Es fragt sich langsam, ob es sich um eine Art Fetisch handelt. Es könnte auch eine Zwangsstörung vorliegen oder vielleicht sogar eine Form von Verfolgungswahn. Überall Nazis zu wittern, kann auf jeden Fall nicht besonders gesund sein.

Ferndiagnosen sind freilich unredlich. Aber es wäre nicht die schlechteste Idee, im politischen Berlin eine Selbsthilfegruppe zu initiieren, damit die Betroffenen endlich mal offen über ihre NS-Fixierung reden können. Und warum sie davon einfach nicht loskommen.

Hendrik Wüst beispielsweise. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist erneut vor öffentlich-rechtliche Mikrofone getreten, um – unmittelbar nach Frau Strack-Zimmermann («Haufen Scheisse») – zu verkünden, die AfD sei eine «Nazipartei», in der «stramme Nazis den Takt angeben». Der CDU-Mann gab sich bereits alarmistisch, als die AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern starke Ergebnisse eingefahren hatte. Seine Argumentation baute er da wesentlich auf Björn Höcke auf, da man ihn «einen Nazi nennen darf».

In seinem aktuellen Statement wiederholte Wüst, Thüringens AfD-Chef habe «verstörende Äusserungen zum Thema behinderte Kinder» von sich gegeben. Welche Assoziationen er damit lostreten will, ist ebenso durchsichtig wie die Vokabel «Deportation», die er fast beiläufig fallenlässt in Bezug auf die «merkwürdige Konferenz». Eine Anspielung auf ein jüngst bekanntgewordenes Treffen am Lehnitzsee, das bereits im November stattfand und im medial-politischen Geraune als «zweite Wannseekonferenz» gebrandmarkt wird – trotzdem die ursprüngliche Correctiv-Recherche dazu mehr als dürftig ist.

Immer mehr Menschen durchschauen, was damit versucht werden soll. Wenn einer in Bayern sagt, «I bin doch ned auf da Brennsuppn dahergschwomma», dann will er klarstellen, dass er sich nicht für blöd verkaufen lässt. Das signalisiert auch die Bevölkerung. Die Weigerung, sich von NS-Analogien vernebeln zu lassen, wird vielerorts immer stärker.

Die abschreckende Wirkung verfängt nicht, im Gegenteil.

Dass man sich nicht jeden Nazi-Bären aufbinden lässt, ist eine gute Nachricht. Zugleich wäre es intellektuelle Schlamperei, sich in dieser Hinsicht völlig taub zu stellen. Die AfD muss ebenso auf den Prüfstand wie alle anderen Parteien. Argumente und Beweise sind dabei eine gute Sache. Sie sollte man parat haben, um den Schaumschlägern nicht das Feld zu überlassen.