Fluchtartig verliess Marine Le Pen den Gerichtssaal. Bevor das Strafmass für die 25 Angeklagten verkündet wurde, hatte die Richterin das politische Verdikt für alle vorweggenommen angekündigt: unwählbar.

Fünf Jahre dauert die Unwählbarkeit von Marie Le Pen. Vier Jahre soll sie ins Gefängnis – zwei davon auf Bewährung. 100.000 Euro Busse. Dagegen kann Marine Le Pen in Berufung gehen.

Die Unwählbarkeit aber gilt ab sofort. Abgeordnete darf sie bleiben – die Wiederwahl ist ihr untersagt.

Das Urteil hat ein Erdbeben ausgelöst. Es erschüttert Frankreich – die Nachbeben sind in ganz Europa zu verspüren.

Das Delikt: Das Europaparlament bezahlt seinen Abgeordneten die Mitarbeiter – generös. Im Falle von der Partei Rassemblement National (RN) arbeiteten sie nicht nur für die Parlamentarier, sondern für die Partei in Paris. Zum Beispiel als Fahrer. Vor allem kleine Parteien haben dieses System missbraucht. Bei RN geht es um vier Millionen.

Das Unbehagen ist enorm, in allen Parteien. Die Unwählbarkeit sei obligatorisch, argumentieren die Richter. Renommierte Verfassungsrechtler warnten vor diesem Urteil und mahnten zur Zurückhaltung – seit Monaten.

«Die Richter haben die Monarchie gebodigt, sie werden auch die Republik ruinieren», hatte bereits der sozialistische Präsident François Mitterrand geahnt.

Mit der Trennung der Gewalten tat sich Frankreich schon immer schwer. Ihr Gleichgewicht ist gestört. Die Richter haben eine Macht, die unkontrollierbar geworden ist. Sie verhinderten die Wahl von François Fillon, gegen den im Schnellverfahren ermittelt worden war. Sarkozy sitzt gerade – zu Hause – im Gefängnis. In einem weiteren Prozess, dessen Urteil nächstens verkündet wird, drohen ihm sieben Jahre – ohne einen einzigen Beweis.

Marine Le Pen war dreimal Kandidatin für das Elysee, zweimal kam sie in die Stichwahl. Die am Tag vor dem Urteil publizierten Umfangen für 2027 bestätigen sie als einsame Favoritin: 37 Prozent im ersten Durchgang, kein potenzieller Zweitplatzierter kommt auf mehr als 20 Prozent.

Die Richter hatten die Möglichkeit, ein salomonisches Urteil zu fällen. Angemessene Strafen für die Angeklagten – und die Weigerung, über die Unwählbarkeit und ihre unabsehbaren politischen Folgen zu bestimmen.

Darüber sollten die Wähler urteilen.