Dieser Text erschien zuerst auf dem Online-Portal Nachdenkseiten.

Die Bilderberg-Konferenz 2024 findet gerade statt. Justizminister Marco Buschmann (FDP), Friedrich Merz (CDU-Vorsitzender) und Wolfgang Schmidt (Kanzleramtsminister) nehmen an dem Treffen hinter verschlossenen Türen teil. Seit Donnerstag hat sich der diskrete Zirkel in einem Hotel in Madrid zusammengefunden. Die Medien in Deutschland verhalten sich so, als würde es sich bei der Konferenz um eine Begegnung von Hausmeister Krause und Bademeister Müller handeln. Stand jetzt hat kein einziges grosses deutsches Medium über die Konferenz berichtet. Zu dem, was Regierungsmitglieder im Geheimen sagen, besteht aufseiten der «Wächter der Demokratie» offensichtlich kein Interesse.

Viele grosse Medien in Deutschland sind journalistisch entkernt. Die verdeckte oder gar offen zur Schau gestellte Komplizenschaft mit den Mächtigen lässt sich nahezu jeden Tag erkennen. Auch in diesen Tagen kommt wieder zum Vorschein, wie massiv die Zerfallsprozesse im Journalismus sind. Gehört es nicht zu einer der Kernaufgaben von Journalisten, dorthin zu leuchten, wo die Mächtigen auf dieser Welt das Licht ausmachen? Allein, dass man diese Frage stellen muss – und das muss man! –, zeigt den Abgrund, auf den wir hier blicken.

Gerade ist folgende Situation zu beobachten: Der Kanzleramtsminister, der Justizminister und der Vorsitzende einer grossen Volkspartei, der immerhin der nächste Kanzlerkandidat sein könnte, treffen sich. Sie treffen sich nicht offiziell. Sie treffen sich nicht in der Öffentlichkeit. Nein, sie treffen sich auf verschwiegene Weise. Die Namen von Marco Buschmann, Friedrich Merz, Wolfgang Schmidt stehen auf der Teilnehmerliste eines hochgradig machtelitären Zirkels, der (mit wenigen Ausnahmen) seit 1954 einmal im Jahr zusammenkommt. Für dieses Treffen wird ein komplettes Hotel gemietet. Privates und staatliches Sicherheitspersonal fährt auf. Die Zusammenkunft des erlauchten Gremiums mit Namen «Bilderberg-Konferenz» wird hermetisch abgeschottet.

Buschmann, Merz und Schmidt treffen sich also nicht allein. Rund 140 weitere Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft, Adel und den Medien (!) sind, handverlesen, vom Lenkungsausschuss der Gruppe eingeladen. Gut möglich also, dass die drei Politiker Personen begegnen wie: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dem ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba, dem polnischen Aussenminister Radoslaw Sikorski, dem polnischen Finanzminister Andrzej Domański, Finnlands Präsidenten Alexander Stubb, dem Aussenminister Finnlands, Anders Adlercreutz, dem EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, dem Nato- und EUCOM-Kommandeur Christopher G. Cavoli, dem Präsidenten von Warner Brothers Discovery International, Gerhard Zeiler, dem König der Niederlande, dem Präsidenten von Microsoft Research, Peter Lee, dem Chef von Palantir Technologies, Alex Karp, dem Chef von Google DeepMind, Dennis Hassabi, oder etwa dem Chef von Pfizer – um nur einige Beispiele aufzuführen.

Paolo Gentiloni sagte übrigens die Tage: «Russland hat einen Angriffskrieg geführt, es kann nicht siegen.» Ein Zitat, dessen mitschwingende ideologische Grundrichtung durchaus als repräsentativ für den stramm transatlantisch geprägten Bilderberg-Zirkel betrachtet werden kann. Die angeführten Namen, aber auch die gesamte Liste verdeutlicht: Das ist kein Treffen von Hausmeister Krause und Bademeister Müller. Hier geht es um Weltpolitik. Auf der Agenda stehen unter anderem die Themen «Zukunft der Kriegsführung», «Ukraine und die Welt», «Russland», «China» oder «Wechselnde Gesichter der Biologie».

Wie kann es also sein, dass deutsche Medien, Alphajournalisten, Leitartikler und Chefredakteure sich bei einem derartigen Treffen die Augen verbinden, die Finger in ihre Ohren stopfen und dabei auch noch versuchen, den Mund zuzuhalten? Die angeblich so qualitativ hochwertige Presse Deutschlands samt dem milliardenschweren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die sich zusammen auf die Fahne geschrieben haben, Öffentlichkeit herzustellen, machen genau das Gegenteil. Sie agieren im Drei-Affen-Modus. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Nicht, dass dieses Verhalten neu ist. So reagieren Medien seit über 70 Jahren im Hinblick auf die Konferenz. Seit den 2010er-Jahren finden sich hier und da Artikel in grösseren Medien. Aber man merkt ihnen das Zähneknirschen regelrecht an. Wir sehen eine Presse, die «zum Jagen getragen» werden muss. Also zumindest, wenn es um Machteliten geht. Gerade auch im Hinblick auf die gegenwärtige weltpolitische Situation ist das Verhalten der Journalisten unentschuldbar.

Die Lage zwischen der Nato und Russland spitzt sich immer weiter zu. Auf der Bilderberg-Konferenz kommen unter anderem hochrangige Vertreter aus der Ukraine, Polen, Finnland und Schweden zusammen. Das heisst: Schlüsselländer im Hinblick auf den sich verschärfenden Konflikt. Hätte die Qualitätspresse vielleicht die Güte, in Anbetracht eines drohenden 3. Weltkriegs genauer in die Zirkel wie Bilderberg zu leuchten? Könnten ARD und ZDF vielleicht – also wenn es nichts Wichtigeres gibt – ein Team nach Madrid schicken und das machen, was Journalisten gelegentlich tun sollten: Recherchieren, Politikern auf die Pelle rücken, unangenehme Frage stellen? Könnten die Vertreter der grossen Medienhäuser Buschmann, Merz und Schmidt fragen, wer für die Reisekosten aufkommt? Oder wie die Herren solche abgedunkelten Treffen im Hinblick auf den Geist der Demokratie einordnen?

Ist das zu viel verlangt? Offensichtlich ist es das. Schliesslich: Die Konferenz wird als «privat» deklariert. Und: Sollte die Presse nicht die Privatsphäre von Politikern achten? Gewiss. Das hohe Mass an Heuchelei einer vor den Mächtigen katzbuckelnden Medienlandschaft lässt sich nicht verdecken. Schliesslich: Seit wann respektiert die Presse Privatsphäre? Die Bilderberg-Konferenz findet von 30. Mai bis 2. Juni in Madrid statt. Bei ARD, ZDF samt ihren Brüdern:innen und Schwestern im Geiste sehen die Mediennutzer zur Bilderberg-Konferenz: nichts.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Demnächst erscheint von ihm: «Kriegstüchtig! Mobilmachung an der Heimatfront».