Die Schlagzeilen zu den angeblichen Urhebern der Nord-Stream-Sprengungen reissen nicht ab. Ein pensionierter Agent des britischen Marinegeheimdiensts verfolgt den Funkverkehr russischer Schiffe auf der Ostsee; ein US-Investigativreporter beruft sich auf anonyme Quellen in der Washingtoner Administration; die New York Times verbreitet Details zu einer «pro-ukrainischen Gruppe» und einem verdächtigen Segelboot – das sind nur drei der in den vergangenen Wochen gehandelten Fingerzeige.

Im scharfen Kontrast zum Engagement selbsternannter Ermittler steht die Zurückhaltung staatlicher Stellen. Anfragen deutscher Parlamentarier werden ausweichend oder mit dem Hinweis auf Geheimhaltungsinteressen beantwortet. Man könnte glauben, sämtliche Verdächtigen hätten sich zu einer Allianz des Schweigens zusammengetan.

Vorerst ist es sinnvoller, nicht nach den Tätern zu fragen, sondern danach, wem die Tat zuzutrauen ist. Und das sind alle, die sich von den Sprengungen Vorteile versprechen: von den US-Geostrategen bis zu den Moskauer Falken, denen die Abwendung vom Westen nicht rasch genug gehen kann.

Nicht zu vergessen die klammheimlichen Sympathisanten in den ostmitteleuropäischen Hauptstädten. Es war ja auch ein dreistes Stück deutscher Russland-Politik: 110 Milliarden Kubikmeter Pipelinegas im Jahr (die Kapazität aller vier Röhren) zu einem Preis, der ein Drittel unter dem Weltmarktpreis für Flüssiggas lag. Und das, ohne irgendwelche Transitländer mit Durchleitungsgebühren zu subventionieren.

Wo immer die Urheber der Sprengungen zu suchen sind, geschadet haben sie nur den deutschen Verbrauchern und der deutschen Industrie. Das übrige Europa darf Genugtuung spüren: Kein deutscher Gas-Sonderweg mehr, keine deutsche Extrawurst in Gestalt russischen Billiggases. Wieder ein Stück Autonomie weniger.