Eine Karikatur macht die Runde: In Russland kriegt man Ärger, wenn man «Krieg» sagt, und in Deutschland, wenn man «Frieden» sagt. In der Tat, wer Frieden in Europa fordert, braucht ein dickes Fell.

Zu den Falken im westlich-russischen Verhältnis gehört der neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. Ein Mann, der immer alles richtig macht, angefangen mit der Wahl der Universitäten: St. Gallen in der Schweiz und Stanford in den USA. Danach Karriere im Auswärtigen Dienst, zwölf Jahre lang Angela Merkels aussenpolitischer Berater.

Manche behaupten, Merkels Rückkehr an die Seite der US-Fortschrittsmacht (nach den Ab- und Sonderwegen unter Gerhard Schröder) gehe auf Heusgens Konto. Mit Barack Obama war er geradezu seelenverwandt – zwei Idealisten, durchdrungen von liberalen Werten, der Überlegenheit der Demokratie und der aufklärerischen Mission des Westens.

So gesehen hat nicht einmal der Sowjetkommunismus diese Mission in einem Mass herausgefordert wie der Einmarsch des russischen Goliath im Nachbarland Ukraine. Die Moskauer Aggression negiert die Spielregeln der zivilisierten Welt, die rules-based international order. Diese Ordnung aufrechtzuerhalten, ist Ziel und Inhalt von Heusgens Berufung. Konsequent fordert er die «Deputinisierung» Russlands analog der Entnazifizierung der Deutschen nach 1945.

Doch die Forderung ertönt aus einer Wagenburg; die Welt ist weit davon entfernt, Heusgens Idealismus zu teilen. Er vertritt auch keine «internationale Gemeinschaft». Am Eröffnungstag der Konferenz beginnen russisch-chinesisch-südafrikanische Marinemanöver im Indischen Ozean. Ob es da hilft, dass Heusgen die Panels seiner Konferenz geschlechterparitätisch besetzt? Oder dass er keine AfD-Politiker einlädt, keine Offiziellen aus Russland, dem Iran und Nordkorea?

Heusgen ist ein Mann des Fortschritts. Aber was wird sein, wenn der Fortschritt ins Leere läuft?