Die grünliberale Nationalrätin Kathrin Bertschy ist Co-Präsidentin von Alliance F, dem früheren «Bund Schweizerischer Frauenvereine». Sie forderte dieser Tage, man solle die Prostitution unter Strafe stellen, wie dies nordische Staaten heute schon vormachen.

Diese doch eher radikale Forderung ist in der Schweiz weder ganz neu, noch war sie in der Vergangenheit ganz erfolglos. Die vor allem von Frauenvereinen getragene «Sittlichkeitsbewegung» erreichte 1886 ein Bordellverbot in Lugano, 1897 in Zürich und 1899 in Lausanne. Doch nicht nur das: Bis in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde das System der tolerierten Bordelle in der ganzen Schweiz aufgehoben.

Dieses (offizielle) Totalverbot lag also ziemlich genau in der Zeit des Alkoholverbots (Prohibition) in den USA. Die Folgen sind bekannt: Es blühten die Kriminalität und mafiöse Strukturen, illegale Bars schossen wie Pilze aus dem Boden, die Qualität der alkoholhaltigen Getränke gefährdete oftmals die Gesundheit der illegal trinkenden Konsumenten.

Das hiesige Bordellverbot fiel mit der sexuellen Revolution der 1970er Jahre in sich zusammen. Manche Ärzte und Politiker hielten das Verbot seit je für seuchenpolizeilich problematisch, da in den Bordellen bei den Prostituierten wenigstens sporadisch medizinische Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten erfolgten.

Die Prostitution wurde – anders als von Kathrin Bertschy gefordert – in der Schweiz nie unter generelle Strafe gestellt, führte aber lange ein öffentlich kaum thematisiertes Schattendasein. In bestimmten Zonen war der Strassenstrich geduldet, ebenso das Anbandeln zwischen Prostituierten und Freiern in Bars oder Cabarets.

Sittlichkeitsbewegungen und deren Aktivistinnen wirkten schon zur Zeit ihres Wirkens wie aus der Zeit gefallen. Davon zeugt die Anekdote von jener Dame, die am Bahnhof einen Herrn anspricht: «Spenden Sie auch für gefallene Mädchen?» Worauf dieser antwortete: «Nein danke, ich spende direkt.»