Die Ampelkoalition ist ein paar Stunden nach dem Wahlsieg von Donald Trump am 6. November gescheitert. Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bundespräsidenten um die Entlassung des FDP-Finanzministers Lindner gebeten.

Die übrigen FDP-Minister sind mit Ausnahme des Verkehrsministers Volker Wissing, der jedoch die FDP verlässt, am 7. November zurückgetreten. Am 15. Januar will Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen, um Platz für Neuwahlen im März zu schaffen.

Gleichzeitig will der Kanzler mit der CDU Gespräche über eine Zusammenarbeit aufnehmen, wobei die Verabschiedung des Budgets und die Verteidigung am dringlichsten erscheint. Über wichtige Gesetze wie die Abschaffung der kalten Progression, die Stabilisierung der Rente, das Lieferkettengesetz, das neue europäische Asylsystem oder das Massnahmenpaket für die Industrie soll trotz Ampel-Bruch bis Weihnachten abgestimmt werden.

Aber für einige dieser Gesetze werden wohl keine Mehrheiten zustande kommen, weshalb deren Vorlage im Bundestag reine Zeitverschwendung ist. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) fordert deshalb, dass der Kanzler die Vertrauensfrage bereits innert Wochenfrist stellt und Neuwahlen im Januar 2025 stattfinden.

Gemäss Verfassung kann einzig der Kanzler die Vertrauensfrage stellen. Im Artikel 68 wird festgehalten: «Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.» SPD und Grüne kommen auf 324 der 733 Bundestagsstimmen, womit sie in der Minderheit sind.

Die Vertrauensfrage ist nicht mit einem Misstrauensvotum zu verwechseln. Letzteres ist ein Instrument des Bundestags, das von der Opposition genutzt wird, um das Vertrauen in den Bundeskanzler zu entziehen.

In Deutschland gibt es jedoch eine spezielle Form, das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum. Das bedeutet, dass der Bundestag nicht nur das Vertrauen in den amtierenden Kanzler entziehen kann, sondern gleichzeitig einen neuen Kanzler vorschlagen muss, der die Mehrheit der Stimmen erhält. Dies verhindert eine politische Instabilität und sorgt dafür, dass stets eine regierungsfähige Mehrheit vorhanden ist.

Das bis heute einzige erfolgreiche Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik fand 1982 statt, als Helmut Schmidt als Bundeskanzler abgewählt und Helmut Kohl zum Kanzler gewählt wurde. Eine solche Eskalation wäre auch denkbar.

Die Ampel ist an den Meinungsdifferenzen zum Budgetausgleich, aber insbesondere an unterschiedlichen Vorstellungen über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs gescheitert.

Kanzler Scholz machte die Lockerung der Schuldenbremse offenbar zur Bedingung für den Fortbestand der Ampelregierung, was Lindner nicht akzeptierte. Die SPD und die Grünen behaupten, für die Deckung der Budgetlücken hätten Vorschläge auf dem Tisch gelegen, aber die FDP hätte sie abgelehnt.

Die vom Kanzler an der Medienkonferenz aufgetischten vier Punkte – bezahlbare Netzentgeltkosten, Paket für die Automobilindustrie, Investitionsprämien und beschleunigte steuerliche Abschreibungen, Erhöhung der Unterstützungsgelder für die Ukraine – würden wohl zu weiteren Ausgaben und Einnahmenausfällen führen.

Es geht jedoch nicht nur um diese vier Posten. Die Differenzen sind grundsätzlicher Art, denn die Massnahmen zur Belebung der deutschen Wirtschaft basieren auf unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepten. Die FDP schlug marktwirtschaftliche Ansätze vor, während die SPD und die Grünen auf Staatsinvestitionen beharrten.

Der Kanzler beziehungsweise die SPD und die Grünen haben nach Ausführungen von Finanzminister Christian Lindner dessen Papier zur Wirtschaftswende nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert. Bereits zuvor hatte die SPD-Parteichefin Esken verkündet, dass keiner von Lindners Vorschlägen mit dem SPD-Parteiprogramm vereinbar sei.

Die aufgeputschte Stimmung könnte bei den vorgezogenen Bundestagswahlen den Randparteien AfD und BSW Auftrieb geben. Zusammen könnten sie durchaus auf 30 Prozent der Bundestagsmandate kommen und damit eine Sperrminorität erreichen.

Das Regierungsende in Deutschland kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Mit dem Wahlsieg der Republikaner in den USA wird die deutsche Exportindustrie zusätzlich unter Druck geraten, denn die USA sind der wichtigste Exportkunde, und dort drohen Schutzzölle.

Dazu kommen zusätzliche Milliardenbeträge für die Landesverteidigung, weil Präsident Trump von den Europäern höhere Beiträge für die Nato fordert. Ohne Geldsegen aus den USA wird auch die Unterstützung der Ukraine auf die EU-Länder zurückfallen. Um welche Beträge es hier geht, hat der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, aufgezeigt.

Er fordert eine rasche Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens in dieser Legislaturperiode auf etwa 300 Milliarden Euro, weil im nächsten Deutschen Bundestag eine Sperrminorität populistischer Parteien solche Mehrausgaben blockierten könnte. Zudem sei die Ukraine-Hilfe um 20 Milliarden Euro aufzustocken. Dabei sei die Notlageklausel anzuwenden, um die Schuldenbremse auszuhebeln.

Nach der Entlassung von FDP-Chef Lindner soll Jörg Kukies (SPD), Staatssekretär im Bundeskanzleramt, das Bundesfinanzministerium übernehmen. Ihm wird nun die Aufgabe zufallen, dass Budget 2025 unter Dach und Fach zu bringen. Es ist durchaus möglich, dass dieses wegen Streitigkeiten nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet werden kann. Das wäre nicht das erste Mal.

Vor allem nach Bundestagswahlen wird der Haushalt oft erst im darauffolgenden Jahr beschlossen. Nach der letzten Wahl 2021 dauerte es bis Ende Mai 2022, bis der Haushalt verabschiedet wurde. Bis dahin gilt die «vorläufige Haushaltsführung». Eigentlich ist diese Verzögerung nicht statthaft, denn in Deutschland liegt die Hoheit über den Haushalt beim Bundestag.

Wenn der alte Haushalt ausläuft, ohne dass es einen neuen gibt, müsste der Staat unverzüglich Zahlungen einstellen. Einen government shutdown wie in den USA verhindert in Deutschland aber das Grundgesetz in Artikel 111. Demnach darf die Bundesregierung mit der vorläufigen Haushaltsführung alle Ausgaben leisten, die nötig sind, auch beschlossene Massnahmen umzusetzen und Sozialleistungen weiter zu finanzieren.

Mit dem Ende der Ampel sind die Probleme Deutschlands aber noch lange nicht vom Tisch, denn auch bei einem Wahlsieg müsste die CDU eine Koalition mit einer oder zwei weiteren Parteien bilden. Da die CDU weiterhin eine Zusammenarbeit mit der AfD und wohl auch mit dem BSW ausschliesst, müsste sie mit der SPD oder den Grünen zusammengehen.

Damit würde die CDU gezwungen, auch links-grüne Anliegen in einen Koalitionsvertrag aufzunehmen. Der notwendige radikale Kurswechsel zur Gesundung der deutschen Wirtschaft würde im Keim erstickt.