Mit dem Sonderfonds erreicht Deutschland das von der Nato seit langem geforderte 2-Prozent-Ziel, das ein jährliches Volumen von 75 Milliarden Euro vorsieht. Das ist eine imposante Summe. Deutschland rückt durch das Sondervermögen an die dritte Stelle weltweiter Etats – hinter den USA und China.

Dennoch: Das Geld reicht gerade mal fürs Nötigste.

Es wird Jahre dauern und viel mehr Geld kosten, bis die Armee wieder einsatzbereit ist.

Die materielle Einsatzbereitschaft des Grossgeräts der Bundeswehr – also im Wesentlichen allein die Munitionsbevorratung – verschlingt 20 Milliarden, weitere 20 werden nötig sein, um die Kasernen zu sanieren.

Panzer, Schützenpanzer, Kampfflugzeuge, Schiffe und U-Boote sind definitiv nicht gegeben. Zeitweise fuhr, schwamm, tauchte und flog kaum etwas in unserer teuren und immer teurer werdenden Truppe.

Personell fehlen der Bundeswehr seit Jahren mindestens 20.000 Soldaten. In ideeller Hinsicht hat die Bundeswehr kein tragfähiges Narrativ, das junge Menschen motivieren könnte, Soldat zu werden. Gesellschaftlich ist der Gedanke der Wehrbereitschaft faktisch nicht vorhanden. Es gibt hierzulande keine Bereitschaft, notfalls mit der Waffe in der Hand für das eigene Land zu kämpfen.

Die meisten jungen Deutschen sind nicht mehr bereit, freiwilligen Wehrdienst zu leisten. Und verteidigungspolitisch ist in den letzten Jahren vieles gar nicht, halbherzig oder falsch gelaufen.

Die jetzige Regierung glaubt, mit viel Geld und «Scheckbuch»-Mentalität alles ändern und die angesichts der russischen Aggression gegenüber der Ukraine mit Angst erfüllten Gemüter der Bevölkerung beruhigen zu können.

Prioritär müssen wir mit dem Sonderfonds von 100 Milliarden Euro die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr hochfahren. Das betrifft insbesondere neue Korvetten für die Marine, das schwere Grossgerät des Heeres einschliesslich neuer schwerer Transporthubschrauber.

Auch Mehrzweck-Kampfflugzeuge des Typs F-35 für die nukleare Teilhabe der Luftwaffe sowie weitere Eurofighter der neuesten Version werden beschafft. Daneben wird die Bundeswehr auch bewaffnete Drohnen bekommen. Sie sind aus fast keinem Konflikt mehr wegzudenken.

Eigentlich brauchten die deutschen Landstreitkräfte dringend drei einsatzbereite, voll ausgestattete, kampffähige Divisionen. Nur sind wir davon meilenweit entfernt. Wenn wir Glück haben, wird in ein paar Jahren eine Division einsatzbereit sein.

Wir müssen auch, mit Blick auf die neue Vorneverteidigung der Nato, eine Kampftruppe vorhalten können, die nicht mitten in Deutschland stationiert ist, sondern etwa an der Ostgrenze Polens oder in den baltischen Staaten. Die Voraussetzungen dafür fehlen noch.

Jetzt eine Diskussion über eine allgemeine Wehrpflicht zu lancieren, halte ich für nicht zielführend. Zuerst muss die Infrastruktur aufgebaut werden, was Jahre dauert.

Im Moment existiert die Möglichkeit des freiwilligen Wehrdienstes. Nur wird er sehr wenig angenommen. Für junge Menschen in Deutschland ist es nicht attraktiv, zur Armee zu gehen. Teilweise ist das auch die Schuld der Bundeswehr. Wer will schon in ein solches Abrissunternehmen eintreten?

 

Erich Vad ist Brigadegeneral ausser Dienst. Er war Zwischen 2006 und 2013 militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ist heute Inhaber der Beratungsfirma Erich Vad Consulting.
Protokolliert: Roman Zeller