Was braucht eine Frau, um sich den Heiligen-Status zu sichern? Mit einer medienwirksamen Opfergeschichte könnte es klappen.
Publicity gibt es gratis mit dazu. Damit soll mitnichten tatsächlichen Opfern die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Aber es ist eben auch wahr, dass nicht jede Geschichte deshalb unzweifelhaft ist, weil sie eine Opfergeschichte ist.
In den vergangenen Wochen haben Frauen Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Till Lindemann, Frontmann von Rammstein, erhoben. Seither jagt eine böse Schlagzeile die andere.
Zugleich feiert die Mainstream-Presse die mutmasslichen Opfer als Heldinnen. Im Tagesspiegel versteigt sich eine Autorin sogar dazu, man müsse Hymnen auf diese jungen Frauen singen. Schliesslich gehörten diese Zwanzigjährigen der Generation Z an, die das Patriarchat besiegen könnte.
Am Wahrheitsgehalt der Aussagen der auf den Thron Gehobenen wird nicht gezweifelt. Journalisten ignorieren ihre Sorgfaltspflicht und präsentieren Lindemann als bereits überführten Straftäter. Das weckt ungute Erinnerungen an die in eine hysterische Verleumdungskampagne ausgeartete Berichterstattung wegen sexueller Belästigung im Fall Kachelmann, des TV-Meteorologen.
Seither nichts gelernt?
Erschütternd, wie Medien erneut auf rechtsstaatlichen Garantien herumtrampeln. Die Unschuldsvermutung gilt lediglich als lästiges Beiwerk, das es flugs zu beerdigen gilt.
Mehr noch. Die FAZ bastelt sich ihr eigenes Strafrecht, wonach, wie in einem Artikel zu lesen ist, die Unschuldsvermutung auch für Opfer gelte. Tatsächlich aber dient die gesetzlich verankerte Unschuldsvermutung, das ist ihr Sinn, ausschliesslich dem Schutz des Angeklagten.
Die mediale Missachtung der Rechtsprinzipien zieht indes weitere unheilvolle Kreise: Die SBB stoppten vorab ihre Social-Media-Werbung für die Extrazüge zu den Rammstein-Konzerten in Bern an diesem Wochenende. Die Schweizer Juso wollten den Auftritt der Band via Unterschriftensammlung verhindern. Am Samstag kam es vor Konzertbeginn zu einem lautstarken Protest von Menschen, die ihr Urteil gegen Lindemann bereits gefällt hatten.
Was aber, wenn sie eines Tages selbst mit Beschuldigungen konfrontiert werden? Würden sie auf die Unschuldsvermutung verzichten wollen?
Nicht nur die FAZ biegt sich die Unschuldsvermutung für ihre Kampagnen zurecht, auch die anderen bis einschließlich der EMMA von A. Schwarzer machen das so. Auf dem Weg zur Quotenhasche bleiben auch die Unterlassungserklärungen der Anwälte unberücksichtigt, schließlich wolle man damit nur die Opfer mundtot machen, heißt es. Das passt natürlich alles nicht ins Konzept, da die Presse derzeit Jagd auf alles mit zwei Beinen macht, (die richtigen) Haltungen einzufangen und in die Breite zu streuen…
" Die weiblichen Fans können ja immer ‹Nein› sagen." Eine Person, die so etwas sagt, hat keine Ahnung, was Macht und Machtmissbrauch ist. Und wie gross der Machtunterschied zwischen einem millionenschweren, berühmten Mann in einem gewissen Alter ist und einem Fan. Es wurde mit Separieren der Frauen, Handy wegnehmen, Alkohol verabreichen und anderen Substanzen klar darauf hingearbeitet, es den Frauen zu erschweren, Nein zu sagen.
Frei nach Esther Vilar ist ein Mann umso begehrenswerter, je mehr andere Frauen ihn haben möchten. Dabei geht es gar nicht um den Mann selber, sondern ausschliesslich darum, die anderen Frauen auszustechen (Wortspiele lassen wir jetzt mal). Ob der Mann ästhetisch attraktiv ist, ist dabei schnurzpiepegal. Er muss Einfluss, Macht und/oder Geld haben. Der Anschein genügt, weil die Enttäuschung fester Teil des Programms ist.