Dieser Text erschien zuerst im Monats-Magazin Schweizer Monat sowie im dazugehörigen Newsletter «Grob gesagt» von Chefredaktor Ronnie Grob.

Seit der 2010 mit 52,9 Prozent Ja-Stimmen angenommenen Volksinitiative «für die Ausschaffung krimineller Ausländer» steht in Art. 121 der Schweizer Bundesverfassung, dass Ausländer «ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf Aufenthalt in der Schweiz» verlieren, wenn sie «wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, wegen einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, wegen eines anderen Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, Drogenhandels oder eines Einbruchsdelikts rechtskräftig verurteilt worden sind; oder missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben.»

Man kann es ganz nüchtern feststellen: In der Schweiz ist die Rückführung von Ausländern nach klaren, rechtsstaatlichen Regeln ein Auftrag an die Politik, wie er sich aus der Bundesverfassung ergibt. Ob man diesen Vorgang nun Ausschaffung, Abschiebung, Zurückweisung oder Remigration nennt, ist einerlei – wobei Remigration (wörtlich: Rückwanderung) sprachlich der zurückhaltendste Begriff in der Reihe ist; sie kann nämlich auch freiwillig und ohne staatlichen Zwang erfolgen.

Von Befürwortern einer unkontrollierten Migration jedoch wird der Begriff «Remigration» ganz anders ausgelegt. Sie stellen es so dar, als würden die Befürworter von Ausschaffungen dieses Ziel ohne rechtsstaatliche Mittel erreichen wollen.

Ein derartige Vorstellung sieht etwa so aus: Eine Einsatztruppe tritt die Haustür einer gut integrierten ausländischen Familie ein – einfach nur, weil sie nicht von Schweizern abstammt –, führt sie dann mit Gewalt ab und bringt sie über die Landesgrenze.

Natürlich wird es einige wenige geben, die sich ein derartiges gewaltsames Eingreifen einer Staatspolizei oder eines Mobs von Neonazis ohne jegliche Rechtsgrundlage wünschen würden. Ein solches, klar nationalsozialistisches Denken und Handeln ist jedoch den meisten Bürgern fremd. Allerdings sehen sie nicht ein, weshalb sie Zuwanderer finanzieren sollen, die ihr Aufenthaltsrecht verloren haben, weil sie kriminell geworden sind oder weil ihr Antrag auf Asyl abgelehnt worden ist.

Migrationsforscher Ruud Koopmans hält das europäische Asylrecht für eine Schande, weil es mehr Menschenleben fordere, als es rette. Das mag sein, doch solange die europäischen Regierungen inklusive die Schweiz daran festhalten, gilt es dieses durchzusetzen. Dass dazu zwangsläufig auch die Ausweisung von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht gehört, ist an sich unbestritten. «‹Remigration›? Ja, aber richtig», forderte Marc-Felix Serrao in der NZZ. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte: «Wir müssen endlich im grossen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.»

Diesen Aussagen zum Trotz ist der Begriff «Remigration» 2024 so mit Emotion und Bedeutung aufgeladen, dass viele dem Eindruck verfallen, es handle sich dabei um eine Lösung oder Forderung von Rechtsradikalen. Was auch damit zu tun hat, dass Rechtsradikale das Wort als Kampfbegriff für sich verwenden, wobei insbesondere der österreichische Aufmerksamkeitskünstler Martin S. eine Rolle spielt. Es ist ein Erfolg der Kräfte an den Rändern des politischen Spektrums: Sie haben mit «Remigration» einen neuen Begriff gefunden, mit dem sie die Mitte provozieren können.

Dass Remigrationsbefürworter Martin S. kürzlich feststellen musste, dass auch er im Ausland ein Ausländer ist, der Gefahr läuft, remigriert zu werden (von der Aargauer Kantonspolizei aus dem Kanton Aargau «zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Konfrontationen mit Personen der Gegenseite»), hat eine ironische Note.

In einer freien, demokratischen Gesellschaft darf ein jeder eine konsequentere Remigration fordern. Es ist die Staatsgewalt, die dafür zu sorgen hat, dass diese in jedem Fall nach den Regeln des Rechtsstaats abläuft.

Aber auch, dass sie speditiv vonstattengeht. Die Ankündigung des zuständigen Bundesrats Beat Jans (SP), 24-Stunden-Verfahren für aussichtslose Asylbewerber einzuführen, geht dabei in die richtige Richtung.