Europa erlebt an den Energie-Märkten wegen beabsichtigter und unbeabsichtigter Angebots-Beschränkungen und vieler neuer Nutzungen (z.B. E-Mobilität) nie dagewesene Preissteigerungen.

Im Januar 2022 lag der Preis für Elektrizität an der European Energy Exchange bei rund 5 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Heute liegt der Preis für Strom, der im ersten Quartal 2023 geliefert wird, bei mehr als 100 Rappen pro kWh, also mehr als 20-mal höher (+2000 Prozent).

Für Haushalte und Unternehmungen, die ihren Strom vom örtlichen Elektrizitätswerk beziehen, beträgt die Preissteigerung weniger als 50 Prozent.

Aus ökonomischer Sicht lässt sich dazu ganz viel sagen; hier nur vier Punkte: Erstens ist es wichtig, dass es freie Märkte gibt, welche die Knappheit des Stroms prognostizieren, damit sich die Verbraucher auf die Knappheit einstellen können.

Zweitens ist es gut, dass zu diesen Preisen Strom immer zuverlässig gekauft und verkauft werden kann und dass dann auch geliefert wird. Eine Deckelung der Strompreise, wie das Politiker im In- und Ausland vorgeschlagen haben, würde in einer Katastrophe enden, weil zu wenig gespart und die Märkte völlig austrocknen würden. Das wäre faktisch gleichbedeutend mit einem Blackout.

Drittens sind die Preissteigerungen für Haushalte und kleine KMU viel tiefer als für grössere Firmen. Spekulanten, vielleicht die Werke selber, welche frühzeitig das Risiko auf sich genommen haben, sich Produktionskapazitäten zu sichern, treten in die Bresche und liefern Strom zu den vereinbarten, viel tieferen Preisen.

Viertens werden wir feststellen, dass es Verbraucher gibt, die besser als andere auf die Preissteigerungen reagieren können: Die Reduktion der Wohnungstemperatur um ein oder zwei Grad beispielsweise ist viel einfacher und erträglicher als die Veränderung der Produktionsstruktur einer Bäckerei, die das Brot mit Strom bäckt.

Auf jeden Fall ist mit sehr grossen Substitutionen in der Produktion und im Konsum und entsprechenden Veränderungen der relativen Preise zu rechnen.

Martin Janssen ist Unternehmer (Ecofin-Gruppe) und emeritierter Professor für Banking und Finance an der Universität Zürich.