Der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer vertrat nach der Wahl des AfD-Kandidaten bei der Landratswahl in Sonneberg die Ansicht, in Deutschland gebe es «ungefähr 20 Prozent braunen Bodensatz». Also 20 Prozent der Deutschen seien offene oder verkappte Nazis, oder – wie Kramer Tage später relativierend meinte – ein grösserer Teil der Bevölkerung sei auf problematischen Wegen unterwegs.

Um das einzuordnen, sollte man Folgendes wissen: Der oberste Chef von Herrn Kramer, Ministerpräsident Ramelow, wurde vom Bundesverfassungsschutz zwischen 1986 und 2013 als Linksextremist beobachtet. Man könnte sagen, er hatte mit 27 Jahren Beobachtung durch den Verfassungsschutz das «Silberjubiläum» eines Extremisten deutlich überschritten, ehe die Beobachtung eingestellt wurde. Die Beobachtung wurde allerdings nicht deshalb eingestellt, weil Ramelow endlich eingesehen hatte, dass die totalitäre kommunistische Herrschaftsform doch keine gute Idee ist und er zum überzeugten Anhänger der freiheitlichen Demokratie geworden ist. Nein, er hatte sich nicht geändert, er blieb sich treu. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz endete deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht 2013 feststellte, dass Politiker, auch wenn sie Extremisten sind, besonders privilegiert sind und nur in Ausnahmefällen vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen. Kurze Zeit später wurde er Ministerpräsident. Als die Bevölkerung ihn 2019 abwählte und der Landtag den FDP-Politiker Kemmerich zum Nachfolger wählte, verlangte die damalige Bundeskanzlerin die Rückgängigmachung der Wahl, und aufgrund des massiven Drucks auf ihn gab Kemmerich auf und überliess Ramelow das Feld. Es war eine Art Putsch.

Unter diesem Herrn Ramelow ist Stephan Kramer Chef des Landesverfassungsschutzes geworden.

Normalerweise muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Chef einer Behörde und eines Geheimdienstes zu werden. Dazu gehört insbesondere die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst, die man durch ein abgeschlossenes Jurastudium erwirbt. Natürlich sollte man darüber hinaus auch Erfahrungen und Kenntnisse aus einem Nachrichtendienst oder aus Sicherheitsbehörden haben. Herr Kramer hatte das Jurastudium abgebrochen und nach einer Reihe von Assistenzfunktionen für Politiker und einer Geschäftsführerfunktion in einer politiknahen Organisation einen Abschluss in Sozialpädagogik erworben.

Man könnte sagen: Sicherlich gab es Hunderte von Laufbahnbeamten und Geheimdienstlern, die das beamtenrechtliche Einstellungsprofil besser erfüllten als Stephan Kramer. Dass aber ausgerechnet er und nicht irgendein Prädikatsjurist oder Spitzenbeamter von Ramelows Regierung ausgewählt wurde, zeigt, dass er andere Qualifikationen haben muss, die das Beamtenrecht nicht kennt, die aber typischerweise für sozialistische Regierungen von zentraler Bedeutung sind: Loyalität, Linientreue, Gehorsam und Skrupellosigkeit.

Aus Sicht der Linksextremisten sind nur Sozialisten Demokraten. Die DDR hatte sich deshalb auch allen Ernstes als «demokratisch» bezeichnet. Menschen, die nicht sozialistisch sind, können nach diesem Verständnis keine Demokraten sein. Sie sind politische Feinde, die als Faschisten, Imperialisten und Konterrevolutionäre diffamiert und verfolgt wurden oder – wie man heute sagt – als Faschisten, Nazis und Verschwörungstheoretiker. Diese Leute sind aus linksextremistischer Sicht «braun», sie müssen bekämpft und vernichtet werden. Wir wissen, wie Sozialisten Geheimdienste missbraucht hatten, um diese Feinde des «demokratischen» Sozialismus zu bekämpfen.

Wenn jetzt der Chef des Landesverfassungsschutzes unter dem Kommunisten Ramelow behauptet, dass es in Deutschland ungefähr 20 Prozent braunen Bodensatz gebe, sagt er damit weniger etwas über den Rechtsextremismus in Deutschland als vielmehr darüber, dass wir in Thüringen ein Linksextremismus-Problem haben, und das sitzt in der Landesregierung.

Hans-Georg Maassen war von 2012 bis 2018 Präsident des deutschen Verfassungsschutzes.