am 8. November in Budapest ein neues Abkommen über die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu verabschieden. Ein neuer Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Ich bin davon überzeugt, dass ein politisches Engagement auf höchster Ebene den nötigen Anstoss für eine Wende in der europäischen Wettbewerbsfähigkeit geben wird. Ich schlage vor, dies in den Mittelpunkt des Aktionsplans für den kommenden institutionellen Zyklus zu stellen.

Gestatten Sie mir, nach der Wettbewerbsfähigkeit auch ein paar Worte zur Migrationskrise zu sagen. Seit Jahren steht Europa unter einem Migrationsdruck, der für die Mitgliedstaaten, insbesondere an den Aussengrenzen der Europäischen Union, eine enorme Belastung darstellt. Die Aussengrenzen der EU müssen geschützt werden! Der Schutz der Aussengrenzen liegt im Interesse der gesamten Europäischen Union und sollte daher von der EU massgeblich unterstützt werden. Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier vor Ihnen stehe, und es ist nicht das erste Mal, dass ich das sage, wie Sie sehen, dass sowohl Ungarn als auch ich persönlich seit 2015 ernsthafte politische Debatten über das Thema Migration führen. Ich habe viele Dinge gesehen, ich habe Initiativen, Pakete, Vorschläge gesehen, die mit grossen Hoffnungen aufgenommen wurden, und alle haben sich als erfolglos erwiesen. Hierfür gibt es nur einen einzigen Grund. Glauben Sie mir, ohne externe Hotspots können wir die Europäer nicht vor illegaler Migration schützen. Wenn wir jemanden einmal einreisen lassen, können wir ihn nie wieder nach Hause schicken, egal ob er ein legales Bleiberecht hat oder nicht. Es gibt nur eine Lösung: Nur diejenigen, die im Voraus eine Genehmigung erhalten haben, sollten in die EU einreisen dürfen, und betreten darf man die EU nur mit einer Genehmigung. Ich bin überzeugt, dass jede andere Lösung eine Illusion ist. Machen wir uns nichts vor: Das EU-Asylsystem funktioniert heute nicht. Die illegale Migration in Europa hat zu einer Zunahme von Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie geführt. Es gibt viele Menschen, die dagegen protestieren, aber ich möchte wiederholen, dass die Fakten für sich selbst sprechen: Die illegale Migration in Europa hat zu einer Zunahme von Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie geführt. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, das sind die Fakten. Die Folgen einer erfolglosen Migrationspolitik sind ebenfalls klar. Mehrere Mitgliedstaaten versuchen, Möglichkeiten zu schaffen, um aus dem Asylsystem auszusteigen.

Sehr geehrte Mitabgeordnete!

Illegale Migration und Sicherheitsbedenken haben zur dauerhaften und umfassenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen geführt. Ich denke, es ist an der Zeit, dieses Thema auf höchster politischer Ebene anzusprechen und darüber zu diskutieren, ob der politische Wille, den Schengen-Raum wirklich zum Funktionieren zu bringen, wiederhergestellt werden kann. Der ungarische Ratsvorsitz macht einen Vorschlag: Wir sollten ein System von Schengen-Summits schaffen. Rufen wir regelmässig Schengen-Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs des Schengen-Raums zusammen. Das hat schon einmal funktioniert. Ich erinnere mich, dass der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone ein wichtiger Teil unserer Reaktion auf die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 war. Es war eine erfolgreiche Koordination, was sich auch daran zeigt, dass wir sie 2012 mit einem internationalen Vertrag institutionalisiert haben: dem Euro-Gipfel. Ich sehe den Schengen-Raum heute in einer ähnlichen Krise, daher brauchen wir hier ein ähnliches politisches Engagement, einen Schengen-Summit, und dann eine Institutionalisierung durch einen internationalen Vertrag. Der ungarische Ratsvorsitz schlägt nicht nur vor, sehr geehrte Frau Präsidentin, dass der Schengen-Raum gestärkt und erweitert werden sollte, sondern der ungarische Ratsvorsitz schlägt auch vor, dass Bulgarien und Rumänien vor Ende des Jahres vollständig beitreten sollten.

Sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete!

