In der NZZ hat Martin Dahinden, der frühere Schweizer Botschafter in Washington und Chef der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (Deza), in klaren Worten festgehalten, was alle «ernstzunehmenden Akteure» wissen: Das nach wie vor gültige Haager Abkommen und das Neutralitätsrecht legen die Rechte und die Pflichten neutraler Staaten im Kriegsfall fest. «Sie betreffen aber keinesfalls – weder explizit noch implizit – die Frage, ob der Einsatz von Gewalt legitim ist oder nicht.»

Denn, so Dahinden, bei manchen Kriegen sei nicht klar beziehungsweise umstritten, ob es sich um legitime Selbstverteidigung handle oder um eine völkerrechtswidrige Aggression. Besonders heikel zu beurteilen sei das, wenn Staaten präventiv ein Recht auf Selbstverteidigung mit militärischen Mitteln in Anspruch nähmen.

So erklärte die Schweiz 1914 ihre strikte Neutralität, als das neutrale, wehrlose Belgien von den Truppen des deutschen Kaiserreichs überfallen worden war. Genau dasselbe geschah, als die Nazis 1939 in Polen einmarschierten. Auch beim überaus fragwürdigen Krieg der USA in Vietnam in den sechziger und beginnenden siebziger Jahren blieb die Schweiz stumm. Alt Botschafter Martin Dahinden macht darauf aufmerksam, dass die Schweiz keine fallweise, sondern eine dauernde und bewaffnete Neutralität verfolgt.

Nun fällt ihm der frühere Berner Staatsrechtsprofessor Thomas Cottier in die Parade. Für ihn ist gültiges Völkerrecht wie die Haager Konvention «aus der Zeit gefallen». Dieser eingefleischte Internationalist und EU-Turbo hat sein ganzes Staatsleben lang die verfassungsmässigen Werte der schweizerischen Unabhängigkeit, der Rechte des Volkes und der Neutralität mit Füssen getreten.

Den Gipfel von Thomas Cottiers undisziplinierten Denken stellt folgender Satz dar: «Die Schweiz ist völkerrechtlich berechtigt und menschenrechtlich verpflichtet, die Weitergabe von bereits verkauftem Kriegsmaterial durch Nato-Staaten an die Ukraine zu erlauben.» Was das Menschenrecht betrifft, soll er einen einzigen Verfassungsgrundsatz, einen einzigen Gesetzesartikel oder eine einzige Uno-Resolution vorbringen, die dies fordert.

Genauso gut könnte Professor Cottier folgenden Satz in der NZZ festhalten: «Die Schweiz ist völkerrechtlich berechtigt und menschenrechtlich verpflichtet, alles für richtig zu befinden, was Thomas Cottier behauptet.»

Die 3 Top-Kommentare zu "Für Professor Thomas Cottier ist die Lieferung von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine eine «menschenrechtliche Verpflichtung». Wo bitte steht das?"
  • Stefan Christen

    Die Schweiz hat nicht das Recht, ein Regime zu unterstützen, das durch den Putsch einer demokratisch gewählten Regierung an die Macht kam, danach die Minderheiten im Land massiv diskriminiert und massakriert hat um nun einen Krieg gegen diejenigen zu führen, die der geschundenen diskriminierten Minderheit zu Hilfe gekommen ist. Die Schweiz hat sich strikte neutral zu verhalten und hat dann - und nur dann - eine Möglichkeit, in einem Konflikt zu vermitteln.

  • adisch

    Vermutlich hat diese Professor zu wenig lange studiert.

  • sandor sz

    Das steht in dem „Papier/Anleitung“ die diesem Kriegsbefürworter vorgelegt wurde...er hat das dann, wie ein Schauspieler, genauso wiedergegeben...so einfach ist das