Gewerkschaftsboss und Ständerat Pierre-Yves Maillard (SP) nutzte seine Chance am grössten Politanlass der Schweiz, am Albisgüetli-Treff der SVP, seine Argumente zur 13. AHV-Rente vorzutragen. Eine auch nur rudimentäre Hinterfragung entlarven seine Darbietungen als üble Irreführung des Publikums, als Sammelsurium von Widersprüchen und Weglassungen.

Zur Einleitung erzählte er von einer armen Frau, die in ihrem eigenen Haus wohne, immer gearbeitet und AHV-Beiträge bezahlt habe. Sie sei nun nicht mehr in der Lage, die hohen Heizkosten zu bezahlen, weshalb sie gezwungen sei, jeweils nur noch das Zimmer, in dem sie sich aufhalte, mit einem Elektro-Ofen zu beheizen. Die Schilderung erweckt Mitleid, vernebelt aber die wahren Gründe.

Ich weiss nicht, wie die Frau zu einem eigenen Haus gekommen ist. Entweder hat sie es geerbt oder aus ihren Ersparnissen erworben. Ihr Eigenheim könnte Teil ihrer Altersvorsorge sein, aber als Hausbesitzerin ist sie verpflichtet, ein fiktives Einkommen, den Eigenmietwert, der ihrem steuerbaren Einkommen zugeschlagen wird, zu versteuern. Das ist ein wesentlicher Grund, warum der Rentnerin Geld zum Leben fehlt. Seit Jahren versuchen die SVP und andere bürgerliche Parteien, diesen Eigenmietwert abzuschaffen. Die SP, inklusive Maillard, stellten sich immer dagegen. Andererseits konnte die bejammerte Eigenheimbesitzerin in den vergangenen Jahren von rekordtiefen Hypothekarzinsen profitieren. Diese sind zwar unlängst etwas angestiegen, liegen im historischen Kontext aber immer noch tief.

Mit einem Elektro-Ofen zu heizen, weil die Ölheizung zu teuer geworden sei, verkennt die Fakten. Während die Heizölpreise seit dem Höchststand im Oktober 2022 wieder um 27 Prozent gefallen sind, werden die Elektrizitätspreise 2024 um 17 Prozent ansteigen. Heizöl extraleicht unterliegt zusätzlich einer CO2-Abgabe von 31.80, das Erdgas von 32.16 Rappen pro Liter. Dazu kommen minime Mineralölsteuern. Stärker ins Gewicht fallen aber die Mehrwertsteuern, die per Januar 2024 um weitere 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent erhöht wurden. Je höher die Energiepreise steigen, umso mehr kassiert der Staat mit. Sogar auf den CO2-Abgaben und der Mineralölsteuer fallen Mehrwertsteuern an. Die hohen Energiepreise sind weitgehend die Folge einer verfehlten Energiepolitik, für die die Bundesrätinnen Doris Leuthard (Mitte) und Simonetta Sommaruga (SP) und ihre Genossen verantwortlich sind. 75 Prozent der Elektrizitätswirtschaft ist zudem in öffentlichem Besitz.

Der Verweis auf das AHV-Vermögen von 50 Milliarden Franken ist schöngefärbt, denn die Zahl stammt aus dem Jahr 2021. Ende 2022 stellten sich die Eigenmittel der AHV nach einem massiven Anlageverlust auf nur noch 47 Milliarden. Damit wurde auch das AHV-Gesetz geritzt, denn dieses schreibt im Artikel 107 Abs. 3 AHVG vor, dass der AHV-Ausgleichsfonds Ende Jahr in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken darf. Das war Ende 2022 mit 98,4 Prozent aber der Fall, denn die Ausgaben beliefen sich auf 48 Milliarden. Das AHV-Vermögen enthält auch noch 10 Milliarden Franken Darlehen an die IV, womit das tatsächlich nutzbare Vermögen nur 37 Milliarden beträgt. Die von Maillard zitierte Zunahme des AHV-Vermögens um 27 Prozent bis 2030 auf 60 Milliarden, die aus der Perspektivstudie des Bundes vom Juli 2023 stammen, unterstellt, dass bis 2030 in keinem Jahr Anlageverluste anfallen, die jährlichen Beiträge um 1,9 Prozent, die Bundesbeiträge um 2,8 Prozent und die Mehrwertsteuereinnahmen um 6,1 Prozent ansteigen sollen.

Die Problematik der rasch wachsenden Rentnerzahl wegen der Babyboomer-Generation, die in Pension geht, und die steigende Lebenserwartung blendete er wohlweislich aus. Ebenso die Tatsache, dass 35 Prozent der Renten ins Ausland gehen, an Rentner, die nicht wie die hiesigen über Mehrwert- und andere Steuern zur AHV beitragen. Zum Schluss seiner Rede verstieg sich Maillard noch zur Behauptung, wegen der Inflation und der Kaufkraftverluste der letzten zwei Jahre sei es zu einem Rekord-Geburtenrückgang gekommen. Das ist blanker Unsinn. Wenn dies der Fall wäre, dann könnte die SNB ja die Geburtenrate in der Schweiz mit ihrer Geldpolitik steuern. Fazit: eine fachlich eher fragwürdige Präsentation eines Gewerkschaftschefs.