Neben der Migration steht Europa auch vor einer Reihe anderer sicherheitspolitischer Herausforderungen, und der Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft am 7. November in Budapest, zwei Tage nach den US-Präsidentschaftswahlen, wird ein geeignetes Forum sein, um diese zu erörtern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die Europäische Union, wenn wir über europäische Sicherheit sprechen, heute nicht in der Lage ist, ihren eigenen Frieden und ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. Wir brauchen die politische Institutionalisierung der europäischen Sicherheit und Verteidigung. Der ungarische Ratsvorsitz sieht in der Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie und der Technologiebasis eine der besten Möglichkeiten, vielleicht sogar die beste, dies zu tun. Der ungarische Ratsvorsitz wird sich daher auf die Europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie und den Plan für die Verteidigungsindustrie konzentrieren, aber die Herausforderung ist komplexer als das, weil sie nationale und EU-Kompetenzen und sogar internationale Bündnisstrukturen betrifft. Der ungarische Ratsvorsitz kann sein eigenes Beispiel, das Beispiel Ungarns, anführen. Wir geben etwa 2,5 % unseres gesamten BIP für Verteidigungsausgaben aus, von denen ein grosser Teil auf die Entwicklung entfällt, der überwiegende Teil unserer Beschaffungen im Verteidigungsbereich stammt aus europäischen Quellen der Verteidigungsindustrie, und in Ungarn werden industrielle Investitionen in allen Segmenten der Verteidigungsindustrie unter Beteiligung europäischer Akteure getätigt. Wenn dies in Ungarn möglich war, ist es in der gesamten Europäischen Union möglich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Die Erweiterung ist auch ein vorrangiges Thema für den ungarischen Ratsvorsitz. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Erweiterungspolitik der EU leistungsorientiert, ausgewogen und glaubwürdig bleiben muss. Der ungarische Ratsvorsitz ist davon überzeugt, dass die Beschleunigung des Beitritts der westlichen Balkanstaaten eine Schlüsselfrage für die europäische Sicherheit ist. Die EU profitiert von der Integration der Region in wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer und geopolitischer Hinsicht. Wir müssen Serbien besondere Aufmerksamkeit widmen. Ohne den Beitritt Serbiens kann der Balkan nicht stabilisiert werden. Solange Serbien nicht Mitglied der Europäischen Union ist, wird der Balkan eine instabile Region bleiben. Ich möchte Ihnen mitteilen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass mehrere Beitrittskandidaten die technischen Voraussetzungen für einen weiteren Beitritt erfüllen, dass es aber an einem politischen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten mangelt. Ich bitte Sie, sich daran zu erinnern, dass die Union vor mehr als zwanzig Jahren ein Versprechen gegeben hat, nämlich das Versprechen einer europäischen Perspektive für die westlichen Balkanländer. Der ungarische Ratsvorsitz glaubt, dass es an der Zeit ist, dieses Versprechen einzulösen. Was wir tun können, ist das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den westlichen Balkanstaaten einzuberufen, auf dem wir Fortschritte erzielen möchten.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung zur europäischen Landwirtschaft. Wir alle wissen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft durch extreme klimatische Bedingungen, gestiegene Kosten, Importe aus Drittländern und übermässige Regulierung schwer geschädigt wurde. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass all dies heute die Existenz der europäischen Landwirte bedroht. Die Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit ist eine strategische Frage für alle Länder und auch für die Europäische Union. Deshalb möchte der ungarische Ratsvorsitz der künftigen Europäischen Kommission politische Leitlinien an die Hand geben, um eine wettbewerbsfähige, krisenfeste und bauernfreundliche europäische Landwirtschaft zu schaffen.

Sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments!

Der ungarische Ratsvorsitz hat neben der Landwirtschaft auch eine strategische Debatte über die Zukunft der Kohäsionspolitik angestossen. Die Diskussionen sind im Gange. Wie Sie zweifellos wissen, lebt etwa ein Viertel der EU-Bevölkerung in Regionen, deren Entwicklungsniveau weniger als 75 % des EU-Durchschnitts beträgt. Daher ist es für Europa von entscheidender Bedeutung, das Entwicklungsgefälle zwischen den Regionen zu verringern. Die Kohäsionspolitik ist keine Wohltätigkeit und kein Almosen, sie ist vielmehr die wichtigste Investitionspolitik der EU und eine Voraussetzung für das ausgewogene Funktionieren des Binnenmarktes. Der ungarische Ratsvorsitz ist der Ansicht, dass die Fortführung der Kohäsionspolitik von entscheidender Bedeutung ist, um das Wettbewerbspotenzial der Europäischen Union zu erhalten.

Verehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Der ungarische Ratsvorsitz sucht nach gemeinsamen europäischen Lösungen für gemeinsame europäische Probleme, die auf gesundem Menschenverstand beruhen. Aber wir sind nicht nur auf der Suche nach Lösungen. Wir, Ungarn, in der Europäischen Union werden weiterhin nach unseren Träumen streben, der Gemeinschaft freier und gleicher Nationen, der Heimat der Nationen, der Demokratie der Demokratien. Wir suchen ein gottesfürchtiges Europa, das die Würde der Menschen verteidigt, ein Europa, das an der Spitze von Kultur, Wissenschaft und Geist steht. Wir sind Mitglieder der Europäischen Union nicht wegen dem, was sie ist, sondern wegen dem, was sie sein könnte. Und solange wir glauben, dass wir Europa zu dem machen können, was es sein könnte, solange es überhaupt eine Chance dafür gibt, werden wir dafür kämpfen. Wir sind an einer erfolgreichen Europäischen Union durch den ungarischen Ratsvorsitz interessiert, und ich bin überzeugt, dass der Erfolg unseres Ratsvorsitzes der Erfolg der gesamten Europäischen Union sein wird. Lassen Sie uns Europa wieder gross machen!

Ich danke Ihnen, dass Sie mich angehört haben.