Sahra Wagenknecht ist kein Übermensch. Nicht im nietzscheanischen Sinne und auch sonst nicht. Aber sie denkt gerne gross – bereits nach dem Abitur strebte sie danach, es Hegel nachzutun und ein System zu entwickeln, das die Welt in ihrer Gesamtheit interpretiert.

Nun treibt ihr offenbar nie versiegender Ehrgeiz die Ex-Linken-Politikerin dahin, der grösstenteils behäbigen bis kompasslosen Parteienlandschaft in Deutschland eine neue Richtung zu geben. Am Montag stellte sie mit mehreren Mitstreitern das «Bündnis Sahra Wagenknecht» vor, das im Jahr 2024 in die Gründung einer neuen Partei münden soll, die bei der nächsten Europawahl antreten wird und möglicherweise auch bei den Landtagswahlen im Osten.

Doch statt diesem Aufbruch Respekt zu zollen – gerade in einem Land, das Richtung Abgrund braust –, kommentieren die Medien vorrangig abschlägig. Hochnäsige Abgesänge, die Wagenknecht wahlweise zum Kommunismus- oder Populismus-Monster aufblähen. Und zig weitere Etikettierungen auf plumpem Lanz-Niveau.

Mindestens Feministinnen müssten stolz sein auf diese souveräne, wagemutige und unerschrockene Frau. Deren Klugheit ihr mitunter schwerstes Pfund sein dürfte. Ungewohnt genug. Sind doch seit der Baerbock-Ära Regierungspolitikerinnen Mangelware, die in einer Intelligenz-Liga spielen, für die man sich nicht schämen muss.

Natürlich braucht es mehr als eine One-Woman-Show. Denn noch mal: Sahra Wagenknecht ist kein Übermensch. Ihr Bündnis muss nicht das von den etablierten Parteien erhoffte Wundermittel gegen die AfD sein, auch wenn Wagenknecht das wohl selbst gerne so sieht. Und auch die Bundesbürger sollten sie nicht, durch multiple Krisen verführt, zur Heilsbringerin hochstilisieren.

Aber es tut not, sich in Anbetracht eines Neubeginns wieder zu besinnen auf das, was Hermann Hesse einst so trefflich in Worte fasste: «Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.»