Am 12. Januar verstarb der amerikanische Blogger und Selenskyj-Kritiker Gonzalo Lira in einem ukrainischen Gefängnis an einer Lungenentzündung. Der mit einer Ukrainerin verheiratete und in Charkiw lebende Lira sass offiziell wegen Russland-freundlicher Berichterstattung (Rechtfertigung des Angriffs auf die Ukraine, Bestreiten von Kriegsverbrechen) in Haft.

Gut einen Monat später, am 14. Februar, verstarb der russische Anwalt, Politiker und Putin-Kritiker Alexei Nawalny unter bislang unbekannten Umständen in einem russischen Gefängnis. Nawalny sass eine langjährige Strafe ab, die zum Teil mit angeblichen Wirtschaftsdelikten (Betrug, Veruntreuung, Geldwäsche), zum Teil mit angeblichem Rechtsextremismus («Gründung einer extremistischen Organisation», «Nazi-Ideologie») begründet wurde.

Lira wie Nawalny waren schillernde und widersprüchliche Figuren. Beide waren offenkundig politische Gefangene, wenngleich von völlig unterschiedlichem Kaliber. Obwohl sich auch Lira über Folter beklagte, dürften die Haftbedingungen für Nawalny im sibirischen Straflager Nr. 3 «Polarwolf» ungleich härter gewesen sein.

Trotzdem verwundert es, dass die US-Regierung – und mit ihr fast die ganze westliche Presse – sich mehr für das Schicksal des russischen Dissidenten interessiert als für den eigenen Staatsbürger. Während Liras Tod höchstens am Rande und ohne kritische Nachfrage vermeldet wurde, ist der Tenor im Fall von Nawalny von stupider Eintönigkeit geprägt: Putin hat ihn ermordet!

Irgendwelche Belege? Fehlanzeige.

Nun gilt es als notorisch, dass russische Dissidenten an mysteriösen Vergiftungen, Flugzeugabstürzen oder Krankheiten sterben. Das sind die klassischen Methoden des einstigen KGB, wo Putin seine Karriere begann. Leider bildete der KGB damals auch den ukrainischen Geheimdienst aus.

Für jede kriegsführende Armee ist die Irreführung des Feindes durch Desinformation ein legitimes Mittel. Aufrichtige Information wäre ein gravierender Kunstfehler.

Indem die westlichen Medien die Meldungen aus der Ukraine völlig unkritisch übernehmen, während Informationen aus Russland unterdrückt oder umgedeutet werden, haben sie sich nicht nur zur Kriegspartei gemacht. Sie haben ihre Informationspflicht der Propaganda geopfert.

So stellt keiner die Frage, ob Nawalnys Tod zu diesem Zeitpunkt tatsächlich im Interesse Putins liegt – ausgerechnet jetzt, wo er den Frieden beschwört und im Westen für Verständnis wirbt.

Natürlich könnte auch das eine Irreführung sein. Vielleicht auch nicht.

Nichts ist gewiss, alles ist Spekulation in Kriegszeiten.