Es gab schon einmal eine Zeit, in der die Schweiz ihre Neutralität preisgegeben hat. Der Bundesrat glaubte 1920 schlaumeierisch, er könne die wirtschaftlichen Sanktionsmassnahmen des Völkerbundes gegen andere Staaten mitmachen, aber auf militärische Massnahmen verzichten. Nach einem heftigen Abstimmungskampf beschloss der Souverän hauchdünn, dem Völkerbund beizutreten.

Als der italienische Diktator Mussolini 1935 Abessinien angriff, sollte sich die Schweiz am Wirtschaftskrieg gegen Italien beteiligen. Italien aber hatte ein begehrliches Auge auf das Tessin geworfen und drohte der Schweiz unverhohlen mit militärischer Aggression. Unser Land war darum heilfroh, als es 1938 – kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – aus dem Völkerbund austreten und zur vollständigen Neutralität zurückkehren konnte. Der bodenständige Bauer und Bundesrat Rudolf Minger soll ausgerufen haben: «Endlich ist der Albdruck vorbei!»

Was können wir daraus lernen? Auch Wirtschaftssanktionen – früher «Brotsperre» genannt – sind eine Kriegsform. Und sie treffen weniger die schuldigen Machthaber als die unschuldige Bevölkerung. Nachdem eine Mehrheit in Bundesrat und Parlament beschlossen hat, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, setzte Russland die Schweiz umgehend auf die Liste der «feindlichen Staaten». Damit ist die Schweiz Feindpartei eines Landes, das sich im Krieg befindet. Es handelt sich um eine Grossmacht mit vergleichsweise gewaltigem Waffenarsenal, ja sogar mit Atomwaffen.

Wir können nur wünschen, dass der Krieg bald endet und nicht über weitere Grenzen brandet. Denn Polen und Deutschland könnten dem russischen Aggressor wenig entgegensetzen. Und schon stünde der Gegner an unserer Grenze. Es würde sich lohnen, Entscheide zu Ende zu denken. Bleibt nur zu hoffen, dass dem Schweizer Volk die Augen aufgehen!