Der deutsche Stand-up-Comedian Nikolai Binner wurde wegen seiner Comedy angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen ihn. Die Weltwoche berichtete darüber.

 

Weltwoche: Welche sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft?

Nikolai Binner: Im Schreiben, welches ich bekommen habe, wurden ein paar Witze zitiert. Beispielsweise zitierte ich in einem Video Sätze wie ‹Ungeimpfte sind Sozialschädlinge›. und fügte dann Volksjubel-Ausschnitte aus der Nazi-Zeit ein, um zu zeigen, was für eine Sprache da gegen Ungeimpfte verwendet wird. Mir wird deshalb vorgeworfen, den Nationalsozialismus verharmlost zu haben.

Weltwoche: Will man dir damit die einzelnen Witze verbieten?

Binner: Es wird nicht direkt so gesagt, aber man versucht mich mundtot zu machen, indem man mir quasi eine Straftat auslegt. Ein indirektes Witz-Verbot also, zumindest scheint das jemand zu versuchen.

Weltwoche: Weisst du, wer die Klage eingereicht hat?

Binner: Nein, leider nicht. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft die Akte nicht rausgerückt. Möglicherweise ist es nur ein Einschüchterungs-Manöver. Es haben aber zirka vier andere Corona-kritische Leute in meinem Bekanntenkreis ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft bekommen im exakt selben Zeitraum. Ich will nicht sagen, dass das unbedingt was zu bedeuten hat, könnte auch Zufall sein, aber auffällig ist das schon. Es wirkt koordiniert.

Weltwoche: Hat Comedy für dich Grenzen, oder darf Humor alles?

Binner: Humor darf alles, ganz besonders, wenn er stark ist. Das ist natürlich auch Geschmackssache, aber es gibt schon Comedians, bei denen man, ob man sie nun mag oder nicht, erkennen kann, dass sie ihr Handwerk beherrschen und starke Witze schreiben. Als Comedian ist für mich ist jede Art von Witz von der Kunstfreiheit gedeckt. Dass meine Videos satirisch sind, sollte ein blinder mit einem Krückstock erkennen können, auch wenn sie natürlich ganz klar Ausdruck einer inneren Haltung sind.

Weltwoche: Deine Witze werden von einigen als «antidemokratisch» bezeichnet. Wie stark war/ist die Kritik an deiner Comedy?

Binner: Ich glaube, die Leute, die mich versuchen zu canceln, gehören zur Minderheit. Aber heute reicht es schon, wenn irgendjemand auf Twitter schreibt, dass man ein rechter Comedian sei, und schon wird man sofort gecancelt vom nächsten Veranstalter, oft auch aus Angst vor einem Shitstorm. Und «antidemokratisch» wird in meinem Fall einfach als Synonym für «nicht systemtreu» missbraucht.

Weltwoche: Gibt es Künstlerkollegen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben?

Binner: In der Comedybranche wenige, was aber daran liegt, dass sich die wenigsten kritisch äussern. Ludger K. fällt mir da nur ein, aber die meisten machen ja auch mit bei dem Cancel-Scheiss. Manche Comedians springen sogar ab, wenn ich bei einer Comedyshow dabei bin. Einem Comedian aus der Berliner Comedy-Szene wurde neulich sogar seine Berliner Comedy-Club-Show weggenommen, weil er mit mir auf einer Bühne stand. Das hat schon gereicht. Kontaktschuld. Aber in der Künstlerszene deutschlandweit, wenn man aus dem Comedybereich rausgeht, hat es sehr viele getroffen.

Weltwoche: In deinem Video sagst du, dass die Selbst-Zensur zunimmt. Glaubst du, dass man dieser Entwicklung mit Comedy entgegenwirken kann?

Binner: Das ist meine Hoffnung. Ich glaube, es gibt immer diesen Domino-Effekt. Wenn einer anfängt, sein Maul aufzumachen, dann machts vielleicht der Nächste.